Wie er so dasteht in der Lobby, sieht er aus wie der Hotelboy. Er ist in dasselbe Grau gekleidet wie die Angestellten, trägt das gleiche Hemd und die gleiche dezente Krawatte. Doch sobald er mit angenehmer Stimme seine Anweisungen erteilt, ist sofort klar: Er ist der Chef. Alexander Manz, der Mann in der Hotellobby, ist der Sprössling einer der bekanntesten Schweizer Hoteldynastien. Sein Urgrossvater hatte diese 1889 mit der Übernahme des Hotels St.  Gotthard in Zürich begründet. In den besten Zeiten bestand das Imperium aus 51 vorwiegend international agierenden Firmen in den Bereichen Hotellerie und Gastronomie. «In der Schweiz», sagt Alexander Manz, «waren wir der grösste Hotelier neben der Mövenpick-Gruppe.» Dies ist Legende. Das Unternehmen durchlief eine Konsolidierungsphase und musste redimensioniert werden. «Wir haben nur die Objekte behalten, die wir selbst besassen, und alles andere abgestossen», sagt Manz. Heute besteht die Manz Privacy Hotels AG noch aus vier zentral gelegenen Viersternehotels in Zürich, Basel und Lausanne, einem verpachteten Hotel in Genf sowie einer Beteiligung an der Oro-Verde-Hotelgruppe in Südamerika. «Wir mussten uns wieder auf unsere Kernkompetenzen besinnen», sagt Alexander Manz, der mit seinem Zwillingsbruder Michael 2006 die Leitung der Hotelgruppe von der Mutter Ljuba übernahm. «Wir sind vielleicht nicht die typischen Nachfolger», sagt Jungunternehmer Manz. Die Zwillinge waren eigentlich für höhere Weihen bestimmt. Es war die Mutter, die für sie eine Musikerkarriere vorgesehen hatte. Brav machten sie in Zürich die Maturität und liessen sich danach am Konservatorium zu Konzertpianisten ausbilden. Sie waren erfolgreich, gaben Konzerte, spielten unter Christoph Eschenbach und an Festivals. Sie haben in Moskau gar ein Werk des Komponisten Mikhail Pletjev uraufgeführt. «Die Musikerkarriere ist nicht so glamourös, wie man immer glaubt», sagt Manz. Das ewige Herumreisen, die einsamen Nächte in den Hotels, die permanente Hektik zehren am ohnehin schon dünnen Nervenkleid der Künstler. Kunst des Loslassens. Für die Brüder war deshalb bald einmal klar: Wir steigen ins Familienunternehmen ein. «Im Jahr 2004 haben wir die Entscheidung getroffen», sagt Manz, «sehr zur Freude unseres Vaters.» Die Mutter, welche die Firma bis 2006 als CEO leitete, wehrte sich nicht gegen die Avancen der Jungen. Sie sagte nur: «Jungs, wenn ihr im Geschäft ernst genommen werden wollt, müsst ihr was vorweisen können.» Also machten sie den MBA an der Università Luigi Bocconi in Mailand. Mittlerweile sind die Brüder als Chefs akzeptiert, nachdem sie den Hotels eine umfassende Fitnesskur verordnet haben. «Als wir die Gruppe übernahmen», sagt Manz, «war sie relativ verstaubt und ohne zielgerichtete Führung.» Manz Privacy Hotels sind ein typisches Schweizer KMU. Die Firma erzielt einen Umsatz von rund 25 Millionen Franken und beschäftigt 150 Angestellte. Im Unternehmen drängt sich ein Generationenwechsel geradezu auf, die Chefin ist zwar bereits im Pensionsalter, die Jungen möchten das Unternehmen mit modernen Managementmethoden vorwärtsbringen. Gerade hier zeigt sich in vielen Familienfirmen ein Problem, denn viele Unternehmer können nicht loslassen und gefährden so den Fortbestand ihrer Firma. Umfragen bestätigen immer wieder, dass die Mittelständler dem Nachfolgethema zu wenig Aufmerksamkeit schenken. Nur gerade 51 Prozent der 51- bis 60-jährigen Unternehmer finden das Thema relevant oder sehr relevant (siehe Grafik «Firmenübergabe mit wenig Priorität» im Anhang). Kein Wunder, scheitert der Generationenwechsel meistens. Nur noch 40 Prozent der Familienunternehmen gehen an die nächste Generation. Vor fünf Jahren lag dieser Wert noch bei 60 Prozent. Tabuthema Nachfolge. Dabei ist das Nachfolgethema brisanter denn je. Gemäss einer Studie der UBS ist in den nächsten fünf Jahren in 47 000 bis 62 500 KMU die Nachfolge fällig. Eine frühere Studie der Universität St.  