Wenn Globalisierungskritiker nachts Alpträume haben, dann kommt Milton Friedman ganz sicher darin vor. Kein Wunder, schliesslich verkörpert dieser Mann doch all das, was Attac & Co. auf die Barrikaden bringt: Senkung von Unternehmenssteuern, Abschaffung von Mindestlöhnen und sozialem Wohnungsbau, eine Wirtschaft frei von staatlicher Regulation.

Obwohl schon seit Jahrzehnten emeritiert, provoziert der Wirtschaftsprofessor und Nobelpreisträger noch immer extreme Emotionen. Vor sechs Jahren etwa zu diesem Zeitpunkt war Friedman immerhin schon 86 Jahre alt schleuderte ihm ein Demonstrant in San Francisco sogar vor Wut eine Torte an den Kopf.

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Der grosse Pionier des Liberalismus nahm es gelassen, wischte sich die Füllung vom Gesicht und ging seines Weges. Anfeindungen ist Friedman schliesslich gewohnt. Von seiner Überzeugung bringt ihn nichts ab, schon gar nicht Kokosnusscrème: «Was wir dringend brauchen, ist eine Rückführung des staatlichen Einflusses», so formulierte er sein Glaubensbekenntnis in seinem 1962 erschienenen Bestseller «Capitalism and Freedom». In dem Buch entwirft Friedman seine beste aller Welten: Eine Welt, in der Vater Staat die Landesverteidigung organisiert, Eigentumsrechte garantiert und für stabiles Geld sorgt. Sonst nichts. Die totale ökonomische Freiheit.

«There is no free lunch.» Dieses Friedman-Zitat hören Wirtschaftsstudenten noch heute im ersten Semester. Die Richtung des Hardliners ist klar: In der Ökonomie gibt es nichts geschenkt, kein kostenloses Mittagessen. Friedman predigt keinen Kuschelkapitalismus, sondern will der bisweilen harten Hand des Marktes freien Lauf lassen zum Vorteil aller.

Bittere Medizin

In Fernsehkrimis gibt es immer den guten und den bösen Cop. In der Wirtschaftstheorie gibt es Keynes und Friedman. Der eine möchte mit staatlicher Intervention seine Bürger vor dem kalten Wind der Konjunktur abschirmen. Der andere predigt puren, ungebremsten Kapitalismus.

Und Friedman weiss, wie bitter diese Medizin schmecken kann. Der Sohn jüdischer Eltern stammt aus armen Verhältnissen, muss sich zeitlebens durchbeissen. Anfang der 30er Jahre beginnt er seine akademische Karriere, die ihn nach dem Krieg an die University of Chicago führt. Hier setzt sich der Freiheitsfanatiker an die Spitze der «Chicago Boys», einer Gruppe von Wirtschaftswissenschaftlern, die wie er in staatlichem Handeln die Wurzel allen Übels sehen: «Die Problemlösung einer Regierung ist in der Regel so schlimm wie das Problem selbst», lautet einer seiner Lieblingssprüche.

Die harten Jungs wollen der sozial-en Hängematte die Strippen abschneiden, plädieren für fixe, niedrige Steuersätze, auch für Wohlhabende. Doch Friedman ist kein Unmensch: Als einer der ersten Ökonomen seiner Zeit tritt er für eine negative Einkommensteuer ein. Wer weniger als ein bestimmtes Minimum verdiene, solle vom Finanzamt Geld bekommen, fordert er. Für die linken Studenten sind seine Thesen dennoch ein rotes Tuch, sie protestieren, randalieren, stören seine Vorlesungen.

Doch Friedman predigt unbeirrt weiter: «Ich bin für Steuersenkungen, unter allem Umständen, wann immer das möglich ist.» Diese Botschaft verbreitet er auch ausserhalb des Elfenbeinturms, unter anderem mit einer Reihe bissiger Kolumnen im Magazin «Newsweek». 1976 schliesslich die Würdigung: Der Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften krönt die Karriere.

Governator als Fan

An prominenten Bewunderern aus der Politik mangelte es Friedman nie: Margaret Thatcher gehört dazu, genau wie Arnold Schwarzenegger und US-Notenbankchef Alan Greenspan, der die Eheleute Friedman sogar regelmässig zum Abendessen besucht. In der Wirtschaft dagegen finden sich interessanterweise kaum ausgesprochene Fans.

Wahrscheinlich ist Friedman einfach zu konsequent. Denn auch von der Wirtschaft fordert er den Abbau von Schranken, und das wird nicht überall gerne gehört: So erschien Friedmans Doktorarbeit 1945 mit vierjähriger Verzögerung, weil er darin die Zugangsbeschränkungen für niedergelassene Ärzte kritisierte. Eine erzürnte Medizinerlobby hatte die Veröffentlichung blockiert.

