Werkstattgespräche Was als Netzwerkveranstaltung für Frauen begann, hat sich zu einer beruflichen Austauschplattform für Frauen und Männer entwickelt. Das Ziel: firmenübergreifende Verbindungen zu schaffen, die bei Problemlösungen mithelfen.

Ein höchst heterogenes Grüppchen findet sich an einem Freitag Nachmittag in einem Berner Gemeinschaftszentrum ein. Das Alter der sieben Männer und drei Frauen liegt zwischen 30 und 60, einige sind Führungskräfte der Bundesverwaltung, andere selbstständig und wieder andere stehen kurz vor einer Neuorientierung im Arbeitsleben. Anlass ist ein «Werkstattgespräch»: Ein halbtägiges Treffen, um in der Gruppe über ein bestimmtes Thema aus dem Arbeitsleben nachzudenken, mit dem beabsichtigten Nebeneffekt des gegenseitigen Kennenlernens. Der Einstieg ist rasch und unkompliziert. Man sucht sich einen Platz in der Runde und wird daran erinnert, dass man zur Vorbereitung eine Hausaufgabe bekommen hatte.

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Auch SBB und Postprofitieren

Initiantin und Leiterin Kathrin Peter ist von der Effizienz der «Werkstattgespräche» überzeugt. Bisher sind die Treffen vor allem für den Aufbau von Frauen-Netzwerken eingesetzt worden, denn die Idee entstand ursprünglich aus einem Frauen-Wunsch: «Wir waren eine Gruppe von Umwelt-Fachfrauen und wünschten uns so etwas wie Unterstützung von erfahreneren Frauen, doch: Wie kommt man an diese heran?», erinnert sich Kathrin Peter. Die heute als Evaluatorin tätige gelernte Biologin entwickelte mit einem Team von weiteren Frauen das Konzept der «Werkstattgespräche», das sie mittlerweile an einige Unternehmen wie etwa die SBB oder die Post weitergegeben hat. Ein Merkmal der Veranstaltung ist nämlich, dass die Methode selbsttragend wird.

Der Nachmittag beginnt mit einer ausgedehnten Vorstellungsrunde. Mit grosser Offenheit erzählen die Teilnehmer aus ihrem Arbeitsleben und präsentieren die Überlegungen zur Hausaufgabe. Das Berner Grüppchen sollte sich auf ein Erfolgserlebnis und je auf dessen drei widrigste und positivste Faktoren besinnen. Während der erste Teilnehmer mutig vor die Gruppe steht, macht sich der eine oder die andere freilich erstmals Gedanken, da er oder sie im Vorfeld keine Vorbereitungszeit fand. Dennoch überrascht die Vorstellungsrunde in mancher Hinsicht. Einerseits sind die Erfahrungshorizonte äusserst verschieden, reichen vom jahrzehntelangen Einsatz bis zur einjährigen Berufsausübung. Anderseits erstaunt es, in welchem Masse die Probleme stets dieselben sind: Schwierigkeiten im Umgang mit den gegebenen Faktoren, finanzieller Druck oder Probleme mit dem Zeitmanagement, und immer wieder, meist als positiver Faktor, das Funktionieren eines Netzwerkes.

Bei den SBB etwa wird genau dieser Faktor am meisten geschätzt. Die Beauftragte für Chancengleichheit für Frau und Mann, Ruth Stucki, beschreibt den «Aha-Effekt», den die «Werkstattgespräche» immer wieder hervorrufen: «Die Teilnehmerinnen lernen die Tätigkeiten der anderen Frauen kennen und können danach im Arbeitsleben aufeinander Bezug nehmen.» Gerade bei den SBB, die mit einem kleinen Frauenanteil von fast 12% und den verschiedenen Standorten strukturelle Schwierigkeiten für die Bildung von Netzwerken aufweisen, haben sich die «Werkstattgespräche» bewährt. Seit letztem Jahr seien in der ganzen Schweiz acht Anlässe durchgeführt worden, wie Ruth Stucki erklärt. Alle seien auf reges Interesse bei den Teilnehmerinnen gestossen. Nicht zuletzt auch deshalb, weil Frauen in einem von Männern geprägten Umfeld immer wieder mehr beweisen müssten.

