Der erste Coup im Jubiläumsjahr gelang Mirabell am Neujahrstag. Der Hersteller der «echten Salzburger Mozartkugeln» ist seit dem 1. Januar offizieller Partner der neuen österreichischen EU-Rats-Präsidentschaft. Mehrere Zentner der Naschereien sollen Europas Politikern und Bürokraten die Arbeit versüssen. Gerade im Mozart-Jahr 2006, findet Mirabell-Markenchefin Ingeborg Gasser-Kriss, «ist das für uns eine ganz besondere Ehre».

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Und ein unschätzbarer Marketingvorteil obendrein, wenn sich dieses Jahr der Geburtstag von Johannes Chrysostomus Wolfgangus («Amadeus») Theophilus Mozart zum 250. Mal jährt. Denn der kollektive Rausch, der sich 2006 um das Genie entfaltet, hat längst nicht nur Musikfans in aller Welt erfasst. Egal, ob Mozartkugelhersteller oder Mokkaproduzent, Weinbauer oder Wurstmacher, Herrenboutique oder Hotelier: Alle wollen am Wolferl-Wirbel mitverdienen.

«Auf bis zu 50 Millionen Euro Umsatzplus im laufenden Jahr dürfte sich der Mozart-Effekt alleine rund um Mozarts Geburtsstadt summieren», kalkuliert Bernd Gaubinger, wirtschaftspolitischer Experte der Wirtschaftskammer Salzburg. Mit rund 250 000 Übernachtungen zusätzlich rechne allein das Gastgewerbe der Region. «Damit stehen die Chancen gut, dass wir 2006 die Zwei-Millionen-Schwelle alleine in der Stadt Salzburg knacken.»

Um das zu erreichen, haben die Organisatoren der Feierlichkeiten das Jahresprogramm in Mozarts Geburtsstadt noch einmal aufgestockt. So finden sich zusätzliche 260 Konzerte – neben den regulären Festungs- und Schlosskonzerten – ebenso im Veranstaltungskalender wie 55 Uraufführungen und 36 Opernproduktionen.

Die Reiseveranstalter haben ihre Kataloge um Spezialangebote erweitert. «Das Programm reicht vom Salzburg-Trip ‹Entdecke Mozart› mit Konzert über ein Festspielpaket und die Opern-Kreuzfahrt mit der ‹MS Amadeus Classic› auf der Donau bis zum Mozart-VIP-Package in Wien», umreisst Jens-Joachim Brösel vom deutschen Städtereisenprimus Dertour das Angebot. Mit Ähnlichem wollen auch Konkurrenten wie Neckermann oder TUI im Jubiläumsjahr vom Mozart-Boom profitieren.

Mozarts runder Geburtstag spornt nicht nur Kulturschaffende und Reiseveranstalter an. «Wir haben bereits ein Plus von rund zwölf Prozent beim Verkauf unseres Mozart-Sortiments», sagt Peter Botzleiner-Reber, Geschäftsführer des bayrischen Süsswarenproduzenten Reber. Der mit bis zu 500 000 Mozartkugeln Tagesproduktion schärfste Rivale von Mirabell setzt voll auf die verkaufsfördernde Wirkung des Festjahres.

Rund 650 000 Euro lässt sich Reber den Auftritt als Exklusivsponsor der Salzburger Jubiläumsausstellung «Viva! Mozart – ein Fest für Mozart» kosten, während Mirabell mit dem Sponsoring von Mozarts Geburtshaus und anderen Projekten kontert. Das Geld sei gut angelegt, findet Botzleiner-Reber, der prognostiziert, «dass wir gerade bei den Kugeln kräftig zulegen und deren Umsatzanteil von einem Drittel auf die Hälfte anheben können».

Auf ähnlich gute Geschäfte hoffen auch die Besitzer der Andenkenläden rund um das Geburtshaus in der Getreidegasse. In deren Auslagen finden sich die wildesten Auswüchse der Mozart-Manie. Das Angebot beschränkt sich keineswegs auf den klassischen Kitsch vom Mozart-Porzellan über das Mozart-Erinnerungslöffelchen bis zum Mozart-Bären mit Perücke, aus dessen Bauch «Eine kleine Nachtmusik» dudelt, wenn der Käufer ihn fest an sich presst.

