Smart-Valor-Gründerin Olga Feldmeier zum Ukraine-Krieg und Kryptowährungen

Das amerikanische Wirtschaftsmagazin «Forbes» hat sie «Crypto Queen» genannt, jetzt geht sie mit Technologie gegen das Putin-Regime vor: Olga Feldmeier engagiert sich seit dem Ausbruch des Ukraine-Krieges für ein Ende der Invasion. Als Ukrainerin und Russin ist sie doppelt betroffen. Feldmeier ist eigentlich Unternehmerin. Im Februar hat sie das erste Schweizer Kryptounternehmen an die Börse Nasdaq First North gebracht. Smart Valor, ein Verwahrer und eine Börse für Kryptowährungen, ist in Schweden kotiert. Aber die Geschehnisse im Osten Europas lassen sie nicht los. Sie ist omnipräsent in den Medien. Sie ist eines der Gesichter des Widerstands. Im Interview spricht sie über den Finanzplatz Schweiz, über Kryptowährungen, ihre Wurzeln, Friedensförderung und Solidarität. Sie haben in Zürich Kundgebungen mit Zehntausenden organisiert. Warum? Das Ziel war, unseren Willen zu zeigen. Nicht nur gegen Putin, sondern auch für die Ukrainer. Wir wollten den Ukrainer zeigen, dass der Westen wirklich auf ihrer Seite steht. Das war der wertvollste Beitrag. Aber es ist auch wichtig, der russischen Opposition zu zeigen, dass sie nicht alleine sind. Russische Demonstrierende, die nun zu Zehntausenden ins Gefängnis gebracht werden, sind sehr eingeschränkt in ihrer Meinungsäusserung. Wir hier in der Schweiz nicht. Wir können das deshalb für sie machen. Durch diese Demonstrationen stehen Sie noch mehr in der Öffentlichkeit. Gehen Sie ein Risiko ein? Das ist bestimmt ein grosses Risiko langfristig. Ich habe mich von meinen Freunden und Bekannten in Russland beraten lassen, ob ich öffentlich auftreten soll. Sie meinten: Auf keinen Fall! Das Putin-Regime ist dafür bekannt, dass es sehr hart mit der Opposition umgeht, auch im Ausland. Ich habe es mir überlegt, nichtsdestotrotz habe ich entschieden, aktiv zu werden. Nicht nur mit Kundgebungen und Meinungsäusserung, sondern mit konkreten Initiativen. Ich unterstütze die Ukraine, aber auch die russische Opposition. Das war keine rationale und vernünftige Entscheidung, aber für mich sind es meine Pflicht und mein Beitrag, diesen Krieg zu stoppen. Befürchten Sie keine negativen Auswirkungen auf Ihr Unternehmen? Natürlich muss man abwägen. Aber wir sind Technologieunternehmer und haben eine Macht, die andere nicht haben. Technologie ermöglicht uns, Gelder anders zu sammeln und zu verschicken und auch andere Kreise zu mobilisieren. Es gibt 200 Millionen Kryptobesitzer und -investoren. Das ist ein grosses «Land». Sie sind engagiert, weil Sie Russin und Ukrainerin sind. Meine Mutter ist Russin, mein Vater ist Ukrainer. Ich wurde von meiner Mutter alleine erzogen, deshalb sprachen wir Russisch, aber wir lebten in der Westukraine. Dort wird Ukrainisch gesprochen. Ich wurde von aussen als Russin angesehen, habe mich selbst aber als Ukrainerin verstanden. Sind Sie zweigeteilt in diesem Krieg? Ich sehe mich als Ukrainerin. Ein Teil meiner Familie ist in Russland, der andere Teil in der Ukraine. Es ist unvorstellbar, dass diese Familien nun gegeneinander kämpfen. Das ist völlig absurd und sehr traurig zu sehen. Wie unterstützen Sie die Opposition? Wir lancieren eine Friedensinitiative, sie heisst «Tech for Peace». Hier werden wir Spenden durch die Ausgabe von NFT sammeln, also Non-Fungible Token. Die Idee ist, dass wir bekannte Persönlichkeiten dazu aufrufen, ein NFT mit dem Thema Ukraine zu erstellen. Diese NFT können sie dann verkaufen und der Erlös geht als Spende in die Ukraine und an die russische Opposition. Die Spenden können direkt in Form von Kryptowährungen oder Stablecoins an die Nutzerinnen und Nutzer gelangen. Die Zeit ist nun gekommen, neben NTF für Kunst oder Games andere NFT zu machen. Ist dies das Spenden 2.0? Influencer sollen sich