Auf die Vorstellungsrunde folgt im Berner Gemeinschaftszentrum eine aus Zeitgründen knapp gehaltene Diskussionsrunde. Zuerst in Dreiergruppen, dann wieder im Plenum kann jede und jeder laut nachdenken. Die Atmosphäre ist diejenige einer geschützten Werkstatt: Von Anfang an ist klar, dass nichts Persönliches aus dem Raum hinausgetragen werden darf. Das baut Hemmungen ab, doch dann droht die Zeit davonzulaufen. Ineinem «Werkstattgespräch» hängt vieles davon ab, ob die Gesprächsleitung die Zeit kontrollieren kann.

Gute Moderation nötig

Janine Misteli, Stellvertretende Delegierte für Chancengleichheit bei der Post, bestätigt: «Es braucht eine strenge und gut vorbereitete Moderation, damit die Gespräche zu einem konkreten Resultat führen können.» Trotzdem überwiegen für Janine Misteli, die innerhalb ihres Unternehmens selbst «Werkstattgespräche» leitet, die positiven Erfahrungen: «Wir haben auf Grund eines «Werkstattgesprächs» die Organisation unserer Abteilung geändert und sind heute zufriedener.» Sowohl die Post als auch die SBB führen «Werkstattgespräche» noch immer in ihrer ursprünglichen Form, also speziell für Frauen, durch. Die Rückmeldungen bestätigen, wie Ruth Stucki von den SBB feststellt, dass die Treffen einen Mehrwert erzeugen: «Im Vorfeld müssen nicht unbedingt Probleme vorhanden sein, aber danach verfügt man über zusätzliche Kontaktmöglichkeiten.»

Allerdings führen beide Unternehmen mittlerweile auch «Werkstattgespräche» für gemischte Gruppen durch. Wie das Treffen in Bern bestätigt, funktioniert das Netzwerken bei Frau und Mann. Nach dem inspirierenden Nachmittag kreisen die Gespräche beim Apéro um die persönlichen Eindrücke, man tauscht Telefonnummern aus und verabschiedet sich freundschaftlich.

Nach rund vier Stunden haben die Teilnehmerinnen und Teilnehmer nicht nur ein neues Bündel an Kontakten, sondern auch Einsicht in das Arbeitsleben der anderen erhalten. Für Kathrin Peter ist damit das Ziel erreicht. Besonders erfreulich sei dies aber vor allem bei reinen Frauen-Gruppen, denn im Vergleich zu Männern wagen Frauen weniger, sich Hilfe zu holen. «Wenn sie nach einem Werkstattgespräch herausfinden, dass sie füreinander da sind, ist es umso schöner», meint Kathrin Peter zufrieden.

Eine gute Gelegenheit für Wirtschaftsfrauen, um Kontakte zu knüpfen, bietet im November das «Women's Vision 3. International BusinessForum», am 5./6.11. im Ausbildungszentrum UBS, Basel. Kontakt: Wirtschaftsfrauen Schweiz, Bahnhofstrasse, 19, 4450 Sissach. Tel. 0976 2050, Fax 0976 2020, E-Mail: contact@womensvision.ch

Themen und Ziele

So läufts ab

Jedes «Werkstattgespräch» steht unter einem bestimmten Thema wie etwa «Auswege sind Ressourcen oder Das Potenzial der Knappheit» oder «Der Reiz der Arbeit: Herausforderung zur Überforderung». Die komplexe Themengebung kann in einem halben Tag nur annähernd erörtert werden. Vielmehr dient sie als Diskussionsgrundlage. Ziel ist hingegen, dass sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer nachhaltig kennenlernen und später aufeinander zurückgreifen können. Die hergestellten Kontakte sollen in der täglichen Arbeit neue Möglichkeiten eröffnen. Firmenintern und zwischen verschiedenen Betrieben können berufliche Verbindungen entstehen, die etwa beim Erarbeiten von Lösungen hilfreich sind. Voraussetzung ist demnach auch die Bereitschaft, als Kontakt zur Verfügung zu stehen, und die Offenheit, eigene Arbeitserfahrungen zu teilen.