Nussbrot kann gefährlich sein. Das musste ein Versicherter erfahren. Er brach sich beim Essen von Nussbrot in einem Restaurant einen Zahn, weil er auf ein Stück Nussschale gebissen hatte. Das Ereignis meldete er seiner Krankenkasse als Unfall. Doch diese wollte nicht zahlen, sondern verwies auf das Produktehaftpflichtgesetz. Danach sollte der Bäcker die Kosten für die Zahnreparatur übernehmen. Daraufhin rief der Versicherte den Ombudsman um Hilfe.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Mit solchen und ähnlichen Fragen beschäftigt sich Gebhard Eugster, Ombudsman der sozialen Krankenversicherung, täglich. Über 6000 Fälle behandelt die Ombudsstelle mit Sitz in Luzern jedes Jahr. Unterstützt wird Eugster in seiner Arbeit von zwei Juristen, einem Sachbearbeiter und einem Sekretär.

«Wir sind primär für die Versicherten da», sagt Eugster. Diese bräuchten Orientierung und wollten sich beraten lassen, sei es über die Grund- oder über die Zusatzversicherungen. «Manchmal fungieren wir aber auch als Klagemauer oder Blitzableiter. Die Leute wollen schliesslich irgendwo Dampf ablassen können.»

Besonders turbulent ging es beim Ombudsman (der sich, angelehnt ans Schwedische, nur mit einem n schreibt) zu und her, als das KVG vor acht Jahren in Kraft gesetzt wurde. Der Orientierungsbedarf war damals immens. Die Arbeit auf der Ombudsstelle ist seither aber nicht kleiner geworden.

Jedes Jahr stehen einzelne Themen im Vordergrund, mit denen die Versicherten an den Ombudsman gelangen. In diesem Jahr sind es Fragen rund um den neuen Ärztetarif Tarmed. 2003 gaben neue, teure Medikamente viel zu reden, weil einzelne Kassen diese nicht vergüten wollten. Ein anderer Dauerbrenner sind die zahnärztlichen Behandlungen, die psychiatrische Grundpflege der Spitex oder die medizinische Rehabilitation. Auch da ist das Gesetz nicht präzis genug, weshalb es immer wieder zu Streitigkeiten kommt zwischen den Versicherungen und den Versicherten.

Die meisten Fragen drehen sich um die Vergütung von Leistungen. Denn tatsächlich sind die Kassen knausriger geworden. Immer wieder finden sie eine Lücke, wo mögliche Einsparungen noch nicht ausgeschöpft sind. «Die heiklen Fälle häufen sich, weil die Versicherer geneigt sind, Grenzen und Grauzonen immer stärker zu ihren Gunsten auszuloten.»

Kein orientalischer Bazar

Besonders grundsätzliche oder aktuelle Fälle macht der Ombudsman in seinem Jahresbericht öffentlich, viele Anfragen aber erledigen sich von selbst. Laut Eugster sind rund 80% der Kassenentscheidungen korrekt. «Recht bleibt in jedem Fall Recht», und für alle gelte das gleiche Recht. «Die Ombudsstelle ist kein orientalischer Bazar, wo gefeilscht werden kann.» In seinen Standpunkten orientiert sich der Ombudsman am Gesetz, an den Verträgen und an der Rechtsprechung des Eidgenössischen Versicherungsgerichts oder des Bundesgerichts.

Trotzdem kommt es immer wieder vor, dass Eugster einen Entscheid einer Kasse beanstanden muss. In aller Regel korrigieren dann die Versicherer ihre Fehlentscheidungen ohne grosses Aufhebens. Nur jene Kassen, die in finanziellen Nöten stecken, stellen sich quer; dies führt vielfach zu einem Gerichtsfall. Eugster geht dann sogar so weit, dass er geprellten Versicherten rät, den Gerichtsweg zu beschreiten. «Unterm Strich verhindern wir aber mit unseren Lösungen unnötige Prozesse.»

Schwarze Schafe

Und welche Kassen beschäftigen den Ombudsman besonders stark, welche sorgen für den grössten Ärger unter den Versicherten? Dazu lässt sich Eugster nicht vernehmen. «Ich kann und darf die Kassen nicht anschwärzen.» Im Briefwechsel mit einer Versicherung braucht der Ombudsman bisweilen deutliche Worte. Doch öffentlich an den Pranger gestellt gehöre die Kasse deswegen nicht.