Gallen kommt gar auf rund 77 000 Firmen, die vor einer Übergabe stehen. Scheitert diese, so sind bis zu einer Million Arbeitsplätze in Gefahr. Über diese Zahlen hinaus weiss man recht wenig darüber, wie der Nachfolgeprozess idealerweise abläuft. «Das wurde noch nie genau untersucht», sagt Daniela Eberhardt vom Institut für Angewandte Psychologie (IAP) in Zürich. Bei ihren eigenen Untersuchungen hat sich ein klarer Befund herausgestellt: «In Unternehmerfamilien wird bei der Nachfolge zu wenig über die Wünsche und Perspektiven der Betroffenen geredet.» Bei der Familie Manz war dies anders. Es flogen zuweilen die Fetzen. «Wir hatten ganz andere Ideen als unsere Vorgänger», sagt Alexander Manz. Aber einfach durchgedrückt haben die beiden Jungen nichts. Zuallererst durchleuchteten sie die ganze Firma, jedes einzelne Hotel und bestimmten so den Veränderungsbedarf. Manz sagt: «Es galt, eine konstruktive Lösung zu finden, miteinander und nicht gegeneinander.» Die Verjüngungskur der Hotelkette dauert nun schon vier Jahre. 35 Millionen Franken hat die Familie ins Unternehmen investiert. Es ging darum, den Hotels eine einheitliche Corporate Identity zu geben und den patronalen Führungsstil zu verändern.«Mein Bruder und ich hätten das auch in einem statt in vier Jahren durchziehen können», sagt Manz. Doch ihnen ging es darum, die Eltern nicht zu überfahren. Dennoch fügt er bei: «Es war schon ein Kulturclash, den wir provozierten.» Auch dass sie erstmals ein Reglement einführten, das die Kompetenzen zwischen Geschäftsleitung und Verwaltungsrat im Detail festlegte. «Zuvor», sagt Manz, «war die Gruppe strategisch schon wenig homogen positioniert.» Rücksicht nehmen, miteinander reden, Verständnis wecken – im Nachfolgeprozess sind beide Seiten gefordert, der Übergeber wie der Übernehmer. Sie stehen beide an ganz verschiedenen Orten. Der Vorgänger will sein Lebenswerk bewahren und sieht in jeder Veränderung eine Gefahr für die Firma. Der Nachfolger dagegen, oft auch besser ausgebildet, drängt vorwärts, will verändern und etwas bewegen. «Deshalb braucht es immer eine Klärung der Ausgangslage», sagt Anita Sigg von der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften. Alle Beteiligten müssen zuerst wissen, was sie genau möchten, der Patron und der designierte Nachfolger, aber auch die Familie und andere Involvierte. «Wichtig ist jedoch», dies betont auch PwC-Partner Peter Schmid, «dass der Unternehmer sich verschiedene Nachfolgeoptionen offenhält.» Dies gelte auch, wenn der Grundsatzentscheid schon gefallen sei. «Man muss sich für alle Fälle die Handlungsfreiheit bewahren.» Dass es nicht immer genau so läuft wie geplant, hat Wolf von Stauffenberg selber erfahren. Er besitzt die AG für Isolierungen (AGI) in Dällikon ZH seit 1977. Die Marktführerin für technische Isolationen und baulichen Brandschutz setzt mit 300 Mitarbeitern rund 60 Millionen Franken um. Von Stauffenberg hat für die Zukunft der Firma verschiedene Möglichkeiten in Erwägung gezogen. Er hat sich schon früh mit der Nachfolge beschäftigt, hat einen Verkauf nicht von vornherein ausgeschlossen. «Ich hatte ein Angebot», sagt er. Eine Familienkonferenz brachte darauf die Klärung. Da die Tochter und der ältere Sohn, Sebastian, der Geschichte studierte, kein Interesse zeigten, sollte der jüngere Sohn, Christoph, noch in Ausbildung als Betriebswirtschaftler an der Universität Zürich, dereinst die Leitung der Familienfirma übernehmen. «Für mich war schon immer klar, dass ich ins väterliche Geschäft einsteigen werde», sagt Christoph. Bis es so weit wäre, sollte ein CEO während zehn