Auch nach der Abschaltung des AKW Mühleberg ist der Atomausstieg in der Schweiz in weiter Ferne. Zu diesem Schluss kommt die Schweizerische Energie-Stiftung (SES).

Sie ist der Frage nachgegangen, welche Bedingungen erfüllt sein müssen, damit die Stilllegung eines Atomkraftwerks beschlossen wird. Die Studie wurde am Freitag veröffentlicht.

Das Fazit: Im Fall von Mühleberg passte beim Stilllegungsentscheid der BKW 2013 alles zusammen. Vor allem erwies sich die Abschaltung als kostengünstigere Variante im Vergleich zum Weiterbetrieb.

Bei den anderen vier Schweizer AKW sei das nicht der Fall, stellen die Autoren der Studie fest. Im Fall von Beznau, Leibstadt und Gösgen wirkten die betriebswirtschaftlichen Anreize so, dass es sich lohne, die Stilllegung hinauszuzögern.

Provisorischer Weiterbetrieb bis 2019 am günstigsten

Vier Faktoren, so die Studie, gaben 2013 für die BKW den Ausschlag für den Entscheid, Mühleberg mittelfristig aufzugeben. Erstens waren die Investitionskosten für die geforderten Nachrüstungen angesichts der Aussichten am Strommarkt zu hoch. Die Strompreisprognosen liessen bis mindestens 2019 kaum Gewinne erwarten.

Zweitens waren eine kantonale und eine nationale Volksinitiative hängig, die aus BKW-Sicht einen unkontrollierten Stilllegungsprozess auszulösen drohten. Drittens willigte die Atomaufsicht Ensi ein, anstelle teurer Nachrüstungen provisorische Massnahmen umzusetzen und Mühleberg so befristet bis 2019 weiterzubetreiben.

Und viertens unterscheidet sich die BKW von den AKW-Betreibern Axpo und Alpiq darin, dass sie nur Mühleberg besitzt (von einer kleinen Beteiligung am AKW Liebstadt abgesehen) - und dies zu 100 Prozent. Die BKW konnte dadurch schneller und eigenständig ihre Strategie ändern und den Atomausstieg beschliessen.

Axpo reizt mit Beznau die technischen Grenzen aus

Der nächste Abschaltkandidat ist das älteste AKW der Schweiz. Doch bei Beznau liegt der Fall anders als bei Mühleberg. Die Betreiberin Axpo ging nach Fukushima einen anderen Weg als die BKW und hielt an der Atomkraft fest. Für die Autoren der Studie ist denkbar, dass dieser Entscheid durch die bereits beschlossenen Nachrüstungen unumkehrbar war.

Weil die Axpo auch an Leibstadt und Gösgen beteiligt sei, habe eine Stilllegung für den Konzern eine andere Tragweite als bei der BKW. Laut Studie ist es denkbar, dass die Axpo grössere Verluste durch teure Nachrüstungen und schlechte Preise an der Strombörse in Kauf nahm, um auf lange Sicht mehrere Grosskraftwerke im Markt zu halten.

Die Axpo habe ihre Strategie nur leicht angepasst: Statt in Beznau ein modernes AKW zu bauen, reize sie die technischen Grenzen im Langzeitbetrieb aus.

Vor dem Hintergrund des deutschen Atom- und Kohleausstiegs möge die Strategie lukrativ sein. Gleichzeitig sei sie relativ riskant: Grössere sicherheitstechnische Probleme und Stromgrosshandelspreise von weniger als 6 Rappen pro Kilowattstunde könnten sich schnell negativ auswirken.

Gösgen und Leibstadt: Weiterbetrieb rentabler

Wieder anders sieht es im Fall von Gösgen und Leibstadt aus - nicht zuletzt wegen der Eigentumsstrukturen, wie es in der Studie heisst: In der Frage der Stilllegung müssten sich die beiden grossen Besitzerinnen Alpiq und Axpo praktisch einig sein, sonst werde der Entscheid aufgeschoben.

Zudem könnten sich die beiden Energieversorger buchhalterisch vor grösseren Risiken bei der Finanzierung der Entsorgung der radioaktiven Abfälle schützen. Das sei ein grosser Vorteil für die Betriebsrechnung, da keine Reserven für allfällige Nachschüsse angelegt werden müssten.

Der Weiterbetrieb von Gösgen und Leibstadt sei daher rentabler. Und er sei mit weniger längerfristigen finanziellen Risiken verbunden.

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(sda/gku)