Wenn es um Zahlen geht, gibt sich Angelo Bonati sehr bedeckt: «Das ist Konzernsache.» Er meint damit die Richemont-Gruppe, zu der Panerai seit 1997 gehört. Intern gehört die von ihm geleitete Traditions-Uhrenmarke mit italienischen Wurzeln zu den besonderen Schützlingen Johann Ruperts. Der Südafrikaner ist nicht nur glücklich darüber, Panerai vor einem Jahrzehnt erworben zu haben, sondern ihn erfüllt auch das Faktum eines extrem günstigen Kaufpreises mit Stolz.

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Kaufpreis längst eingespielt



Als Mitgift aus Lagerbeständen erhielt Richemont einen Rest grosser Handaufzugswerke mit der Signatur Rolex, welche die Genfer in den 1930er Jahren vom Rohwerkefabrikanten Cortébert bezogen und zur Herstellung der ersten Radiomir-Taucheruhren an ihren Konzessionär, Panerais «Orologeria svizzera» gegenüber dem Florentiner Dom, geliefert hatten. 60 dieser tickenden Kleinodien versahen die geschäftstüchtigen Rechtsnachfolger des Familienunternehmens mit Platingehäusen. Allein dieser Deal trug Richemont mehr als den Panerai-Kaufpreis ein.

Übrigens hatte Rolex damals noch weitere Geburtshilfe zur Herstellung der ersten Panerai-Zeitmesser geleistet. Nur durch das wasserdichte Oyster-Gehäuse mit Schraubkrone konnten die 1860 gegründeten Officine Panerai das strenge Reglement der italienischen Behörden für professionelle Taucheruhren erfüllen. Nach eingehender Erprobung orderten sie zehn Exemplare, welche sich in den Diensten eines geheimen Spezialkommandos bewährten.

Immer unter Waser zuhause



Ab 1938 fand man die sogenannte Radiomir auch an den Handgelenken von Männern der Gamma-Gruppe, welche gewagte Unterwasserangriffe auf feindliche Schiffe übernahmen. Ganz problemlos liefen die Dinge trotz strengster Qualitätskontrollen allerdings nicht. Die zuverlässigen Handaufzugswerke verlangten täglichen Energienachschub. Dazu musste die Schraubkrone gelöst, gedreht und hinterher wieder festgezogen werden. Geschah Letzteres nicht, konnte Wasser eindringen und die Uhr zerstören.

Einen grundsätzlichen Ausweg aus dieser Misere brachten 8-Tage-Werke von Angelus in Le Locle, welche nur einmal wöchentlich aufgezogen werden mussten und die Folgen menschlicher Nachlässigkeit minderten. Damit alleine wollte sich Panerai allerdings nicht begnügen. Mitte der 1950er Jahre entwickelten die Florentiner einen völlig neuen Gehäusetyp.

Luminor besass die prinzipiell gleiche Form und das bekannte Zifferblatt, verfügte jedoch über einen 1956 patentierten Schutzmechanismus für die gefährdete Aufzugskrone. Ein Hebel drückte sie samt Dichtung fest gegen das Gehäuse. Zum Aufziehen musste dieser nach aussen geklappt werden. Weil er in geöffnetem Zustand unübersehbar vom Gehäuse weg stand, diente er gleichzeitig als markante Gedächtnisstütze, die Wasserdichtigkeit nach dem Spannen der Zugfeder gefälligst wieder ordentlich herzustellen.

Das Ende des Kalten Kriegs entzog den Officine Panerai weitgehend ihre Geschäftsgrundlage. Der Bedarf an militärischen Tauscheruhren tendierte fortan gegen Null, die Fertigung ziviler Produkte beschränkte sich auf einige 100 Exemplare für Kenner. Ohne die Hilfe des Zufalls hätte möglicherweise kein Hahn mehr so richtig nach Panerai gekräht. Aber glücklicherweise weilte Sylvester Stallone 1994 während der Dreharbeiten zu «Daylight» in Florenz. Im Schaufenster des kleinen Panerai-Ladengeschäfts entdeckte er die Luminor. Der Schauspieler kaufte eine und legte sie danach kaum noch ab. Später orderte er spezielle Slytech-Exemplare mit seinem Namenszug im Boden. Eine davon erreichte und faszinierte Johann Rupert, der nun mehr haben wollte als nur eine Panerai. Er begehrte die ganze Marke … und bekam sie.

Mit Richemont Senkrechtstarter



Danach geschah, was nur wenige für möglich gehalten hatten: Unter der Richemont-Ägide legte Panerai einen fulminanten Senkrechtstart hin, avancierte der Name zur Kultmarke. Konkrete Zahlen bleiben allerdings das Geheimnis von Angelo Bonati. «Aber unsere jährlichen Zuwachsraten fielen seit 1993 jeweils zweistellig aus.» Schätzungsweise produziert Panerai zwischenzeitlich rund 25000 Uhren per annum.

Wer sich 1997 eine Stahl-Luminor der ersten Serie zulegte, hat seinen finanziellen Einsatz bis heute mindestens verdoppelt. Noch glücklicher können sich die Eigentümer der 60 Retro-Radiomir mit Platin-Gehäuse und dem Kaliber Cortebert 620 schätzen. Von Sammlern erhalten sie etwa das Dreifache des damaligen Einstandspreises.

