BILANZ: Sind Sie einfach einzuschüchtern, Herr Mirabaud?
Yves Mirabaud: Nein, sollte ich?

Seit Januar wollen Sie kein voll haftender Gesellschafter der Bank Mirabaud mehr sein. Wohl auch aus Angst davor, dass Sie Ihr privates Vermögen im Haftungsfall hätten verlieren können.
Es ging bei der Entscheidung darum, dass wir glauben, dass die Kommanditaktiengesellschaft für unsere Bank die Unternehmensform der Zukunft ist. Die Zeit war einfach gekommen, um diesen Schritt zu machen.

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Die unbeschränkte Haftung der Partner konnte bei Kunden für Jahrhunderte als vertrauensförderndes Verkaufsargument genutzt werden.
Ja, aber die Kunden verstehen, dass wir immer noch die gleichen Werte vertreten, dass wir eine Firma in Familienhand bleiben und keine Risiken eingehen, die sie selber nicht eingehen würden.

Hatten Sie Reaktionen von Kunden?
Keine wesentlichen.

Wie emotional war es, nach über 200 Jahren das Modell als unbeschränkt haftende Partner aufzugeben?
Es ging nicht darum, ob es sich gut anfühlt oder nicht. Die Frage war, ob es die richtige Entscheidung ist.

Was hätten Ihre Vorfahren dazu gesagt?
Meine Vorfahren haben sich wahrscheinlich im Grab umgedreht. Aber das ist gut.

Gut?
Weil sie sich vor zwei Jahren schon mal umgedreht haben, als wir eine Frau zur Partnerin der Bank machten. Jetzt liegen sie wieder richtig herum (schmunzelt).

Als Genfer Bank haben Sie viele Kunden aus Frankreich.
Am wichtigsten ist für uns die Schweizer Kundschaft. Aber wir haben auch französische Kunden, die bei uns eine Dienstleistungsqualität bekommen, die sie im eigenen Land nicht oft finden.

Gibt es Steuerrisiken wegen der Kunden aus Frankreich?
Die Schweiz hat entschieden, internationalem Steuerrecht zu folgen, und ich fühle mich sehr wohl damit.

Keine Risiken?
Wenn wir denken, dass Kunden ihre Steuerpflicht nicht erfüllen, fordern wir sie dazu auf, dies zu tun. Das Problem ist, dass wir den Kunden nicht von einem Tag auf den anderen sagen können, dass sie die Bank verlassen müssen.

Was tun Sie also?
In Grossbritannien und Österreich gibt es ein Steuerabkommen zur Lösung von Problemen mit Altlasten. Für spanische Kunden gibt es eine gut funktionierende Amnestie. Sogar Deutschland bietet Hand. Aber es gibt auch Länder, die das Thema dogmatisch handhaben.

Frankreich?
Das Land hat ein Zeitfenster geöffnet, in dem das Geld von Steuerbetrügern legalisiert werden kann, allerdings zu sehr harten Konditionen.

Was heisst das?
Ich formuliere es mal so: Wenn Staaten wie etwa Spanien ihren Bürgern bei einer Amnestie ein vernünftiges Angebot unterbreiten, dann kommt viel Geld zurück. Wenn das Ziel eines Regularisierungsprogramms aber ist, die Bürger zu bestrafen und bedeutende Teile des Vermögens zu konfiszieren, dann ist es schwieriger, mit einer Amnestie erfolgreich zu sein.

Das Schwarzgeld bleibt also in der Schweiz?
Es ist sehr wahrscheinlich, dass in ein oder zwei Jahren der automatische Informationsaustausch ein internationaler Standard wird. Mit dieser Aussicht ist die Motivation nicht gross, mit Schwarzgeld bei Schweizer Banken zu bleiben.

Wohin fliesst das Schwarzgeld?
Ich bin ziemlich sicher, dass es nicht Ableger hiesiger Banken im Ausland sein werden. Heute würde ich zumindest die Schweizer Bank nicht verstehen, die solches Geld annimmt, auch nicht bei einem Ableger auf der anderen Seite der Erde.

Wohin gehen diese Kunden dann?
Ich wüsste nicht, wohin sie mit ihrem Geld gehen könnten. Aber wir stellen fest, dass immer mehr Franzosen Frankreich ganz verlassen und ein neues Domizil im Ausland finden.

In der Schweiz?
Kaum. Viel wahrscheinlicher ist es, dass sie nach England ziehen, mit dem Status «Resident non domiciled».

Steuerlich attraktiv.
Sehr! Als «Resident non dom» bezahlen Sie keine Steuern auf Ihren ausländischen Vermögen für sieben Jahre und danach nur 30 000 Pfund pro Jahr. Es gibt 250 000 bis 300 000 «Residents non dom» in England. Im Vergleich gibt es nur rund 5000 Pauschalbesteuerte in der Schweiz.

Viele ausländische Kunden verlassen derzeit wahrscheinlich Ihre Bank.
Nein, kaum. Die Kunden wollen bei uns bleiben, auch wenn das aus regulatorischen Gründen schwieriger wird.

Wieso?
Weil ausländische Staaten es ihren Bürgern erschweren, Kunde einer Bank ausserhalb der Europäischen Union zu sein. Aus diesem Grund ist es sehr wichtig, dass die Schweizer Banken einen Zugang zum wichtigen EU-Markt haben werden.

Wenn es diesen Zugang nicht gibt, was würde das bedeuten?
Die EU-Kunden würden wahrscheinlich immer noch von Schweizer Banken bedient, aber nicht aus der Schweiz heraus, sondern aus dem Ausland, etwa aus London oder Luxemburg. Das ist das grosse Risiko für das Finanzzentrum und die Arbeitsplätze in der Schweiz.

Wird die Schweiz es schaffen?
Schwierig einzuschätzen. Ich war froh, dass Bundesrätin Widmer-Schlumpf gesagt hat, dass es nur eine Neuverhandlung der Steuerflucht-Thematik mit der EU geben werde, wenn dafür auch der Marktzugang für Schweizer Banken in die EU gesichert werde.

Wie beurteilen Sie die Rolle des Schweizer Regulators, der Finma, in diesem Zusammenhang?
Das Postulat Graber hat klar formuliert, dass die Finma die Investoren zu schützen und das Finanzzentrum zu fördern hat. Leider scheint die Finma zu glauben, dass es dem Finanzzentrumautomatisch besser gehen wird, je straffer sie reguliert.

Sie bezweifeln das?
Absolut. Ich sehe zudem, dass die Regulatoren in anderen Ländern ihren Banken auch helfen wollen.

Was sollte die Finma also tun?
Die Schweizer Behörden und die Finma müssen internationale Standards anwenden, aber nicht mehr. Man muss da nicht immer der Klassenstreber sein.

Familiär vorbelastet: Yves Mirabaud (47) ist leitender Gesellschafter der Bank Mirabaud & Cie und Neffe von Pierre Mirabaud, dem ehemaligen Präsidenten der Bankiervereinigung. Er studierte internationale Beziehungen in Genf und fing 1993 an, für die Bank zu arbeiten. Diese wird seit dem 1. Januar nicht mehr von unbeschränkt haftenden Partnern geführt. Mirabaud verwaltet rund 25 Milliarden Franken.

Erik Nolmans
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