zusammentun und den Menschen zeigen, für was sie einstehen. Bei einer normalen Spende überweist man einen Betrag – und that’s it. Das ist schwer zu kommunizieren und auf Social Media zu teilen. Ein NFT kann wirkungsvoller sein und die Massen aktivieren. Das ist in diesem Krieg besonders wichtig. Weshalb? Die russischen Medien werden vom Kreml kontrolliert, Social Media ist teilweise geblockt, aber nicht alles. Was wir brauchen, sind wirkungsvolle Kanäle, durch die man die Meinung der Menschen in Russland beeinflussen kann. Wenn sie ihre Profile ändern, und das viele tun, gibt es eine virale Wirkung. Heutzutage gibt es in Russland zwei Realitäten: Die Realität da draussen, es herrscht Krieg. Und dann die Medienmaschine des Kreml. Die meisten Menschen kennen nur diesen Kanal. Sie denken, es sei gar kein Krieg in der Ukraine. Es ist in Russland verboten, von Krieg zu sprechen. Das Wort darf auch von Journalistinnen und Journalisten nicht erwähnt werden, sonst landen sie im Gefängnis. Sie sprechen von einer friedenserhaltenden Initiative. Deshalb ist es wichtig, dass wir Social Media unterstützen und die Message real wird. Wie sieht das konkret aus? Ich beobachte eine grosse Unterstützung in der Schweiz. Auch nach der Kundgebung wollten viele helfen. Das ist sehr beeindruckend. Das ist alles noch am entstehen und ich werde die Details bald bekannt geben. Das ist nicht nur auf die Schweiz fokussiert oder auf Krypto. Es soll eine weltweite Bewegung werden. Welche Hilfsprojekte ergeben Sinn, welche nicht? Alles, was hier gemacht wird, ist absolut richtig und gut. Es freut mich, wie gross die Unterstützung ist, auch mit der Aufnahme von Flüchtlingen. Diese sollten ab Tag eins arbeiten können. Vergessen Sie nicht, es sind vor allem Frauen und Kinder, die jetzt kommen. Diesen sollte man kleinere Jobs geben. Vielleicht Kinderbetreuung als Möglichkeit, da diese in der Schweiz sehr teuer ist. Scheuen Sie sich nicht, diese Menschen in den Alltag einzubinden. Würden Sie auch selber Flüchtlinge aufnehmen? Klar, das ist schon geplant. Wir haben schon ein Zimmer hier im Office eingerichtet, auch bei mir zu Hause. Für mich ist es noch einfacher, weil meine Kinder Russisch sprechen. Wobei Russen und Russinnen verstehen Menschen aus der Ukraine und umgekehrt sowieso. Wenn Sie in der Ukraine leben würden, würden Sie zu den Waffen greifen? Es ist sehr beeindruckend, dass sich auch Frauen dafür gemeldet haben. Ich frage mich aber, was für mich persönlich effizient ist? Wenn ich jetzt zu einer Kalaschnikow greife und auf der Strasse kämpfe, bin ich ziemlich schnell weg. Die Frage ist, was ich erreichen kann, wenn ich vor dem Rechner sitze. Das ist meine Waffe. Ich würde in der Ukraine genau dasselbe machen wie hier. Jede und jeder von uns sollte sich die Fragen stellen, was er oder sie persönlich tun kann. Nicht einfach irgendwas, sondern das, was man gut kann. Sie kommen aus dem Finanzwesen. Hat die Schweiz zu lange gezögert mit den Sanktionen? Dieser Verzug war leider gar nicht gut. Die Gelder hätten sofort blockiert werden müssen. Das Kreml-Netzwerk hat doch schon in den Tagen zuvor in den Medien gelesen, wie der Druck auf die Schweiz steigt. Wie haben sie reagiert? Sie haben eine Überweisung getätigt. Dieser Verzug hat die jetzigen Massnahmen viel ineffizienter gemacht. Sie leben in Zug. Dort pflegen zahlreiche Unternehmen Verbindungen zu Russland. Zug ist ein besonderer Fall, aber auch die Schweiz insgesamt. Es ist nicht mit Deutschland oder anderen Ländern zu vergleichen. Der Finanzsektor ist die Besonderheit der Schweiz. Sie ist das grösste Wealth-Management-Zentrum der Welt. Ich kann diese wirtschaftlichen Interessen gut nachvollziehen, da ich selbst bei der UBS für das Wealth Management Osteuropa zuständig war. Bei einem Krieg müssen die wirtschaftlichen