Jahren die operative Führung übernehmen. Vater von Stauffenberg wollte sich aufs Präsidium zurückziehen. Doch es kam alles anders. «Die Idee war an sich nicht schlecht», sagt er. Vorgesehen war, dass der CEO den Jungen nach dem Studium sorgfältig in seine Funktionen einführen sollte. Doch das Projekt scheiterte schon ein Jahr später, und von Stauffenberg musste wieder antreten: «Der CEO war für diesen Job nicht geeignet.» Doch auch Sohn Sebastian sorgte für eine Überraschung. Er hängte die Hochschulkarriere an den Nagel und meldete sich beim Vater in der Firma. Konsens statt Konflikt. Für den Jüngeren, Christoph, war dieser Entscheid gewöhnungsbedürftig. Er sah sich plötzlich in Konkurrenz zum eigenen Bruder, der ihm die Führungsposition streitig machte. Für den Vater änderte sich die Ausgangslage völlig. Er selbst war es nun, der den älteren Sohn ins Unternehmen einführte, er betraute ihn mit bestimmten Projekten und gab ihm einfachere Führungsaufgaben. Begleitet wurde Sebastian von einem erfahrenen VR-Mitglied. Dafür trat der Jüngere nun nicht sofort ins Unternehmen ein, er arbeitet derzeit in einer anderen Firma, wo er sich das nötige Rüstzeug holt. Wolf von Stauffenberg hatte das Konfliktpotenzial zwischen den Söhnen rechtzeitig erkannt und ergriff zwei Massnahmen. 2009 engagierte er einen Coach zur Begleitung des Übergabeprozesses und zur Ausarbeitung einer Übergabevereinbarung. «Das Ziel war es, mein Lebenswerk zu erhalten», sagt von Stauffenberg. Auch mussten die beiden Söhne ein klares Bekenntnis zur Firma abgeben. Die Aufgaben und Kompetenzen der neuen Führung wurden festgelegt und auch, in welchen Punkten sie unbedingt Konsens herzustellen hatten. Primus inter pares wird der Ältere. In einem feierlichen Akt wird er im Mai auf der Habsburg in seine Funktion eingeführt. Der Jüngere tritt im kommenden Jahr in die Firma ein. Der Vater zieht sich aus der operativen Führung völlig zurück. «Die Beratung durch einen Coach hat uns sehr geholfen», sagt Wolf von Stauffenberg. Diese Meinung teilen nicht viele seiner Unternehmerkollegen. «Die KMU haben grosse Scheu, sich beraten zu lassen», sagt Stefan Steger von Korn/Ferry Schweiz. Sie sprächen lieber mit ihrem Treuhänder oder Rechtsanwalt. Eine Umfrage des St.  Galler Center for Family Business bestätigt diesen Befund. Danach konsultieren KMU für Ratschläge zuerst die Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwälte, die Hausbank oder Freunde, bevor sie einen Unternehmensberater engagieren (siehe Grafik «Wenig gefragte Nachfolgeberatung» im Anhang). «Aber das sind nicht die Experten für die Führungsfragen im Zusammenhang mit einer Firmenübergabe», sagt Steger. Vorab grössere KMU gerieten oft an ihre Grenzen, da der Übergabeprozess doch eine anspruchsvolle Übung sei. Es gelte, die Unternehmensstrategie festzulegen, wie und wo die Firma wachsen wolle. Auch müssten die richtigen Kader gefunden werden, welche die definierte Strategie umsetzen könnten. Bei der Elektrotechnikfirma Schibli hat es mit einem befreundeten Rechtsanwalt geklappt. Er hat die Übergabe vom Vater an den Sohn Jan begleitet, hat dafür gesorgt, dass die drei Schwestern keine Benachteiligung hinnehmen mussten, obwohl der Nachfolger ab 1.  