Bei ausländischen Konsumenten sind die Schweizer Nahrungsmittelproduzenten nicht nur für Schokolade und Käse bekannt, sondern auch für Babynahrungsmittel. In heissen asiatischen Ländern kommen viele Menschen gar nur als Baby in Genuss von Schweizer Speisen. Zwar stellt Nestlé, die mit Babynahrungsmitteln gross geworden ist und weltweit die Nummer eins ist in diesem Geschäft, nur noch einen kleinen Anteil der Babyprodukte in der Schweiz (Konolfingen BE) her. Doch inzwischen ist mit der Partnerschaft von Hochdorf Nutritec und Hero (mit Galactina, Adapta und Céralino von Wander AG) ein neuer, grosser Player in der Schweizer Babynahrungsmittelindustrie entstanden. «Wir sind die einzigen richtigen Schweizer Babyfood-Produzenten», sagt Hero-Chef Thomas Amstutz.

*Export nahe Kambly & Co.*

Die Hochdorf-Gruppe, welche rund 10% der Schweizer Verkehrsmilchmenge verarbeitet, stellt den grössten Teil der jährlich rund 14000 t Babyfood-Exporte her. Gemessen am Exportvolumen steht die Branche den Zuckerwarenproduzenten wie Ricola und Dauerbackwarenfabrikanten wie Kambly in nichts nach. Zum Vergleich: 2003 wurden 71000 t Schokolade exportiert und 54844 t Käse, davon 9500 t Schmelzkäse und Fondue.

Die Hochdorf Nutritec AG befindet sich mit Bébé-Produkten, die 3% zum 308-Mio-Fr.-Umsatz beisteuern, gemäss eigenen Angaben in einem wachsenden Markt. Zusammen mit Hero investiert sie deshalb 6,3 Mio Fr. in eine neue Fabrik für eine integrierte Babynahrungsproduktion in Hochdorf. Die Schweizer Traditionskonzerne sprechen von einer optimierten Nutzung für Schweizer Agrarrohstoffe.

Das Lenzburger Unternehmen ist im Babynahrungsbereich auf die Produktion von Gläser- und Becherverpflegung aus Früchten, Gemüse und Fleisch mit Bioqualität sowie Cerealien spezialisiert. Hero erzielt damit seit der Übernahme der drei Babyfood-Marken von Wander Anfang Jahr 300 Mio Fr. oder 12% seines Umsatzes. Der im Mehrheitsbesitz der deutschen Schwartau-Gruppe befindliche Konzern produziert auch in Spanien, wo er mit Babynahrung höhere Umsätze erzielt als Nestlé. Hero hatte den Babyfood-Bereich zu einem wichtigen Wachstumspfeiler erklärt und befindet sich seither auf Einkaufstour: Im April übernahm sie in der Tschechischen Republik und in der Slowakei die Sunar-Markenfamilie für Babynahrung vom US-Konzern Heinz. Ende Juni kam Ülker?s, der Marktleader von Babybiscuits in der Türkei, hinzu. Die europäischen Tochterfirmen produzieren für regionale Märkte.

*Schweizer Pioniere*

Der anteilmässig wichtigste Babyfood-Exporthit der Schweizer ist die Trockenmilchmarke Humana von Hochdorf Nutritec. Laut Beat Hodler, Geschäftsführer der Vereinigung Schweizerischer Hersteller von Diät- und Kraftnahrung, gehen nur rund 10% der Babyfood-Exporte in die EU. Zu den grössten Abnehmern ausserhalb der EU gehörten Russland, Algerien, die Emirate, Thailand, Malaysia und Singapur, wobei der Verkauf in den Schwellenländern mehrheitlich über Regierungs- und Entwicklungsprogramme laufe.

Doch wieso verfüttern Mütter in Übersee ihren Kindern Produkte aus der Schweiz, die nicht gerade als günstige Milchproduzentin gilt? «In diesem Geschäft geht Qualität vor Preis», erklärt Hodler. Die Kunden hätten Vertrauen in das langjährige Schweizer Know-how. Zudem habe die Schweiz einen Standortvorteil bei der Forschung und Veredlung von Nahrungsmitteln. «Nutritec war die erste Firma, der es 1954 gelang, eine adaptierte Säuglingsmilch auf den Markt zu bringen», erklärt Hans Peter Ineichen, Sprecher von Hochdorf Nutritec. Sie basiert auf einer Angleichung der Kuhmilch auf die menschliche Muttermilch.

