Innovative Versicherungs-Geschäftsmodelle sind rar. Es gibt zwar Autoversicherungen in den USA, die andere Wege gehen. Es gibt Broker-Vergleichsplattformen, die in Europa
aufgrund ihrer Geschäftsmodelle ins Gerede gekommen sind. Und es gibt einige wenige echte Neugründungen wie der Rechtsschutzversicherer Dextra oder der Versicherungsbroker Anivo. Gerade bei Versicherungsbrokern, einem auf den ersten Blick angreifbaren Geschäftsmodell, weil viele Disruptionen die «Middle Men»-Zwischenstationen ausschalten möchten, besteht noch einiger Raum für Innovationen, wenn das Modell modern konzipiert wird und den Kunden echten Mehrwert vermittelt.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

«Wir haben eine mandantenfähige Versicherungsplattform, die über Schnittstellen mit verschiedenen Versicherungen und Krankenkassen verbunden ist, um unseren Kunden in real-time Preise und Offerten zur Verfügung zu stellen», fasst Anivo-Mitgründer Alexander Bojer den Mehrwert seines Modell zusammen. «Unsere Beratung erfolgt ausschliesslich über Telefon, E-Mail, Videochat und Chat – dadurch haben wir sehr schnelle Antwortzeiten und legen höchsten Wert auf eine ausgezeichnete Qualität, wo unserer Meinung nach aktuell noch sehr viel Luft nach oben ist am Schweizer Markt.»

Neben der Qualität im B2C-Bereich betreut Bojer mit seiner Firma im B2B2C-Bereich aktuell über 68 000 Mitarbeitende von Grossfirmen und Mitglieder von Verbänden im Kollektivgeschäft. Das sei per se nicht neu, räumt Bojer ein, «die grossen Broker wie Kessler, Funk, Qualibroker etc. betreuen auch schon Kollektivgeschäft.» Jedoch würden die Mitbewerber weder über die Technologie noch über einen Retaildesk zur individuellen Beratung der Endkunden verfügen.

 

Leistung im Fokus, nicht Provision

Gerade die B2C-Auswahl der «passenden» Policen und Angebote ist in den vergangenen Monaten ins Gerede gekommen: Es gibt Broker, bei denen spielen (versteckte) Zahlungen von Versicherungen an die Plattformen, um möglichst weit oben in das Ranking zu gelangen, die grössere Rolle als die Bedürfnisse der Kunden. Bei Anivo ist das laut Bojer anders: «Für unser Ranking der Leistungen der Anbieter haben wir sämtliche AVBs der einzelnen Produkte im Detail aufgearbeitet und vergleichbar gemacht.» Neben dem Preis sei das die Grundlage für die Empfehlungen. «Wir analysieren jährlich die Angebote der Versicherer und wenn wir neue, spannende Angebote am Markt sehen, treten wir mit den Versicherungen in Kontakt und bieten eine Partnerschaft an.»

In diesem Jahr hatte Anivo beispielsweise Dextra in den Rechtsschutzvergleich aufgenommen und eine entsprechende Kampagne bei den Kollektivpartnern vorgenommen. Die Provisionen der Versicherungen spielen bei der Auswahl und Darstellung der Ergebnisse keine Rolle. «Unsere Mitarbeitenden im Kundenservice haben keine Einsicht in Provisionen und sind auch nicht an Provisionen beteiligt», sagt Bojer dazu. Dies stelle sicher, dass dem Kunden das individuell am besten passende Produkt empfohlen wird, nicht jenes mit den höchsten Provisionen.

Wie fast alle Broker lebt indes auch Anivo von Provisionen – rein werbefinanzierte Anbieter sind bisher die Ausnahme, die ihre langfristige Überlebensfähigkeit noch nicht bewiesen haben. «Unser Modell hat sowohl Abschluss- wie auch Bestandsprovisionen», verrät Alexander Bojer. «Damit ist sichergestellt, dass wir durch innovative Marketingkonzepte eine hohe Durchdringung bei den Unternehmen schaffen, ohne jährliche Wechsel zu forcieren.» Wenn die Kunden den Empfehlungen folgen würden, schaffe man dadurch zufriedene Kunden mit hoher Loyalität.