Interessen aber ganz klar hintangestellt werden. Hätten die Banken schneller agieren müssen und eben auch aktiv von sich aus? Auf jeden Fall! Besonders vor dem Hintergrund des CS-Skandals. Der ist ja fast gleichzeitig passiert. Hat die Schweiz ihren Ruf als Finanzplatz ramponiert? Die Schweiz sollte mal nach Grossbritannien schauen, wie hart dort gegen russische Unternehmen vorgegangen wird. Sie haben russische Unternehmen aus den Börsen ausgeschlossen. Da kann sich die Schweiz was abschauen. Das gilt auch für Zug. Zwei Drittel des weltweiten Rohstoffhandels laufen über diese Stadt. Auch hier sollten die Konten geschlossen, die Aktivitäten eingeschränkt werden. Das wäre ein starkes Zeichen. Je schneller der Westen gegen die Wirtschaftselite in Russland vorgeht, desto schneller wird dieser Elite rund um Putin klar, dass es so nicht weitergehen kann. Sind Sanktionen das einzige Mittel, den Krieg zu stoppen? Es liegen Milliarden an Vermögen von Russen in der Schweiz. Es geht dabei nicht nur um Geld, sondern auch um Immobilien, Holdings, Firmenstrukturen. Dort ist der Wert um ein Vielfaches höher. Natürlich sind darunter auch Gelder von einfachen Unternehmern wie mir, die ihr Geld in der Schweiz auf einem Konto liegen haben. Die nichts Falsches getan haben. Wenn man ihre Assets einfriert, ist das vielleicht unfair. Aber es muss weh tun, damit sich die Leute trauen, über ihre Ängste hinauszugehen, damit sie sich zusammentun und eine politische Meinung bilden, dass dieser Krieg nicht sein darf. Es haben sich jetzt schon ein paar russische Unternehmer öffentlich dagegen ausgesprochen. In Kombination mit Protesten auf den Strassen kann das etwas bewirken. Die Gesellschaft muss umschwenken und Putin die Macht entziehen. Hat es die Schweiz verpasst, sich in diesem Konflikt von einer anderen Seite zu zeigen? Die Schweiz hat keine klare Botschaft gesendet. Es war halbherzig. Die Botschaft war eher so: Wenn es sein muss, dann machen wir es. Nicht wie Grossbritannien, das alles Mögliche umgesetzt hat. Mit unserer Geschichte hier in der Schweiz wäre es eine Chance gewesen, aktiv vorzugehen. Deutschland hat nach dem Zweiten Weltkrieg so viel getan und sich bemüht. Sie vergleichen die Situation mit dem Zweiten Weltkrieg? Nein, aber die Schweiz muss doch etwas tun, damit sie den Ruf loswird, dass die Banken hier das schmutzige, russische Geld nehmen. Deshalb sollten wir erst recht eine Extrameile gehen, um ein anderes Bild unseres Landes abzugeben. Kryptowährungen haben in Russland an Fahrt aufgenommen, während der Rubel gesunken ist. Flüchten die Russinnen und Russen in Krypto? Asiatische Kryptobörsen wie Binance haben jetzt Rubel-Pairs aktiviert. Russen kaufen jede Menge Stablecoins. Der Bitcoin-Preis ist gestiegen. Doch um was geht es? Wenn normale Menschen ihre Ersparnisse in Kryptowährungen investieren, um ihr Geld zu retten, ist das gut. Das war auch der Grund für mich, Kryptounternehmerin zu werden. Weil ich die Hyperinflation in den 90er Jahren in der Ukraine miterlebt habe. Wir hatten keine Schutzmechanismen, wir konnten nicht einmal Dollars kaufen. Wir waren der Inflation komplett ausgeliefert. Krypto als Mittel gegen die Inflation? Ich bin aus der Überzeugung Kryptounternehmerin geworden, weil es dieses Problem lösen kann. Regierungen können bei Kryptowährungen nicht den Kurs beeinflussen. Für diesen Zweck sind sie sinnvoll. Eine andere positive Entwicklung ist die Unterstützung von Oppositionellen, die durch Kryptowährungen möglich ist und nicht vom Kreml aus kontrolliert werden kann. Aber die ukrainische Regierung kann doch mit Krypto nichts kaufen – sie müssen es wieder umtauschen. Man kann Kryptowährungen auch in der Ukraine umtauschen. Ein Freund von mir betreibt in der Ukraine eine Kryptobörse. Er war sehr aktiv in den letzten