Nicht zuletzt profitieren auch die Schweizer Babyfood-Produzenten, wie auch die Schokoladen- und Käsehersteller, von Exportverbilligungen (Schoggigesetz), die sich letztes Jahr auf insgesamt 115 Mio Fr. beliefen. Das Gesetz soll die hohen Schweizer Rohstoffpreise ausgleichen, führt aber zu den Subventionen, die bei der laufenden Liberalisierungsrunde der Welthandelsorganisation (WTO) aufgehoben werden sollen. «Das wird aber nicht vor 2008/09 aktuell, und danach besteht zudem eine Übergangsfrist von sechs Jahren», führt Hodler aus.

*Geburtenrückgang getrotzt*

Während im Ausland in erster Linie Trockenmilchprodukte für Säuglinge abgesetzt werden und dort auch weiteres Potenzial liegt, setzen die Produzenten für den Inlandmarkt neue Schwerpunkte. Mit Erfolg: Die Babynahrungsmittelumsätze in der Schweiz sind trotz Geburtenrückgang und Stillboom letztes Jahr erstmals seit 1994 wieder deutlich über 50 Mio Fr. oder 3800 t gestiegen (siehe auch Grafik). Zu verdanken ist dies der steigenden Nachfrage nach Gläser- und Becherverpflegung sowie Snacks. Noch steuern die Milchprodukte die Hälfte zu den Verkäufen bei. Doch die abgefüllte Fertignahrung (25%) und Snacks (6%) legten derzeit am deutlichsten zu, so Amstutz. «Das Potenzial ist noch nicht ausgereizt.» Das sei auch der Grund für die Investition zusammen mit Hero. «Mit dem neuen

integrierten Fabrikationskonzept, mit dem zehn neue Arbeitsplätze geschaffen werden, verstärken Hero und Nutritec ihre Wettbewerbsfähigkeit, auch für den Exportmarkt Europa.»

Im stagnierenden Heimmarkt, wo bisher viele Mütter die Gemüse- und andere Mixe selber zubereitet hätten, gehe der Trend in Richtung Kauf des Fertigprodukts. Gerade weil nur das Beste gut genug ist für die Kleinen, sei die Produktion in Hochdorf auch für die Biogemüseproduzenten interessant, so Hodler. Allerdings liegt die Zukunft auch für Bioprodukte längerfristig im Auslandgeschäft. Das Schweiz Geschäft gilt es zu verteidigen. Denn der Heimmarkt wird zu 60% von Importprodukten wie von Nestlé, Milupa (Tochter der holländischen Nutricia-Gruppe) und der deutschen Hipp beherrscht. Hodler hofft deshalb auf weitere Exporterleichterungen - nicht im Sinne einer Marktabschottung. Im Gegenteil: Die Schweiz forderte innerhalb der Bilateralen I (Weiterentwicklung der Agrarabkommen) eine vollständige Liberalisierung der homogenisierten Kindernahrungsmittel. «Wir hoffen, dass die EU Mitte Jahr auf uns zukommt», so Hodler. Bisher habe ein gemischter Ausschuss zweimal getagt. Das Ende der Zölle bringe zwar kleine Einbussen für den Heimmarkt wegen erleichterten Importen, dafür würden dadurch aber die Exportchancen für Biobabyprodukte gesteigert.

Dies zeigt, die Zukunft dieser Branche der Schweizer Lebensmittelindustrie hängt wesentlich von der schweizerischen Handelspolitik ab. Doch die Situation hat angesichts der laufenden Doha-Runde der WTO etwas Schizophrenes: Während etwa die Gemüseproduzenten Sturm gegen die Aufhebung schützender Importzölle laufen, investieren ihre Abnehmer, die Industrien, in Fabriken, um ihre neusten «Produktebabys» im Ausland besser verkaufen zu können.

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