349 Millionen Franken – so hoch beziffert die UBS den Schaden, der ihr nach eigenen Angaben durch Fehler der Nasdaq beim IPO von Facebook entstanden ist. Die Schweizer Grossbank wirft der US-Technologiebörse grobes Missmanagement und Pflichtverletzung vor – und hat «angemessenen rechtliche Schritte» angekündigt.

Sollte die UBS tatsächlich vor ein US-Gericht ziehen, könnte sie mit ihren Forderungen aber womöglich auf amerikanischen Granit beissen. Denn es ist fraglich, ob die Nasdaq überhaupt für höhere Schadensersatzforderungen herangezogen werden kann.

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Der Knackpunkt: Die Nasdaq nimmt eine Doppelrolle ein. Auf der einen Seite ist sie ein Unternehmen und als solches selber börsenkotiert. Auf der anderen Seite ist sie – unter der Oberaufsicht der US-Börsenaufsicht SEC – eine selbstregulierende Organisation (SOR). Als solche geniesst sie Immunität gegen höhere Schadensersatzforderungen. Die Frage ist also, in welcher Rolle die Nasdaq handelte, als es beim Facebook-Börsengang zu Problemen kam.

UBS beschwert sich über zu viele Aktien

Ein Blick zurück: Am 18. Mai startete Facebook einen der grössten Börsengänge aller Zeiten. Allerdings musste das IPO um fast eine halbe Stunde verschoben werden. Offenbar waren die Nasdaq-Systeme mit den Millionen Kauf- und Verkaufsaufträgen überfordert. Dem Chef der Nasdaq, Robert Greifeld, zufolge lag die Ursache in einer Verzögerung von zwei Millisekunden bei der Berechnung des Preises zur Eröffnung, was dazu führte, dass ungewöhnlich viele Orders wieder storniert wurden. Börsianer beschwerten sich, dass sie auch nach Stunden immer noch nicht wussten, ob ihre Order nun erfolgreich war oder nicht.

Die UBS hatte als Marktmacher Kaufaufträge von Kunden vorliegen. Viele ihrer Händler bestellten aufgrund der Probleme mehrfach, was letztlich dazu führte, dass sie viel mehr Aktien zugeteilt bekamen, als die Kunden kaufen wollten, beschwerte sich die UBS.

«Ursache für den Verlust von UBS ist das mehrfache Versagen von Nasdaq, ihren Verpflichtungen nachzukommen - sei es, indem der Handel mit Facebook-Aktien überhaupt eröffnet oder später während des Tages darauf verzichtet wurde, den Handel auszusetzen», so die Bank. Mittlerweile hat die Aktie rund ein Drittel an Wert verloren.

«Uphill battle» für die Schweizer Grossbank

Sollte ein Gericht zu dem Schluss kommen, dass die Nasdaq als selbstregulierende Organisation gehandelt hat, stehen die Chancen schlecht für die UBS und andere geschädigte Investoren. Um einen Prozess gegen eine solche Organisation zu gewinnen, «muss man zeigen, dass sie in böser Absicht gehandelt hat», zitiert «Bloomberg» den rennomierten US-Rechtsprofessor Thomas Hazen. «Das ist ein Prozess, der nur sehr, sehr schwer zu gewinnen ist.»

Wenn die Nasdaq etwa den Entscheid, den Handel nach dem Start nicht mehr zu unterbrechen, als bestes Mittel gewählt habe, um für die Öffentlichkeit einen fairen und ordnungsgemässen Handel sicherzustellen, könne sie sich darauf berufen, als SRO gehandelt zu haben, schreibt der ehemalige Chef der American Stock Exchange, Neal L. Wolkoff, in seinem Blog.

Das festzustellen ist aber alles andere als leicht. «Es könnte schwierig werden, zu entwirren, ob die Nasdaq in ihrer Regulatoren-Funktion handelte», sagt Hazen auf Nachfrage von «Handelszeitung Online». Markus Müller-Chen, Professor für Internationales Privat- und Handelsrecht sowie Rechtsvergleichung an der Uni St. Gallen, spricht von einem «uphill battle» für die UBS, sollte es zu einem Prozess kommen.

Nasdaq: Obergrenze bei 3 Millionen Dollar

Die Nasdaq beruft sich darauf, dass sie laut ihrem Reglement bei technischen Störungen zu einem Schadensersatz von höchsten 3 Millionen Dollar pro Monat verpflichtet ist. Diese Grenze verhindere, dass «ein einziger katastrophaler Vorfall eine oder mehrere Börsen in den Bankrott treibe, mit den entsprechenden Konsequenzen für das Investorenvertrauen und die makroökonmoische Stabilität», zitiert das «Wall Street Journal» aus Nasdaq-Dokumenten.

«Allerdings ist zweifelhaft, ob diese Grenze überleben würde, sollte sich herausstellen, dass die Nasdaq nicht als SRO handelte», sagte Wolkoff «Handelszeitung Online». Habe sie jedoch als SRO gehandelt, seien diese 3 Millionen Dollar die Obergrenze.

Es gibt allerdings einen weiteren wichtigen Faktor: Der Vertrag zwischen der Nasdaq und der UBS als Marktmacher könnte andere Abmachungen zu möglichen Obergrenzen enthalten. Auf Anfrage von «Handelszeitung Online» wollte sich die Grossbank zu dem Vertrag nicht äussern und verwies lediglich auf ihr allgemeines Statement zum Fall. Die Nasdaq antwortete zunächst nicht auf eine entsprechende Anfrage.

Will die UBS diesen Prozess wirklich?

Steht in diesem Vertrag nichts, was die Ausgangslage sehr zugunst der UBS ändert, ist fraglich, ob sie wirklich gegen die Nasdaq vor Gericht ziehen will. Ihre aktuelle Drohung könnte lediglich ein Mittel sein, um den Druck auf die US-Technologiebörse erhöhen.

Der Nasdaq dürfte derweil daran gelegen sein, mehr zu zahlen als die genannten 3 Millionen Dollar und vielleicht auch mehr als die bisher gebotenen insgesamt 62 Millionen, um ihre Reputation zu retten. Somit läuft scheinbar alles auf eine aussergerichtliche Einigung hinaus.