Tagen, hat Kryptowährungen gesammelt und gegen Fiatwährungen umgetauscht. Seine Börse arbeitet mit Banken, die es tauschen. Das funktioniert nach wie vor, solange die ukrainischen Banken nicht von den Korrespondenzbanken abgeschnitten werden. Das passiert mit den russischen Banken, nicht aber mit denen in der Ukraine. Die Kehrseite ist aber, dass auch russische Oligarchen Kryptowährungen kaufen können. Solange es Privatleute sind, die versuchen ihr Geld zu retten, ist es gut. Die Kreml-Kreise haben weniger Verwendung für Krypto, weil sich auch in der Kryptowelt vieles getan hat. Mein Unternehmen Smart Valor betreibt die Börse aus Liechtenstein heraus, weil es dort einen hervorragenden regulatorischen Rahmen gibt. Wir unterstehen dort auch einer sehr ähnlichen Compliance wie die Banken. Also dient Krypto doch nicht als Schlupfloch? Wir müssen genauso fragen, woher die Gelder kommen. Sogar noch konservativer als die Banken. In Liechtenstein werden Kryptounternehmen noch mehr kontrolliert und wir müssen schon bei niedrigen Beträgen überprüfen, woher das Geld stammt. So funktionieren in Europa übrigens die meisten Börsen. Es gibt in Asien Börsen, die kaum reguliert werden, aber diese werden zunehmend verschwinden. Bei den Oligarchen geht es um Millionen und Milliarden. Die Börsen werden diese Gelder nicht nehmen.«Tech For Peace»: Das NFT-Projekt von Olga Feldmeier NFT sind heute in Form von digitaler Kunst bekannt. Das sind die Bilder, die mit einem Token auf der Blockchain verknüpft sind. Dieser Token agiert als Eigentumszertifikat. Wer den Token in seinem Wallet hat, ist der eigentliche Besitzer des NFT. Mit «Tech For Peace» hat Olga Feldmeier eine Initiative gestartet, mit der sie Spenden für Ukrainerinnen und Ukrainer vor Ort sammeln möchte. Das Geld soll auch die russische Opposition unterstützen, insbesondere unabhängige Nachrichtendienste, Aktivistinnen und Aktivisten. «Die Gelder werden ihnen direkt über Kryptowährungen zugeschickt», sagt Olga Feldmeier. «Das hat den Vorteil, dass die Gelder direkt zu ihnen gelangen, ohne im Bankensystem hängen zu bleiben oder gar gestoppt zu werden. Jeder Spender, jede Spenderin erhält ein «Peace NFT» – ein digitales Bild, welches er oder sie auf Social Media streuen kann. Die «Peace NFT Collection» wird in Kollaborationen mit Künstlerinnen und Influencern gemacht. «Der Vorteil ist, dass die Influencer viel effizienter mit ihren Communitys kommunizieren und ihr Engagement für die Ukraine sichtbar machen können», sagt Feldmeier. Sollten Börsen wie Binance die russischen Verbindungen kappen? Sodass man keine Rubel mehr tauschen kann? Darauf gibt es keine einfache Antwort. Die Idee von Kryptowährungen ist, dass sie nicht staatlich reguliert werden. Es gibt Menschen in Russland, die ihre Ersparnisse in Kryptowährungen tauschen. Man kann nicht einfach alles schliessen. Aber die wichtigen Player im Markt werden sich positionieren und auf den internationalen Druck reagieren müssen. Das birgt jedoch eine Gefahr für unsere Branche. Rufschädigung? Durch den jetzigen Diskurs sind wir im Visier der Aufsichtsbehörden. Diese sind nach wie vor skeptisch, weil sie die Technologie nicht verstehen. Ich bin für Regulierungen, stosse aber bei zahlreichen Kollegen und Kolleginnen auf Skepsis. Dazu kommen die Behörden, die denken, Krypto werde missbraucht, um Sanktionen zu umgehen. Das ist halt naheliegend. Wenn eine solche Stimmung entsteht, wirkt sich das wiederum auf Investments in Kryptounternehmen aus. Haben Sie seit dem Ausbruch des Krieges auch Änderungen bei Ihrem Unternehmen vorgenommen? Ich bin in der Firma nicht für Compliance zuständig und kenne mich in diesem Bereich im Tagesgeschäft nicht aus.

Smart-Valor-Gründerin Olga Feldmeier zum Ukraine-Krieg und Kryptowährungen

Olga Feldmeier: «Es muss weh tun»