Genauso wie unter den Ärzten gibt es laut Eugster auch unter den Kassen schwarze Schafe. Als Mediator zwischen zwei Parteien wäre es jedoch nicht sinnvoll, mal die eine, mal die andere Seite zu brandmarken. Dies, so Eugster, sei allenfalls Aufgabe des Konsumentenschutzes oder der Medien. Die als private Stiftung von den Krankenversicherern gegründete Ombudsstelle äussert sich auch nicht zu den politischen Vorgängen in Bern oder um Diskussionen rund ums KVG.

Die Dienstleistungen des Mediators sind für die Versicherten kostenlos. Der Aufwand pro Fall beschränkt sich manchmal auf ein Telefongespräch, manchmal nimmt er aber mehrere Briefwechsel in Anspruch. In der Öffentlichkeit steht der Ombudsman höchst selten. Eine Jahrespressekonferenz, wie etwa beim Datenschutzbeauftragten, existiert nicht. Die Frage sei erlaubt, ob der Ombudsman der sozialen Krankenversicherung schlafende Hunde nicht aufwecken will. Anzunehmen ist nämlich, dass viele Versicherte von seiner Existenz noch nie etwas gehört haben. Selbst Eugster räumt ein, dass sich sein Bekanntheitsgrad steigern liesse.

Fürsorge- und Beratungsstellen, Sozialdiensten, Konsumenten- und Patientenorganisationen ist der Ombudsman aber ein Begriff. Und sie sind von seiner Arbeit sehr angetan. «Eigenständig, sehr patientenfreundlich und aufrichtig» sei er, urteilt Margrit Kessler, Präsidentin der Schweizerischen Patientenorganisation. Und gegenüber den Kassen rede Eugster eine deutliche Sprache.

Im Zweifelsfalle bezieht Eugster Stellung für die Versicherten. So geschehen auch im Falle des eingangs geschilderten Unglücks. Weil der geschädigte Versicherte beim Bäcker keinen Anspruch geltend machen konnte, musste nach der Intervention des Ombudsman die Krankenkasse die Kosten für die Zahnreparatur übernehmen.

Ombudsstelle: Vielfältige Aufgaben

- bringt Bewegung in festgefahrene oder liegen gelassene Dossiers;

- interveniert bei unkorrekten Verfahrensweisen der Krankenversicherer;

- nimmt den Versicherer in Schutz vor unberechtigten Vorwürfen;

- überzeugt die Versicherten von korrekten Handlungen des Versicherers;

- klärt die Versicherten über ihre Rechte und Pflichten auf;

- verhindert mit seinen Entscheiden Prozesse;

- übernimmt die Funktion einer Klagemauer, vor allem bei massiven Prämienerhöhungen und gravierenden administrativen oder finanziellen Problemen der Kassen. (res)

Praxis: Haarsträubende Fälle

Die Spannweite in wirtschaftlicher und menschlicher Hinsicht zwischen den Anfragen an die Ombudsstelle ist gross. Ein Versicherter hat einmal reklamiert, weil der von ihm zu zahlende Selbstbehalt um 3 Rp. auf den nächsten Franken aufgerundet wurde. Ein anderer beschwerte sich, weil ihm ein Skonto von 1.20 Fr. vorenthalten worden ist. Umgekehrt gibt es Streitigkeiten, bei denen es um erkleckliche Summen geht. Eine Kasse weigerte sich, eine im Ausland vorgenommene Organverpflanzung Kostenpunkt eine halbe Mio Fr. zu übernehmen. In einem andern Fall ging es um Medikamentenkosten von 800000 Fr. im Zusammenhang mit einer Organverpflanzung.

Strittig waren im vergangenen Jahr diese zwei Fälle: Ein Versicherter wollte seine Grundversicherung kündigen. Dies tat er per eingeschriebenen Brief am Freitag, 28. November 2003. Kündigungstermin war der 30. November. Da die Kasse die Kündigung erst am Montag, 1. Dezember, bekam, stellte sie sich auf den Standpunkt, die Kündigung sei zu spät eingetroffen. Erst auf Intervention des Ombudsman war die Kasse bereit, die Kündigung zu akzeptieren.

In einem andern Fall verweigerte eine Versicherung, ein Krebsmedikament zu zahlen. Das Medikament war bei der Swissmedic registriert für eine Monotherapie ohne Limitierung. Es wurde der Patientin verschrieben, allerdings in Kombination mit einem zweiten Medikament. Deshalb wollte die Kasse nicht zahlen. Für den Ombudsman war dies eine rein schematische Leistungsablehnung. (res)