Gehen andere Retailkonzerne mit einer einzigen Expansionsmannschaft aufs Ausland los, so herrscht bei der Migros auch hier der Sonderfall: Mehrere interne Player steuern die Vorstösse gen Norden. Das sind die grossen Migros-Pflöcke in Deutschland:

Migros Deutschland GmbH. Im Oktober 2005 hielt es die «Bild»-Zeitung für angebracht, ihren deutschen Lesern etwas Nachhilfe zu geben punkto original schweizerischen Einzelhandels: «Migros plant bis zu 20 Niederlassungen in Deutschland», schrieb das Boulevardblatt – und lieferte gleich eine phonetische Hilfestellung mit: Die Aussprache laute «Mih-Groh». Tatsächlich hatte der neue Migros-Chef Herbert Bolliger – er war im Juli 2005 als Präsident der MGB-Generaldirektion angetreten – einen grossen Plan: Man wolle wachsen in Deutschland, 10 bis 20 Supermarkt-Filialen im südbadischen Raum waren angedacht. Bolligers Credo: «Wir machen es richtig – oder gar nicht.»

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Damals war es eine starke Neuigkeit mit Signalcharakter: Das Österreich-Debakel, bei dem die Migros in den neunziger Jahren 500 Millionen Franken verlochte und den Konzern in eine Art Ausland-Schockstarre versetzte, sollte endgültig vergessen sein.

Doch der Versuch mit den Supermärkten funktionierte nicht. Die Keimzelle der deutschen Migros-Expansion schrieb 2012 einen Fehlbetrag von rund einer Million Euro, 2011 waren es 137 000 Euro. Die Filialen in Bad Säckingen und Reutlingen wurden geschlossen.

Migros-intern ist entschieden, dass dieser Vorstoss – operativ ist die Migros Basel am Drücker, finanziell auch die Migros-Zenrale in Zürich involviert – nicht weiterverfolgt wird. Migros-Chef Bolliger gegenüber BILANZ: «Die Expansion ist gescheitert.» Die übrig gebliebenen vier Filialen der Migros Deutschland GmbH werden wohl verkauft.

Gries Deco. Das Migros-Departement Handel, seit 2008 unter der Leitung des Deutschen Ernst Dieter Berninghaus, wurde abseits der Genossenschaften aktiv: 2009 beteiligte sich die Migros an der Gries Deco Holding, heute hält man 51,1 Prozent und weist die Firma als voll konsolidierte Tochtergesellschaft aus. Die insgesamt 387 Inneneinrichtungs-Boutiquen setzten 2012 total 334 Millionen Franken um; die 287 Standorte in Deutschland dürften für über 250 Millionen Franken stehen.

Tegut, Elements. In jüngster Vergangenheit steigerte sich die Genossenschaft Migros Zürich (GMZ) mit ihrem Chef Jörg Blunschi in einen regelrechten Deutschland-Rausch: Übernahme der Supermarkt-Kette Tegut (Umsatz: 1,4 Milliarden Franken), Aufbau der Fitnessstudio-Kette Elements. Landesweit sind 50 Studios geplant, nach einem ersten Ableger in München kommen 2013 Filialen in München und Stuttgart hinzu. Pro Anlage, sagt Blunschi, fällt ein Investitionsbedarf von «rund 2,5 Millionen Euro» an. Zudem holte man Bio-Händler Alnatura in die Schweiz.

Insbesondere der Tegut-Vorstoss bringt weitere Kosten mit sich. 2013/14 muss ein zweistelliger Millionenbetrag für «Revitalisierungen» aufgewendet werden. Migros-interne Hilfe wird man dabei nicht erhalten. Nachdem Blunschi Anfang 2013 noch in der deutschen «Lebensmittel Zeitung» dafür warb, andere Migros-Genossenschaften ins Tegut-Boot zu holen, wird diese Option jetzt nicht mehr verfolgt.

So gross wie Aldi Suisse. Der Migros-Konzern weist keinen kumulierten Deutschland-Umsatz aus. Werden die Verkäufe von Depot, Tegut und den süddeutschen Supermärkten (61 Millionen Franken für 2012) addiert, resultiert eine Summe von 1,7 Milliarden. Zusammen mit den Lieferungen der Migros-Industrie sowie Aktivitäten wie Online-Shop und Schokogramm dürfte, konservativ gerechnet, ein Gesamtumsatz von über zwei Milliarden Franken resultieren. Aldi schaffte 2011 in der Schweiz geschätzte 1,5 Milliarden Franken und dürfte 2012 die Zwei-Milliarden-Grenze geknackt haben.

Andreas Güntert
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