 

Näher am Kunden

Eine Ausweitung der Tätigkeit über das Brokerage hinaus strebt Anivo nicht an. Aktuell fokussiert man sich auf den Vertrieb und das Bestandsmanagement sowie die Produktinnovationen. «Wir sind intensiv am Nachdenken, wie und wo wir zum Beispiel Änderungen in den Lebensumständen zeitnahe mitbekommen (beispielsweise Geburten), um darauf aktiv reagieren zu können», so Bojer. Darüber hinaus seien weitere Produkte in Vorbereitung, über die man noch nicht sprechen mag, da man sehr strenge Geheimhaltungsvereinbarungen mit den Partnern hat. «Nur so viel: es geht um Versicherungsprodukte, welche als top-up für andere Produkte des Primärinteresses des Kunden angeboten werden», verrät Bojer.

Als Broker «hängt» auch eine Firma wie Anivo an den Innovations-Pipelines der grossen Versicherungen, mit denen man zusammenarbeitet. «Wir sind laufend daran, gemeinsam mit Versicherungen und Krankenkassen Innovationen zu lancieren – viele Prototypen sind jedoch noch nicht öffentlich», erklärt Bojer. «Was ich aber sagen kann, ist, dass wir in den nächsten Wochen den ersten echten «end-to-end»-Online-Abschluss für das KVG und VVG in der Schweiz in Zusammenarbeit mit Atupri auf unseren Plattformen lancieren werden» (siehe dazu auch «Schweizer Versicherung» Ausgabe 10, Seite 9). Wenn der Pilot in diesem Herbst erfolgreich ist, will man diesen Service auch den anderen Krankenkassenpartnern zur Verfügung stellen.

Dankbare Partner für innovative Modelle im Erstversicherungsbereich und im Brokerage sind die grossen, aber etwas träge gewordenen Versicherungen, die auf der Suche nach neuen Geschäftsmodellen und Einnahmequellen sind. Anivo spricht laut Bojer auch mit diesen: «Wir sind aktuell in einem Pilotversuch mit einem Erstversicherer, komplett neue Produkte über neue Vertriebsprozesse zu lancieren.» Dank der eigenen Technologie könne Anivo neue Produkte in wenigen Wochen von Grund auf neu designen und abbilden, inklusive den Produktbausteinen, der Auswahllogik, dem Underwriting sowie dem Pricing. Die Kombination der Technologie mit den Vertriebsservices und dem Versicherungsbetrieb sei einzigartig in der Schweiz und in der Tat auch für Rückversicherer sehr spannend. «Ich bin überzeugt, wir werden hier in nicht allzu ferner Zukunft einige innovative Ansätze beispielsweise im Rahmen von MGAs mit Rückversicherern oder Spezialitätenversicherern auch in der Schweiz sehen.»

 

Innovationen auf dem Prüfstand

Auch intern wird das Geschäft automatisiert. Anivo hat gegenwärtig 15 Mitarbeitende an den drei Standorten Baar (ZG), Zürich und im österreichischen Dornbirn. «Aktuell liegt unser Fokus auf einem skalierbaren, mandantenfähigen Vertrieb inklusive vollständig digitalem Online-Abschluss und auf der Produktinnovation», so Alexander Bojer. Anivo hat Tools entwickelt, mit denen sich die Kundendaten analysieren lassen und mit denen die Skalierbarkeit im Kundenservice möglich ist. Die Analyse der Kundendaten ermöglicht es, «Next best Actions»-Vorschläge zu entwickeln, welche die einzelnen Versicherungsfachleute ihren Kunden unterbreiten können. «Ausserdem sind wir technologisch ziemlich fortgeschritten, was die «Customer Journey»-Optimierung und Lead-Automatisierung betrifft», sagt Bojer. Das sind alles laufende Tätigkeiten mit engen «Feedback Loops», wo man täglich die Vorgänge analysieren und neue Aktivitäten initiieren kann.

Anivo konnte die Anzahl der Mitarbeitenden, die auf die eigene Versicherungsplattform für das Kollektivgeschäft zugreifen können, seit dem vergangenen Jahr auf rund 68 000 verdoppeln. «Im kommenden Jahr werden wir das weiter ausbauen sowie den Mitarbeitenden neue Produkte/Lines of Business anbieten», verspricht Bojer. «Darüber hinaus führen wir aktuell zwei Piloten/Prototypen durch und sind in fortgeschrittenen Verhandlungen für weitere spannende Themen.» Der Erfolg der Aktivitäten zeigt sich auch nach aussen: Anivo, das keine Geschäftszahlen veröffentlicht, wächst laut eigenen Angaben stark und habe diverse offene Positionen ausgeschrieben.