Nach 89 Jahren im Reisegeschäft fällt der Migros etwas auf: Grösse ist in diesem Business wichtig. Die Erkenntnis kommt just zu jener Zeit, da die Hotelplan-Gruppe nach der Pandemie zu alter Grösse zurückgefunden hat. Aber offenbar nicht gross genug. Also entscheiden die Migros-Manager: Die Hotelplan Gruppe soll verkauft werden.

Dass ein Grosskonzern wie die Migros sein Portfolio regelmässig prüft, ist Courant normal. Und so wurden in den letzten Jahren Unternehmen wie Globus, Depot und Interio, der E-Bike-Pionier M-Way und das europäische Fitnessgeschäft veräussert. Was all diesen verstossenen Migros-Töchtern gemeinsam war: Es waren Firmen, die erst im Laufe der Jahre zur Migros kamen. Also keine Pionierleistungen, die in die Zeit des Migros-Gründers Gottlieb «Dutti» Duttweiler zurückreichten. Wo viel Dutti-Pionierleistung drinsteckt, so die bisherige Beobachtung, war die Migros stets vorsichtig mit Veräusserungen.

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Kein Bereich ist mehr heilig

Das ändert sich jetzt. Mit dem geplanten Verkauf der Reisesparte zeigt die Migros klar, dass kein Bereich mehr heilig ist. Nicht mal Hotelplan, gegründet 1935. Das touristische Geschäft von heute habe nicht mehr viel mit Duttis Zeiten zu tun, finden die Migros-Chefs. Die Botschaft: Es ist erlaubt, an der eigenen DNA kratzen. Eine Pionierleistung abschneiden – das ist 2024 kein Frevel mehr. Selbst in einer Zeit, da schon die Vorbereitungen fürs Hundert-Jahr-Jubiläum der Migros im Jahr 2025 laufen.

Wenn bei der Migros nichts mehr heilig ist, kann man das schlecht finden und im Fall von Hotelplan fürchten, dass nach dem Verkauf von Imholz an die deutsche TUI und von Kuoni an die deutsche DER Touristik nun auch noch dem letzten grossen einheimischen Touristikkonzern die Swissness verreist.

Wenn nichts mehr heilig ist, kann das aber auch heissen: Der neue Migros-Chef Mario Irminger traut sich, das Undenkbare zu denken. Und zu machen. Wenn das so ist, müsste man aber wohl auch die ganze Genossenschaftsstruktur anpacken. Und dort an der DNA kratzen.

Andreas Güntert
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