Januar 2011 Alleineigentümer der Hans K. Schibli AG wurde. Immerhin setzt das 1937 gegründete Unternehmen mit 381 Mitarbeitern 64 Millionen Franken um und ist neben der Schweiz auch in Deutschland aktiv. Es war nicht immer klar, dass der Sohn das Unternehmen übernehmen würde. Zwar lernte er Elektromonteur und arbeitete nach der Lehre zehn Jahre lang an verschiedenen Orten, wurde auch Chefmonteur, heute Projektleiter genannt. Doch dann schien sich seine berufliche Laufbahn anders zu entwickeln. Zwei Jahre lang jobbte er als Reiseleiter in den USA. Überraschend griff er im Sommer 1998 zum Telefon und sagte seinem Vater: «Ich will es probieren.» Frühzeitige Planung. Vater Hans Jörg hatte bei Familiensitzungen schon in den neunziger Jahren klargestellt, dass er das Unternehmen an Familienmitglieder weitergeben möchte. Voraussetzung: Sie wollen die Führungsverantwortung tatsächlich übernehmen. Als der Sohn im Jahr 1998 zurückkam, ging Vater Schibli systematisch ans Werk. Freimütig gesteht der junge Schibli heute: «Ich hatte damals keine Ahnung, wie man einen Betrieb führt.» Der Vater gab ihm eine Abteilung mit 30 Leuten, die er zu leiten hatte. Zugleich stellte er ihm einen Berater zur Seite, ein langjähriges Kadermitglied. 2003 hatte der Jungunternehmer seine Ausbildung als Betriebswirtschaftler des Gewerbes abgeschlossen und begann der Firma seinen Stempel aufzudrücken. Umsatz und Gewinn schnellten in die Höhe, moderne, zielorientierte Führungsprinzipien und verflachte Hierarchien begannen ihre Wirkung zu zeigen. Im Nachfolgeprozess kann vieles schiefgehen, wenn der Unternehmer nicht überlegt und planvoll vorgeht. Bei der Hans K. Schibli AG ist es gut gegangen. Der Übergabeprozess wurde rechtzeitig eingeleitet, der Sohn hatte Zeit, mit der zunehmenden Verantwortung und der richtigen Zusatzausbildung ins Unternehmen hineinzuwachsen, und der Patron hat sich rechtzeitig aufs Altenteil zurückgezogen. «Ein solcher Prozess braucht etwa fünf Jahre Zeit», sagt Korn/Ferry-Berater Steger. Nur wenn man wirklich früh plane, könne das Vertrauen zwischen den Beteiligten entstehen, die es für eine Nachfolge braucht. Das Schlimmste sei es, wenn der Vorgänger nicht daran glaube, dass der Nachfolger die richtige Wahl sei. Solche Bedenken hatten Hubert Gross und Hugo Zimmermann nicht. Die beiden ehemaligen Werkzeugmacher haben ihre Firma, die Zehnder & Sommer AG, an die ABTell Wertschöpfungs AG verkauft. Für den Verkauf an einen Investor sprachen zwei Gründe. Zum einen fehlten die Nachfolger, die in die Fussstapfen der Väter hätten treten können, und zum anderen waren die beiden Eigentümer überzeugt, dass nur ein Verkauf die Firma weiterbringen könne. «Wir sind Techniker», sagt Hugo Zimmermann, «wir stossen an unsere Grenzen.» Denn obwohl die Firma mit 18 Mitarbeitern und einem Umsatz von sechs Millionen Franken recht klein ist, hat sie eine internationale Kundschaft. Sie stellt hochpräzise Vorschubsysteme für Stanzmaschinen her. Kunden sind ganz grosse Konzerne wie Nestlé (Nespresso), Siemens oder die Autoindustrie. «Wir hatten weder das Netzwerk noch die internationalen Kontakte, um unsere Firma weiterzubringen», sagt Zimmermann. Dazu brauche es echte Profis. Deshalb reifte der Entschluss, das Unternehmen zu verkaufen. Damit, dass es so schnell gehen würde, hatten sie aber nicht gerechnet. Anfang 2009 schauten sie sich erstmals um, im Mai beauftragten sie einen Broker mit dem Verkauf, und im August fanden die ersten Gespräche statt. Im November machte die ABTell ein konkretes Kaufangebot, und am 23.  Dezember wurde der Kaufvertrag unterschrieben. Bedingung war, dass die beiden Vorgänger bis mindestens 2013 mit je zehn Prozent beteiligt und weiter in der Geschäftsleitung tätig bleiben. Der von ABTell eingesetzte neue Geschäftsleiter Patrick A. Heller kann sich ebenfalls mit maximal 20 Prozent an der Firma beteiligen, wird also selbst wieder Miteigentümer. Er betreut die Bereiche Verkauf, Marketing und Finanzen. Im Unternehmen selbst, so der Eindruck, hat sich nichts geändert. Hugo Zimmermann sagt: «Die neue Eigentümerin hat uns bislang keinerlei Vorgaben gemacht, wir agieren hier völlig autonom.» Das Wichtigste sei indessen, dass das Unternehmen weiterbestehe und Wachstumschancen wahrnehmen könne.

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