Auch sonst macht Friedmans Freiheitsliebe vor fast nichts halt; sogar weiche Drogen will er legalisieren. Seinem Einfluss auf die Politik hat das keinen Abbruch getan. Als Berater von Nixon half er, die Wehrpflicht abzuschaffen; die Reagan-Administration unterstützte er bei der Einführung eines neuen Steuersystems.

Gutscheine für die Schule

Und auch seine Idee von Bildungsgutscheinen erscheint heute aktueller denn je: Warum sollen Eltern, fand Friedman, die ihre Kinder aus guten Gründen auf eine Privatschule schicken, mit ihren Steuern auch noch die ungeliebte öffentliche Schule finanzieren? Gebt den Eltern besser einen Bildungsgutschein über eine gewisse Summe, den sie bei jeder Schule ihrer Wahl einlösen können. Zwischen den Bildungsstätten bräche Wettbewerb aus, die Schulbürokratie wäre überflüssig. Bildung würde endlich kundenorientiert, so seine Empfehlung.

Trotz aller Widerstände auch gegen diesen Plan ist der Dampfhammer des Liberalismus nicht müde geworden. Journalisten, die den 92-Jährigen in seinem luxuriösen Appartement über den Dächern von San Francisco besuchen, müssen sich in Acht nehmen.

Hinter der altmodischen Brille des greisen Gelehrten lodern immer noch Flammen. Friedman ist ruppig, bisweilen beendet er Interviews auch mit dem Satz «Das muss jetzt für Sie aber reichen». Widersprüche duldet er nicht. Paul Samuelson, sein akademischer Lieblingsfeind, sagte über Friedman einmal: «Die Götter haben ihn mit allem Möglichen bedacht, nur nicht mit der Gabe des Vielleicht.» Aber für Friedman ist, wenn es um die Freiheit geht, dafür eben kein Platz.

Dies ist der letzte Teil der Serie. Bereits erschienen: Adam Smith, «HandelsZeitung» Nr. 27 vom 6. Juli 2005; David Ricardo, Nr. 28 vom 13. Juli; Karl Marx, Nr. 29 vom 20. Juli; Alfred Marshall, Nr. 30 vom 27. Juli; Vilfredo Pareto, Nr. 31 vom 3. August; John Maynard Keynes, Nr. 32 vom 10. August; Joseph Alois Schumpeter, Nr. 33 vom 17. August; Ludwig Erhard, Nr. 34 vom 24. August; Friedrich August von Hayek, Nr. 35 vom 31. August.



Zitate: Das sagt Milton Friedman...

... zur Diskussion um mehr Corporate Social Responsibility (CSR):

«Die soziale Verantwortung eines Unternehmens liegt darin, seine Profite zu steigern.»

... zur Verlagerung von Arbeitsplätzen ins Ausland (Offshoring):

«Wenn Sie Jobs nach Übersee verlagern, schafft das dort Einkommen und Dollars. Früher oder später werden die benutzt, um US-Produkte zu kaufen.»

... zu einer Vermögenssteuer:

«Sie können nicht den Armen helfen, indem Sie die Reichen ausrotten.»

... zu einem einheitlichen Steuersatz (Flat Tax):

«Derzeitige Steuersysteme machen da eine Ausnahme, bieten dort eine Abzugsmöglichkeit oder einen Freibetrag. Diese Flexibilität öffnet nur Lobbyisten Tür und Tor.»



Milton Friedman - Liberalist ohne Wenn und Aber

Milton Friedman wurde 1912 in Brooklyn als Kind ungarischer Einwanderer geboren. Er erlebt mit, wie der Gemischtwarenladen der Familie Pleite geht. Friedman ist fortan finanziell auf sich selbst gestellt, schlägt sich während des Studiums der Mathematik als Tellerwäscher durch. Es folgen Stationen an verschiedenen Universitäten. 1938 heiratet Friedman seine Kommilitonin Rose Director, die ihn fortan bei seiner Arbeit unterstützt. Während des zweiten Weltkriegs steht der promovierte Ökonom im Dienste des US-Finanzministeriums. 1946 beginnt er seine Lehrtätigkeit an der University of Chicago, die drei Jahrzehnte dauern sollte.

Inspiriert vom Werk Friedrich von Hayeks beginnt Friedman für ein breites Publikum zu schreiben. Ein Produkt ist der 1962 erschienene Bestseller «Capitalism and Freedom». Darin fordert Friedman die Abschaffung von Mindestlöhnen, Zöllen und Subventionen. 1976 schliesslich erhält Friedman den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften. Obwohl «Capitalism and Freedom» bis heute als sein wichtigstes Werk gilt, erreichte der Denker die meisten Menschen mit einer Fernsehserie. Anfang der 80er Jahre gestaltete Friedman zusammen mit seiner Frau eine Reihe von einstündigen Beiträgen unter dem Titel «Free to choose» (etwa: Frei, zu wählen). Wie gebannt verfolgt damals auch ein junger österreichischer Einwanderer die Sendungen. Sein Name: Arnold Schwarzenegger bis heute einer derglühendsten Verehrer Friedmans.