Im Verhandlungssaal 303 des Wiener Landesgerichts für Strafsachen war es mucksmäuschenstill. Weit mehr Journalisten und Zaungäste als erwartet waren gekommen, um ihn, den Angeklagten, zu sehen – Mirko Kovats, Selfmademillionär, Ex-Grossaktionär des Technologiekonzerns Oerlikon und Gründer der börsenkotierten österreichischen A-Tec-Gruppe. Noch selten wurde in der Alpenrepublik ein derart prominenter Wirtschaftskapitän vor den Kadi beordert und noch seltener mit einer so gesalzenen Anklageschrift eingedeckt. Kovats und zwei weiteren Angeklagten wird vorgeworfen, 1999 zwei Firmen in Konkurs geschickt und deren Gläubiger vorsätzlich geschädigt zu haben. Im Falle einer Verurteilung – es gilt die Unschuldsvermutung – drohen dem 59-jährigen Unternehmer im schlimmsten Fall bis zu zehn Jahre Haft.

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Der Unternehmer wies die Vorwürfe zurück. Er verteidigte sich damit, dass die Forderungen damals nicht einzubringen gewesen und von ihm unter anderem durch freiwillige Zuschüsse aus dem Privatvermögen direkt bezahlt worden seien. Viel Ungemach für Kovats, der, wie Recherchen der BILANZ ergaben, bereits in zwei anderen Verfahren in den letzten zwei Jahren den Kürzeren zog. Er zahlte dem Kläger ein Darlehen in der Höhe von 400 000 Euro zurück – dieser verzichtete im Gegenzug darauf, mit dem Fall an die Öffentlichkeit zu gehen.

Weit brisanter ist hingegen die Tatsache, dass just einen Tag vor Prozessbeginn eine Liste mit 37 Firmen auftauchte, die Kovats in den vergangenen 15 Jahren in Konkurs geschickt haben soll. Zu diesen zählen Unternehmen aus dem Diskotheken-, Gastronomie- und Hotelleriebereich sowie Handels- und Immobilienfirmen. Zusammengetragen wurde diese Aufstellung vom Enthüllungsjournalisten Hans Pretterebner, der vor vielen Jahren in Österreich den «Fall Lucona» aufgedeckt hatte, was zum Rücktritt ranghoher Politiker führte. Diese Liste wurde ein paar Stunden vor Prozessbeginn dem zuständigen Richter Wolfgang Fahrner übergeben, worauf dieser unter anderem auf Grundlage der neuen Aktenlage den Prozess vertagte.

«Was Herrn Kovats im aktuellen Verfahren zur Last gelegt wird, ist nur ein kleines Mosaiksteinchen», behauptet Pretterebner, der Kovats in einem Buch ins Visier nehmen will. Vor den Konkursen seien stets Werte verschoben und Liegenschaften nicht zur Befriedigung der Gläubiger verwendet worden, sondern ins Privateigentum von Kovats übergeführt oder mit exorbitantem Gewinn weiterverkauft worden. Kovats will diese Anwürfe nicht auf sich sitzen lassen: Diese seien absolut falsch und unzutreffend, konterte der Industrielle. Er behielt sich auch rechtliche Schritte vor. Doch bisher gebe es das Buch ja noch gar nicht.

Auf der Liste mit all den Firmennamen, die BILANZ vorliegt, findet sich auch Ronny Pecik wieder, ein langjähriger Weggefährte Mirko Kovats’ (siehe «Stationen einer Partnerschaft» rechts) – wenn auch nur in einem einzigen Fall. So waren Peciks RPR Privatstiftung sowie die A-Tec Industries die Gesellschafter der «Jet-Invest Anlagenvermietungs GmbH», die 2007 wegen Vermögenslosigkeit gelöscht wurde. Es ist gut möglich, dass im Zuge weiterer Recherchen gegen Mirko Kovats auch Ronny Pecik die gemeinsame Vergangenheit einholt. Pecik weist dies indes zurück: «Ich habe seit Mai dieses Jahres keine geschäftliche Beziehung mehr zu Mirko Kovats», so Pecik, der damit andeutet, dass die Jet-Invest erst danach liquidiert wurde. In der Tat scheint Pecik («Ich bin des Teufels General») in weiser Voraussicht auch die letzten Verbindungen mit seinem einstigen Partner im Mai durchtrennt zu haben, als er das letzte Aktienpaket an der A-Tec Industries verkaufte, die er und Mirko Kovats gemeinsam aufgebaut hatten.

Auch die beteiligten Banken könnte ihre Geschäftsbeziehung mit Mirko Kovats im schlimmsten Fall teuer zu stehen kommen. Rudolf Krtina, einstiger Geschäftspartner von Kovats und Autor eines Buchs über den VA-Tech-Deal: «Ich verstehe nicht, dass die Banken Mirko Kovats stets neue Kredite für Firmenübernahmen gaben, obwohl sie ihre Forderungen immer wieder abschreiben mussten.» So soll die Erste Bank auf Anfrage an der Generalversammlung Ende Mai 2007 bekanntgegeben haben, dass ein Kredit an Kovats in der Höhe von rund 1,5 Millionen Euro ausgebucht werden musste. Das hielt die Bank jedoch nicht davon ab, weiter in Geschäftsbeziehung mit Kovats zu stehen. «Für alle Banken, die Kredite erteilten, wäre aus dem österreichischen Firmenbuch ersichtlich gewesen, dass da Firmen in den Konkurs geschickt wurden», so Krtina. Dieser erwägt nun im Falle einer Verurteilung Kovats’ als Aktionär der Ersten Bank rechtliche Schritte gegen den dortigen Vorstand und Aufsichtsrat.

Brisant könnte dieser Fall auch für die Raiffeisenbank St. Gallen werden. Sie finanzierte, für eine kleine Hypothekenbank ungewöhnlich, mit 40 Millionen Franken den Kauf des VA-Tech-Aktienpakets für Mirko Kovats und Ronny Pecik, das diese ein halbes Jahr später zum doppelten Preis an die deutsche Siemens weiterverkauften. Ob die Raiffeisenbank St. Gallen auch frühere Investments von Kovats finanzierte oder allenfalls die Zürcher Kantonalbank – sie war im Falle des Kaufs der Oerlikon-Anteile beteiligt –, wird sich weisen. Die Pressesprecher beider Banken weisen solche Vermutungen von sich.

Mit Spannung wird nun der weitere Prozessverlauf ab Anfang Dezember erwartet. An Überraschungen wird es wohl auch künftig nicht fehlen.