Die Schweizer Luftfahrt steht doppelt unter Druck: Nicht nur die Coronakrise macht ihr zu schaffen, sondern auch die geplante Klimaabgabe. Deshalb setzt die Branche nun ihre Hoffnungen auf umweltfreundlichere Treibstoffe. Unter anderem arbeitet daran auch das ETH-Spin-Off Climeworks.

«Der Luftfahrtsektor ist heute für rund 2 Prozent aller weltweiten menschengemachten CO2-Abgaben verantwortlich», sagt ein Climeworks-Sprecher gegenüber der Nachrichtenagentur AWP. «Ohne Gegenmassnahmen könnte sich dieser Anteil bis 2050 auf 5 Prozent erhöhen.»

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Diese Entwicklung bremsen soll ein synthetischer und umweltfreundlicher Treibstoff. So hat sich Climeworks einem neuen europäischen Industriekonsortium namens Norsk e-Fuel mit Sitz in Oslo angeschlossen. Dieses baut in Norwegen Europas erste Anlage zur Herstellung erneuerbarer Kraftstoffe aus CO2 und Wasser. 2023 soll die Anlage den Betrieb aufnehmen.

Climeworks liefert das CO2 für das Vorhaben. Das Jungunternehmen ist bekannt für seine Technologie, CO2 aus der Luft zu filtern. Climeworks hat mehrere Anlagen in Europa, darunter eine in Hinwil, die mehrere tausend Tonnen CO2 pro Jahr filtern. Somit wird bei der Verbrennung des erneuerbaren Kerosins nur CO2 ausgestossen, das zuvor aus der Luft ausgeschieden wurde - der Kreislauf schliesst sich damit wieder.

Kurzfristig kaum Alternativen

Dass die Anlage von Norsk e-Fuel in Norwegen entsteht, ist kein Zufall. Das Land gilt als Vorreiter in der Thematik und hat vorgegeben, dass bis Ende des Jahres 0,5 Prozent des im Land von der Luftfahrt verbrauchten Treibstoffs umweltfreundlich sein sollen, bis 2030 sollen es 30 Prozent sein. Die Regierung will zudem, dass alle Kurzstreckenflüge bis 2040 zu 100 Prozent elektrisch betrieben werden.

Auf elektrischen Antrieben ruhen nicht nur im Strassen-, sondern auch im Luftverkehr grosse Hoffnungen. In der Schweiz ist Anfang Juli das erste Elektro-Flugzeug zugelassen worden. Allerdings braucht die Entwicklung bei den Flugzeugen noch etwas Zeit. Laut einer aktuellen Studie von McKinsey & Company sind elektrische oder Wasserstoffantriebe langfristig zwar entscheidend, um die Emissionen zu senken. Doch kurz- bis mittelfristig gebe es nur wenige Alternativen zu Treibstoffen auf Kohlenwasserstoffbasis für Langstreckenflüge, so McKinsey.

Um die Klimaziele zu erreichen und den CO2-Ausstoss der Luftfahrtindustrie zu senken, führt auch laut Climeworks kein Weg an synthetischen kohlenwasserstoffbasierten Treibstoffen vorbei.

Zusammenarbeit mit Swiss

Auch die Swiss tastet sich bei dem Thema weiter vor. Gemeinsam mit der Schwesterfluggesellschaft Edelweiss hat sie eine Zusammenarbeit mit Climeworks sowie einem zweiten ETH-Spin-off, Synhelion, initiiert, wie Mutterkonzern Lufthansa im Mai bekanntgab. So wurde ein Absichtserklärung für eine mögliche Kooperation unterzeichnet. Zudem bestehe die Absicht, zu einem späteren Zeitpunkt Abnahmekontingente von nachhaltigen Treibstoffen zu vereinbaren.

Seit letztem November bietet Swiss zudem an, dass Passagiere künftig im Buchungsprozess die Klimafolgen ihrer Flüge nicht nur über Kompensationsmassnahmen, sondern auch via den Kauf alternativer Treibstoffe finanziell ausgleichen können. Wählt ein Passagier die Option für alternative Treibstoffe, kauft der Mutterkonzern Lufthansa mit dem Betrag die Menge bei seinem finnischen Partner Neste ein. Dieser stellt Kerosin aus alten Speisefetten her. Der Treibstoff wird dann dem Hydrantensystem am Flughafen in Frankfurt beigemischt.

In der Schweiz ist im Januar anlässlich des Weltwirtschaftsforums WEF erstmals eine Geschäftsmaschine zu 20 Prozent mit nachhaltigem Flugzeugtreibstoff von Neste betankt worden.

Preise entscheidend

Die heute verwendeten nachhaltigen Treibstoffe stellen bislang jedoch mengenmässig nur einen Tropfen auf den heissen Stein dar. Knackpunkt dürften derzeit noch die Preise für das erneuerbare Kerosin sein: Laut McKinsey macht der Brennstoff im Allgemeinen 20 bis 30 Prozent der Betriebskosten aus - und ist damit einer der grössten Kostenblöcke. Heute ist synthetisches Kerosin noch deutlich teurer als herkömmliches, aber bis 2036 könnten sich die Preise laut McKinsey angleichen.

Zugleich drohen der Luftfahrt beim fossilen Kerosin wegen den hohen CO2-Ausstössen höhere Kosten. In vielen Ländern wird eine Flugticketabgabe diskutiert. Auch das Schweizer Parlament hat sich jüngst aus Umweltüberlegungen im Grundsatz für eine CO2-Abgabe auf Flugtickets im Umfang zwischen 30 bis 120 Franken - je nach Klasse und Reisedistanz - ausgesprochen.

(awp/mlo)