Nach dem Nein zur Atomausstiegsinitiative spüren die Gegner der Energiestrategie 2050 Aufwind. Sie wollen mit dem Referendum gegen die Energiestrategie den Atomausstieg definitiv verhindern. Die SVP, die das Referendum lanciert hat, wertete das Abstimmungsresultat denn auch als Votum «für eine kostengünstige, ausreichende und sichere Energieversorgung sowie gegen ein undurchdachtes und überhastetes Technologieverbot».

Entscheidend für den Ausgang des Referendums wird die Haltung der Wirtschaftsverbände sein, aber auch diejenige der FDP. Weder sie noch Economiesuisse und der Schweizerische Gewerbeverband (sgv) beteiligen sich an der Unterschriftensammlung.

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FDP und Economiesuisse haben noch nicht entschieden

Zwei Drittel der FDP-Parlamentarier stimmten im Bundeshaus für die Energiestrategie 2050. Das Referendum dagegen wird jedoch von prominenten Exponenten wie Doris Fiala (ZH) oder alt Ständerätin Vreni Spoerry unterstützt. Auch die Jungfreisinnigen sind gegen die «Bevormundung von Konsumenten sowie übermässige Subventionierung» und kämpfen gegen die Vorlage.

Ob die FDP das Referendum in einem allfälligen Abstimmungskampf mittragen wird, entscheidet die Delegiertenversammlung. Bei Economiesuisse soll der Entscheid im Januar gefällt werden.

Beim sgv sitzt mit Jean-Fraçois Rime (FR) ein SVP-Nationalrat auf dem Präsidentensessel, der aus seiner Atom-Sympathie keinen Hehl macht. «Wenn es nach mir ginge, stiegen wir nicht aus der Atomenergie aus, oder zumindest so spät wie nur möglich», sagte er der Nachrichtenagentur sda. Aber der Entscheid des sgv werde gemeinsam gefällt, und der Ausgang sei offen.

SP sieht Mitteparteien in der Pflicht

Und Direktor Hans-Ulrich Bigler (FDP/ZH) ist Präsident des Nuklearforums Schweiz. Dieses begrüsste den Volksentscheid: Die Stimmberechtigten hätten mit klarer Mehrheit «ihr Vertrauen in die Kernkraftwerks-Betreiber ausgedrückt».

Die Ungeduld ist gross. Die CVP, die sich erfreut über das Abstimmungsresultat zeigte, fordert von den Freisinnigen, «sich nun endlich klar zur Energiestrategie 2050 bekennen». Und auch die SP sieht die Mitteparteien in der Pflicht. Sie sollten ihr Versprechen eines langsamen aber dafür dreckstromfreien Atomausstiegs einlösen.

Wasserfallen: «Leute wollen nichts vom Atomausstieg wissen»

Doch vorerst sprach FDP-Präsidentin Petra Gössi von einem «Vernunftsentscheid», den die Schweizer Bevölkerung getroffen habe. Für sie ist es ein Nein zum voreiligen Stilllegen von AKW und zum Import von Dreckstrom.

Für den Berner FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen hingegen war es mehr: «Die Leute wollen nichts von einem Atomausstieg wissen.» Die Abstimmung habe nicht den Weg für die Energiestrategie geebnet.

Genau davon zeigte sich jedoch die Grüne Berner Nationalrätin Regula Rytz überzeugt. Die Energiestrategie sei stets als Gegenvorschlag zur Atomausstiegsinitiative gehandelt worden. Nun gelte es, sie umzusetzen. Für sie ist das Abstimmungsresultat trotz allem ein klares Zeichen für den Atomausstieg.

Unklarheit über effektive Kosten

Die Initianten der Allianz für den geordneten Ausstieg aus der Atomenergie fordern nun mehr Transparenz über die finanzielle Situation der AKW-Betreiber - insbesondere die effektiven Kosten der Atomstromproduktion.

Und sie wollen mehr Kompetenzen und Durchgriffsrecht für das Nuklearsicherheitsinspektorat (Ensi), die Atomaufsichtsbehörde. Denn Fakt sei, «dass es auch fünf Jahre nach der Katastrophe von Fukushima keine Verbesserungen der Sicherheit im ältesten AKW-Park der Welt gibt».

Bekenntnis zum Klimaschutz

Zugleich nehmen sie die Gegner der Initiative in die Pflicht, ihre Versprechen zu halten. So hebt die Schweizerische Energie-Stiftung das breite Bekenntnis zum Klimaschutz hervor, das während des Abstimmungskampfs abgegeben worden sei.

«Keine Seite will Atom- oder Kohlestrom importieren. Wir nehmen diese Zusagen ernst und werden die früheren Gegner einer Dreckstromabgabe auf ihre neue Zustimmung verpflichten», sagte Geschäftsleiter Jürg Buri im Hinblick auf die umstrittene zweite Etappe der Energiestrategie 2050.

Axpo hält an Mühleberg-Stilllegung fest

Konkreter wird Greenpeace, welche die Axpo auffordert, ihre Wiederinbetriebsnahme-Pläne für das AKW Beznau zu begraben.

Davon ist derzeit allerdings keine Rede. Die Axpo nahm das Resultat der Abstimmung zur Kenntnis. «Für die sichere Stromversorgung der Schweiz ist das ein sehr guter Entscheid», hiess es auf Anfrage. Die BKW, die das AKW Mühleberg betreibt, wird ihr Stilllegungsprojekt per 2019 «wie geplant weiterführen».

Alpiq sieht Kernproblem weiter ungelöst

Alpiq, die als Aktionärin an den beiden Atomkraftwerken Gösgen (40 Prozent) und Leibstadt (32,4 Prozent) beteiligt ist, begrüsst das Nein aus betriebswirtschaftlicher Sicht.

Allerdings sei das Kernproblem der Kernkraftwerke nicht gelöst, solange die Gestehungskosten über den Marktpreisen lägen. Alpiq fordert deshalb neue, stabile Rahmenbedingungen, «welche einen wirtschaftlichen Betrieb der Schweizer Atomkraftwerke ermöglichen».

GLP hoft auf Energiestrategie 2050

Regula Rytz befürchtet denn auch, dass die AKW-Betreiber «schon bald Subventionen für ihren defizitären Betrieb und Steuergelder für die Entsorgung der radioaktiven Abfälle verlangen werden».

Um die Sicherheit der Schweizer AKW zu gewährleisten, fordert die GLP denn auch, dass sichere Langzeitbetriebskonzepte beschlossen werden. Die Schweiz wolle eine erneuerbare und risikolose Energieversorgung, resümierte Swisscleantech: «Wer sich vor dem Hintergrund für ein Referendum gegen die Energiestrategie 2050 einsetzt, politisiert am Volk vorbei.»

(sda/ccr)