Derlei Angebote betrachtet nicht nur Wirtschaftsmanager Gaubinger mit etwas gemischten Gefühlen. «Mancher Unternehmer sollte sich in der Vermarktung seiner Produkte dem Niveau des Komponisten annähern.» Schliesslich wollen vom Jubiläumsjahr selbst Firmen profitieren, deren Produkte nicht einmal mehr beim zweiten Hinsehen an den Schöpfer der «Zauberflöte» erinnern. So kreierte etwa die Wurstfabrik Wiesbauer eine ganze Kollektion – vom Mozart-Käsebratschinken bis zur Mozart-Salami. Auch von den Plastikdosen der mit Marzipan- und Schoko-Geschmack aufgepeppten Jubiläums-Milchdrinks der Molkerei Salzburger Land blickt der Komponist dem Käufer skeptisch entgegen.

Auf der Amadeus-Welle gleitet auch der regionale Bierbrauer Stiegl, dessen Braukunst-Flaschen das Konterfei des Musikers ziert. Die örtliche Mozart Distillerie GmbH hofft mit ihrem Mozart-Likör auf zusätzliche Umsätze. Und der Online-Shop Mozartland buhlt mit Wolferl-Briefpapier, dem Mozart-Faschings-Package oder dem niedlichen Mozart-Babyset (samt Schlabberlatz) um Kundschaft.

Das kaum noch überschaubare literarische Angebot von Mozart-Biografien, -Bildbänden, -Romanen, -Kinderbüchern, -Radwegen, -Reiseführern und anderen Werken bereichern jüngst sogar Ratgeber zur Steigerung der Intelligenz. So versprechen Titel wie «Mozart Effect», dass der regelmässige Genuss der Musik die Geisteskräfte stärke.

Das kommt der Plattenindustrie wie gerufen. Für Liebhaber werden alte Aufnahmen neu ediert und Repertoire-Lücken geschlossen, Neueinsteiger mit den Stars der Stunde offensiv beworben. Dass selbst Grössen wie Geigerin Anne-Sophie Mutter dabei kaum Neues präsentieren, nimmt die Branche billigend in Kauf – es macht sich trotzdem bezahlt. «Wo Mozart draufsteht, ist Geld drin», sagt ein Plattenmanager, «das gilt 2006 gleich doppelt.»

Die Angebote reichen dabei weit ins Land der künstlerischen Beliebigkeit: EMI etwa stellte eine CD zusammen, die «Mozart goes Hollywood» heisst – und den Klassiker als geborenen Filmkomponisten («Out of Africa», «Mission Impossible» und so weiter) preist. Bei Universal musste Anna Netrebko Mozart-Liedchen trällern. Am 28. Januar schliesslich, einen Tag nach dem Mozart-Jubiläum, stand die Koloraturkönigin Cecilia Bartoli bei Thomas Gottschalks «Wetten, dass …?» auf der Bühne. In Salzburg, versteht sich.

Andreas Kluge, Promotions-Chef bei UniversalClassics, hat kein Problem mit dem Mozart-Rummel, im Gegenteil: «Ich bin sicher, dass Mozart der gesamten Klassikbranche einen Schub verleihen wird.» Während Universal seine komplette Edition in diesen Wochen für rund 850 Euro anbietet, verschleudert das niederländische Billiglabel Brilliant den ganzen Mozart auf 170 CD für gerade mal 90 Euro.

Dass bei diesen All-inclusive-Angeboten überhaupt noch Platz für andere Anbieter und ihre Exklusivstars bleibt, grenzt fast an ein Wunder. Das sei, sagt ein Plattenmanager, vor allem Mozart selbst zu verdanken: «Der ist und bleibt so erfolgreich, dass am Ende für alle was abfällt.»

Und das gilt wohl nicht nur für die Musikindustrie.