Nespresso steht zunehmend unter Druck: Konkurrenten bringen günstigere Kapseln auf den Markt, die mit Nespresso-Maschinen kompatibel sind, gewisse bieten eigene Kapselformate mit den entsprechenden Maschinen an. Wuchs die Nestlé-Tochter in der vergangenen Dekade um rund 30 Prozent jährlich, soll das Wachstum 2015 auf sieben Prozent geschrumpft sein, wie die Bank Vontobel in einer neuen Analyse schätzt. Demnach lag der Umsatz bei 4,4 Milliarden Franken. Nestlé selbst kommuniziert seit 2012 keine Verkaufszahlen. Einst eine von Nestlés profitabelsten Marken, dürfte Nespresso heute als Sorgenkind oben auf der Liste des neuen CEOs Ulf Mark Schneider stehen.

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Dabei hat Nestlé die Konkurrenz für sein Kapselsystem Nespresso im eigenen Haus entwickelt: 2006 kam Nescafe Dolce Gusto auf den Markt. Die günstigere Variante bietet ebenfalls Maschinen und Kapseln an. Die Marke setzt dabei mit Cappuccino-, Kaffee-Latte- oder Mocha-Kapseln auf eine grössere Bandbreite von Kaffeegetränken. Nespresso im Gegensatz fokussiert sich auf stärkeren schwarzen Kaffee und Espressos.

Nespressos Marktanteil fällt, Dolce Gustos steigt

Bereits 2014 sagte Nestlé-Europachef Laurent Freixe: «Dolce Gusto wächst in Europa stark zweistellig und im Schnitt stärker als Nespresso und der lösliche Nescafé.» In einigen Ländern sei der Umsatz von Dolce Gusto grösser als von Nespresso und Nescafé, vor allem in Zentral- und Osteuropa.

Heute ist das Bild ähnlich: Nespressos Marktanteil soll in Westeuropa zwischen 2010 und 2015 von 32 Prozent auf 25 Prozent gefallen sein. Bei Dolce Gusto steht im gleichen Zeitraum offenbar ein Plus von 8,1 Prozent auf 12 Prozent. Die Erlöse beim Nespresso-Konkurrenten sollen mittlerweile über 1 Milliarde Franken betragen. Weltweit soll Nespressos Marktanteil von 30 auf 18 Prozent gesunken sein, während für Dolce Gusto ein Zuwachs von 7 auf 7,7 Prozent zu Buche steht.

Breitere Zielgruppe als Nespresso

Dolce Gusto besticht vor allem auch beim Preis: Während Nespresso-Kapseln im Schnitt zwischen 52 und 57 Rappen kosten, gibt es den Dolce-Gusto-Espresso bereits für 39 Rappen pro Kapsel. Dabei spart der Brand bei der Qualität: Werden für Nespresso nur die besten zwei Prozent der Kaffeebohnen verwendet, nutzt Dolce Gusto auch Bohnen geringerer Qualität. Für einige Milchgetränke wie Café au Lait oder Cortado verwendet die Marke gar Instant-Kaffee.

Das scheint die Kunden kaum zu stören: Dolce Gusto schafft es, neue Wachstumsmärkte zu erobern, weil die Marke vor allem auch bei Millenials beliebt ist. «Mit Dolce Gusto hat Nestlé seine führende Rolle im Kaffeemarkt zementiert und kann jede Geschmacksrichtung, jedes Budget und jede Altersgruppe erreichen», sagte Patrik Schwendimann, Analyst bei der Zürcher Kantonalbank (ZKB) zur Nachrichtenagentur Bloomberg.

Kannibalisierung der eigenen Marke?

So beliebt Dolce Gusto zu sein scheint, bleibt die Frage, ob der Mutterkonzern Nestlé sich nicht selber schadet, wenn es seine günstigere Marke weiter Anteile am Kaffeemarkt erobern lässt. Nicht unbedingt, sagt Robert Waldschmidt, Analyst bei Liberum Capital in London. Ihm zufolge macht Nestlés Doppelangriff Sinn: Die Marken hätten beide Profitmargen von etwa 25 Prozent und seien die grössten Player im globalen Kaffeekapsel-Markt.

Dieser Markt soll bis 2020 um 45 Prozent wachsen. Wenn Nestlé also beide Brands an der Spitze halten kann, werde das Unternehmen gewinnen, so Waldschmidt. Und: «Der Staffelstab wird weitergegeben. Nespresso war Spitzenläufer – jetzt holt Dolce Gusto auf und übernimmt den Stab.»

Dem stimmt Jonny Forsyth, Analyst bei der Mintel Group zu: Dolce Gusto werde Konsumenten, denen Nespresso zu teuer ist, überzeugen, dennoch Nestlé-Kaffee zu trinken. Die beliebte Marke bringe mehr Menschen in den Kaffeemarkt. Bestehende Kunden, die bereits eine Maschine besässen, würden kaum die Marke wechseln, so Forsyth. Und Dolce Gusto sei für jene Konsumenten interessant, die ab und zu eine Tasse trinken wollen und etwas preissensibler sind.

Mit George Clooney den US-Markt erobern

Aufholbedarf besteht für Nespresso vor allem in den USA: Die amerikanischen Konsumenten trinken bislang vor allem dünneren, langen Kaffee und wenig Espresso. Im Kapselmarkt dominieren Starbucks und Keurig's Green Mountain. Um zur Konkurrenz aufzuschliessen, hat Nespresso eine neue Maschine lanciert: Die Vertuoline braut grössere Tassen Kaffee, als die gängigen Nespresso-Maschinen. Weiter setzt die Marke auf Altbewährtes: Eine neue Werbekampagne zeigt George Clooney, der in Europa bereits seit über einem Jahrzehnt das Aushängeschild von Nespresso ist.

«Die USA sind der einzige Markt weltweit, in dem Nespresso nicht von Anfang an die treibende Kraft war», sagt Nespresso-CEO Jean-Marc Duvoisin. Es gebe jedoch auch hier genug Raum für beide Nestlé-Marken - also Nespresso und Dolce Gusto.

Redaktorin Caroline Freigang
Caroline Freigangschreibt seit 2019 für den Beobachter – am liebsten über Nachhaltigkeit, Greenwashing und Konsumthemen.Mehr erfahren