Nestlés Wasserabteilung ist noch jung, eine der jüngsten des Konzerns. Aber wohl die viel versprechendste. 11% steuert sie zum Gesamtumsatz bereits bei. Und wächst mit einem Plus von 11% rasant weiter - im Gegensatz zum Konzern, der nach neun Monaten wegen negativer Wechselkurseinflüsse einen Umsatzrückgang um 2,3% auf 65 Mrd Fr. ausweist. In konstanten Währungsrelationen gerechnet hätte Nestlé ein Wachstum von 6,8% ausweisen können.

Nun liesse sich argumentieren, dass der heisse Sommer dazu beigetragen hat, dass mehr Wasser getrunken wurde. Gemäss Andrea Granelli, CEO von Nestlé Waters Schweiz, haben Hitzewellen tatsächlich einen grossen Einfluss auf den Konsum von in Flaschen abgefüllten Wässern. Mit einem Zuwachs von 13% bis und mit September hat Nestlé in der Schweiz 2003 überdurchschnittlich zugelegt.

Nestlé profitiert nicht nur von Hitzewellen, sondern vom globalen Trend Richtung Wasser. «Weniger Zucker, weniger Kalorien»: So umschreibt Wasserchef Frits von Dijck das Trinkverhalten. Dies schlägt sich in der Marktentwicklung entsprechend nieder. Allein in der Schweiz hat sich der Konsum von Mineralwasser in Flaschen innerhalb von 50 Jahren von unter 10 Liter auf über 100 Liter pro Kopf angestiegen.

*10 Prozent mehr*

Der Weltmarkt wächst seit Längerem um 8% pro Jahr. Nestlé in jüngster Zeit etwas mehr. Van Dijk, dessen Wasserbereich letztes Jahr einen Umsatz von 7,7 Mrd Fr. auswies, beziffert die Wachstumsrate für 2002 mit 9%. In den ersten neun Monaten 2003 betrug der Zuwachs weltweit 10%.

Nestlé profitiert heute davon, dass der Konzern die Bedeutung des Wassers frühzeitig erkannt hat. Seit der Übernahme der Perriergruppe 1992 führen die Schweizer die Weltspitze an. Noch früher hatte sich der Konzern an Vittel beteiligt. Heute hat der Konzern 77 verschiedene Wasser im Angebot, darunter Weltmarken wie Perrier, Vittel, San Pellegrino und Contrex. Die Bedeutung des Wassers für Nestlé unterstreicht der Umstand, dass die Sparte, die früher unter der Produktegruppe Getränke geführt wurd, jetzt als eigene Sparte ausgewiesen wird und Van Dijk, als einziger Produkteverantwortlicher, seit Anfang Jahr in der Konzernleitung sitzt.

Weltweit werden derzeit mit in Flaschen abgefülltem Wasser 57 Mrd Fr. oder 130 Mrd Liter umgesetzt. Mit einem Marktanteil von 17% haben die Schweizer die Nase klar vorn (siehe Grafik). Wasserexperten gehen davon aus, dass sich der Konsum bis 2010 mehr als verdoppelt.

*Neue Wässer als Umsatzträger*

Nestlé hat sich auf diese Ausweitung der Nachfrage eingerichtet: Mit der Kreation von Nestlé Pure Life und Nestlé Aquarel sind in den letzten fünf Jahren zwei Markenwasser geschaffen worden, die beide aus natürlichen Quellen gespeist, aber an unterschiedlichen Standorten vermarktet werden: Aquarel ist leicht mineralisiert und stammt aus sechs Quellen in Europa. Pure Life wird in Drittwelt-Ländern verkauft, vorwiegend in jenen, welche sich, wie etwa Pakistan, noch auf einer Durchgangsphase zu einer weitgehenden Industrialisierung befinden. Das Wasser wird lokalen Quellen entnommen, keimfrei gemacht und ebenfalls mineralisiert. Heute tragen die beiden Wässer 5% zum Umsatz bei. 2005 sollen es bereits 15 bis 20% sein. «In den USA sind wir Nummer eins, in Frankreich ebenfalls, das gilt auch für wichtige Länder in Asien, Afrika, dem Mittleren Orient und Lateinamerika», umreisst Granelli Nestlés heutige Position.

Wasser ist weltweit rar. Gemäss Uno hat heute die Hälfte der Weltbevölkerung keine Möglichkeit, sauberes Wasser zu bekommen. 30 Mio Menschen leiden pro Jahr an verunreinigtem oder zu wenig Wasser. Die Zunahme der Weltbevölkerung wird die Situation verschärfen. Und Nestlés Zahlen wohl weiter in die Höhe treiben. Grosses Potenzial orten die Viviser inzwischen bei den Wasserspendern für Büros und Spitälern. Anfang Jahr hat Nestlé von Hutchinson Whampoa die Wasserspenderdivision Powwow Group übernommen und ihre Position damit deutlich verstärkt. In 20 Ländern sind die Wasserspender der Schweiz jetzt zu bekommen. Vor drei Jahren waren es mit den USA und Vietnam gerade mal zwei. Die Wachstumsraten dürften in diesem Bereich mit 15 bis 20% deutlich über jenen der Mineralwässer liegen.

Einen Strich durch Nestlés Wasserechnung machen könnten einzig Leute wie die kanadische Wasserspezialistin und Umweltschützerin Maud Barlow. Sie findet die kommerzielle Nutzung von Wasserquellen zwar nicht anstössig. Sie fordert aber, dass das Anzapfen von Quellen weltweit unter die Lupe genommen und die Zahlungen für die Entnahme von Wasser erhöht werden.

Partner-Inhalte