Eine Frau lächelt auf dem Foto sympathisch in die Kamera: 15 Jahre ist es her, seit Anna-Lina Meier das Kleidergeschäft Meier Bern im Herzen der Bundeshauptstadt gegründet hat, heisst es auf der Website. Eine junge Firmengründerin mit Wurzeln im Emmental setzte ihr kleines Herzensprojekt um, das in einem charmanten Berner Quartierladen begann. Über die Jahre hat es sich zu einem stilvollen Onlineshop entwickelt. Das heisst es zumindest im Online-Auftritt. Doch Firmengeschichte und Gründerin sind frei erfunden.
Die Website hat nur ein Ziel: potenzielle Kundinnen und Kunden in die Irre führen. So will Meier Bern eng mit Schweizer Manufakturen und regionalen Produzenten zusammenarbeiten. Diese Schweizer Qualitätsware wird notabene das ganze Jahr zu Aktionspreisen angeboten – mit bis zu 70 Prozent Rabatt. Wer bestellt, erlebt eine herbe Enttäuschung. Im Paket wird man nur billige Ware finden – höchstwahrscheinlich aus China.
Billig- statt Qualitätsware – zahlreiche Beschwerden
Dropshipping nennt sich das. Dabei bieten Onlinehändler in ihrem Shop Produkte an, die sie nicht selbst an Lager haben, sondern bei einem Drittanbieter bestellt werden. Wer die Website genauer prüft, entdeckt einige Unstimmigkeiten. Ein Impressum fehlt komplett. Das Bild der vermeintlichen Gründerin ist gemäss Softwaretest zu 99 Prozent KI-generiert. Genauso wie das Bild des Ladens an der Kramgasse in der Berner Altstadt, wo ein Ladenschild mit dem Firmenlogo von Meier Bern hängen soll. Meier Bern lässt eine Blick-Anfrage unbeantwortet.
Liest man die wütenden 1-Stern-Bewertungen auf Trustpilot, sind schon einige auf den Fakeshop hereingefallen. Mit dem Schweiz-Bezug soll eine möglichst hohe Zahlungsbereitschaft abgegriffen werden. Kunden sollen denken: Sie machen hier gerade ein sagenhaftes Schnäppchen «made in Switzerland».
Bei einer Onlinesuche nach einzelnen Produkten, die bei Meier Bern im Angebot stehen, zeigt sich: Die Ware wird bei diversen Dropshipping-Anbietern feilgeboten. Teilweise zu Tiefstpreisen, aber auch als Luxusprodukte für mehrere Tausend Dollar. Die Anbieter kennen keine Skrupel.
Konsumentenschutz erstattet Anzeigen – «Kampf gegen Windmühlen»
«Die Zahl solcher Dropshipping- oder Fakeshops hat in den vergangenen zwei Jahren massiv zugenommen. Es ist eine regelrechte Schwemme», sagt Konsumentenschützerin Sara Stalder (58). Der Konsumentenschutz hat vor einigen Wochen 17 Betreiber abgemahnt und Anpassungen auf den intransparenten Websites verlangt. Neun haben reagiert, die Webauftritte angepasst oder vom Netz genommen.
Gegen die anderen acht Anbieter hat der Konsumentenschutz Strafanzeige eingereicht, sagt Stalder. «Fehlt ein Impressum auf einer Schweizer Website, oder setzt der Anbieter auf gefälschte Bewertungen, können wir dagegen klagen.» Der Schutz der Konsumenten vor solchen Shops sei aber ein extrem schwieriges Unterfangen. «Es ist ein Kampf gegen Windmühlen. Verschwindet ein Shop, geht gleich ein neuer wieder auf.»
Beim Konsumentenschutz sieht man das Staatssekretariat für Wirtschaft in der Pflicht: Es sei zuständig, betrügerische Angebote zu stoppen.
Das vermeintliche Ladensterben im stationären Handel
Häufig gaukeln Werbeanzeigen und Websites vor, dass hier gerade ein traditionsreicher physischer Laden schliesst und nun der grosse Ausverkauf stattfindet. Das war auch bei Meier Bern vor einigen Monaten so. Damals suggerierten die Website und Werbung auf Social Media, dass unter dem Namen ein Schuhgeschäft in Bern für immer dichtmachen muss. «Alles muss weg – wir schliessen!», hiess es in der Annonce.
In einer anderen Anzeige soll ein angeblicher Luxuskleiderladen mit dem Namen Bellini schliessen, in einer nächsten ist mit Glanzhaus ein Geschäft, in dem Luxustaschen verkauft werden sollen. Doch auch hier alles KI-generierte Shopbilder. Adressen gibt es keine. Bei einer Bestellung dürfte man Ramschware erhalten. Oft laufen die Webshops unter einer .com-Domain.
Auch die Kantonspolizei Zürich stellt in den vergangenen Jahren eine steigende Zahl Meldungen und Opfer solcher Shops fest, wie es auf Anfrage heisst. Die Polizei rät: Wer einen Anbieter nicht kennt, solle unbedingt googeln, ob es die Geschäfte tatsächlich gibt. Erst recht, wenn die hohen Rabatte stutzig machen.
Auch Sara Stalder mahnt zur Vorsicht: «Man sollte zwingend ein wenig recherchieren, bevor man bestellt. Auch ein Besuch auf unserer Website kann helfen. Dort listen wir dubiose Shops auf.» Die Liste sei natürlich sehr unvollständig. Bei der Flut an Shops ist es unmöglich, den Überblick zu haben.
Dieser Artikel erschien zuerst bei Blick unter dem Titel «Mit diesem Lächeln werden Kunden in die Falle gelockt».