«Bei Firmen, die zurzeit in sogenannten Spam-Mails empfohlen werden, handelt es sich überwiegend um Werte, die unter einem Euro notieren und wenig gehandelt werden», sagt Anja Neukötter von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht BaFin, die das Ärgernis unter dem Gesichtspunkt Marktmanipulation untersucht. Die im Frankfurter Open Market zugelassenen Schweizer Firmen stammen alle aus dem Pennystock-Bereich und sind für wenige Rappen zu haben. Besonders betroffen sind Firmen, deren Aktienkurse die Spammer leicht in die Höhe treiben können.
Wenig informierte Anleger
Anleger-Spams sind vor allem in den USA zu einem ernsthaften Problem geworden. Um Anleger zu schützen, setzt die US-Börsenaufsicht den Handel betroffener Firmen vorübergehend aus. Neukötter: «Eine Aussetzung des Handels der betroffenen Wertpapiere ist der BaFin aber nur unter engen Voraussetzungen möglich und würde auch Anleger treffen, die nicht an möglichen Manipulationen beteiligt sind.» Peter Koch von der Peter Koch Wertpapierhandelsbank gibt auch zu bedenken, dass mit dem Aussetzen den geschädigten Personen die Chance genommen werde, ihre Aktien wieder loszuwerden.
Die betroffenen Schweizer Firmen haben ihr Domizil im Kanton Zug. Sie heissen IHP Phoenix Biocycle AG, Tier-Spezi AG und Hepas Associated AG und stehen alle unter der Skontroführung der Peter Koch Wertpapierhandelsbank.
Gemäss Peter Koch haben die Firmen mit 95%iger Sicherheit nichts mit den Anleger-Spams zu tun. «Dahinter stecken Zweit- oder Drittgruppen, die den Firmen geholfen haben, an die Börse zu kommen oder denen sie Aktienkapital abgekauft haben», ist sich Koch sicher. Das grösste Problem sieht er darin, dass heute viele Anleger direkt online investieren, wo es früher noch Banken oder Berater brauchte, die vor risikoreichen Investitionen gewarnt hätten.
Börse mit verschiedenen Ebenen
Der Open Market in Frankfurt gilt als Einsteigersegment. Firmen mit beschränkten Ressourcen profitieren in Frankfurt von den geringen formalen Voraussetzungen und dem kostengünstigen Zugang zum Kapitalmarkt. Wie beispielsweise die 3 S Swiss Solar Systems mit Sitz in Lyss. Die Firma ist neben der Berner Börse auch in Frankfurt zugelassen, allerdings nach dem Entry Standard mit höheren Transparenzvorschriften. «Wollten wir uns nach einem noch höheren Standard kotieren lassen, müssten wir uns beispielsweise in der Rechnungslegung anpassen», sagt Frank Rosenbusch, CFO von 3 S Swiss Solar Systems.
Firmen im Open Market
Hingegen wird bei dem eingeschränkten Handel mit Privatkunden für ein Listing lediglich ein Exposé vorausgesetzt. Darin enthalten sind Angaben über die Geschäftstätigkeit, die Höhe des Grundkapitals sowie den Jahresabschluss oder die Eröffnungsbilanz des Emittenten. Das Exposé ist jedoch nicht frei zugänglich.
Diese Titel dürfen aber auch nicht öffentlich beworben werden.
Weitere im Frankfurter Freiverkehr gelistete Schweizer Firmen sind 3 D Capital AG oder die Telekomgesellschaft Amitelo, die bereits in der Vergangenheit durch kritische Medienberichte aufgefallen sind. Ebenfalls gelistet ist Metriopharm der Beteiligungsgesellschaft Tiro, welcher der Zugang zur Berner Börse verwehrt worden war. Aber auch namhafte Firmen wie Adecco werden im Open Market in Frankfurt gehandelt.
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Anlegertipp: Geringer Schutz im Freiverkehr
Open Market
Anders als der amtliche Markt und der geregelte Markt ist der Open Market (früher: Freiverkehr) ein privatrechtliches Börsensegment, aber auch ein organisierter Markt im Sinne des Wertpapierhandelsgesetzes. Im Open Market werden deutsche und ausländische Aktien, festverzinsliche Wertpapiere deutscher und ausländischer Emittenten sowie Zertifikate und Optionsscheine gehandelt. Aufgesetzt auf den Open Market ist der Entry Standard.
Anforderungen
Für Emittenten besteht keine Pflicht zur Ad-hoc-Publizität und zur Publikation eines Börsenzulassungsprospekts. Im Entry Standard werden aber testierte Jahresabschlüsse, Zwischenberichte und Ad-hoc-Mitteilungen verlangt.
Zum Vergleich
An der Berner Börse ist der Kotierungsprospekt Pflicht. Emittenten müssen einen Halbjahresbericht veröffentlichen. Die Beteiligungspapiere müssen zudem eine Kapitalisierung von mindestens 4 Mio Fr. aufweisen.
Vorsicht
Die BaFin warnt davor, Spam-Mails für Anlageentscheidungen zu nutzen.