Ungeachtet des riesigen Erfolgs weiss auch Angelo Bonati, dass Panerai immer nach vorne blicken und neue Ziele anpeilen muss. Die Kooperation mit Ferrari brachte ein weiteres Standbein. Und eine ganze Palette eigener Kaliber mit hohem technischem Anspruch wird die Begehrlichkeit weiter anheizen. «Unser Problem waren immer die Uhrwerke, nicht die Gehäuse. Aber diese Schwierigkeiten haben wir jetzt im Griff. Und die Produkt-Pipeline ist bereits bis 2011 gefüllt.»

2007 mit Kraftakt par excellence



Angelo Bonati, der gleichermassen ambitionierte wie engagierte Panerai-CEO, hat Wort gehalten. Eric Klein, Spiritus Rector des Technikpartners Val Fleurier mit Ateliers in La Côte-aux-Fées (ehemals Piaget) und Buttes übrigens auch. Wie bei der Präsentation des Manufaktur-Handaufzugswerks P2002 im Jahre 2005 dezent angekündigt, setzt die Traditionsmarke mit italienischen Wurzeln ihre beispiellose Kaliberinitiative mit Verve fort.

Die Auseinandersetzung mit dem «Trio Innovativo» des Jahres 2007 verlangt beinahe zwingend eine Betrachtung des Einstiegs in die uhrmacherische Exklusivität. Das 13¾-linige Basiswerk P2002 (Durchmesser 31 mm, Höhe 6,5 mm) besitzt drei Federhäuser, zwei übereinander und eines daneben. Dies gestattet eine Gangautonomie von acht Tagen. Nach dieser Zeit regelt das Uhrwerk trotz einer Reserve von zwei weiteren Tagen automatisch ab. Das Kraftmanagement des Uhrwerks ist so ausgelegt, dass die Amplitude der Unruh (Trägheit 7 mg cm²) mit frei schwingender Spirale bei einer Frequenz von 4 Hertz mindestens 200 Bogengrade beträgt. Als «Tankuhr» dient eine lineare Gangreserveanzeige, weil Bonati von Eric Klein etwas Besonderes verlangte. Zum präzisen Einstellen der Uhrzeit stoppt die Unruh, ausserdem springt der kleine Sekundenzeiger bei 9 in die Senkrechte. Ein zweiter Stundenzeiger lässt sich über die halb gezogene Krone in Stundenschritten verstellen. Ein kurzes, konzentrisch zur kleinen Sekunde angeordnetes Pendant indiziert die Tag- und Nachtstunden. Das Fensterdatum korrespondiert selbstverständlich mit der jeweiligen Ortszeit.

6 von 10 Teilen sind baugleich



Dieses breite Leistungsspektrum setzt sich bei den neuen Kalibern P2003, P2004 und P2005 grundsätzlich fort. Das gesamte Kaliberkonzept beruht auf der Tatsache, dass 60% der Komponenten in allen Werken gleich sind. Durch diesen Synergiefaktor lassen sich die Preise trotz vergleichsweise geringer Stückzahlen in einem bezahlbaren Rahmen halten. Nivarox-FAR kommt bei Panerai übrigens nicht vor. Anker und Ankerrad steuert Jaeger-LeCoultre, die Unruhspirale A. Lange & Söhne bei. Es lebe die Autonomie.

Sein Feuer hat Angelo Bonati damit noch lange nicht verschossen. Die Pipeline ist bereits voll für die nächsten vier Jahre. Ausdruck ungebrochener Kreativität sind auch drei weitere Newcomer, welche in Genf debütieren werden: Ein Luminor-1950-Hybrid mit Selbstaufzug und elektronischem Tiefenmesser, 47 mm gross; ein limitierter Regatta-Rattrapante und eine Radiomir Black Seal mit massivem, 45 mm grossem Keramikgehäuse.

www.panerai.com



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Die neuen Werke:

P2003 - Unangenehme Geräusche verbannt



Selbstaufzugsversion: Das neue Kaliber (301 Teile, 25 Steine) könnte man als Selbstaufzugsversion des P2002 bezeichnen. Bedingt durch den zentral angeordneten Kugellagerrotor und die Automatik-Baugruppe, steigt die Bauhöhe bei gleichem Durchmesser auf 8,2 mm. Die Verwendung von Zirkoniumkugeln gewährleistet Wartungsfreiheit des Rotorlagers. Der Aufzug erfolgt in beiden Drehrichtungen. Für die Polarisierung der Schwungmassenbewegungen sorgen ein rotierender Exzenter und ein damit verbundener Klinkenhebel. Für den beidseitig wirkenden Selbstaufzug hat Eric Klein eine plausible Erklärung. «Das hängt mit der Grösse des Uhrwerks und des Rotors zusammen. Beim ebenfalls grossen Kaliber ETA/Valjoux 7750 haben wir die Erfahrung gemacht, dass sich der Rotor in seiner Leerlauf-Richtung mit sehr hoher Geschwindigkeit bewegt. Das verursacht unangenehme Geräusche, mitunter ein komisches Gefühl am Handgelenk und ist dem Uhrwerk nicht zuträglich. Der beidseitig wirkende Aufzug bringt hingegen gleichförmige, ausgewogene Rotorbewegungen in beiden Drehrichtungen mit sich.»



P2004: Mit einem klassischen Schaltrad



Monopulsante mit Federwirkung: Panerais neuer Handaufzugs-Chronograph mit acht Tagen Gangautonomie, vorgestellt vor kurzem in Florenz, heisst schlicht und einfach P2004. Dass die Steuerung über ein klassisches Schaltrad erfolgt, geht aus einem kreisrunden Ausschnitt in der grossen Chronographenbrücke eindeutig hervor. Die Beschäftigung mit dem Kupplungsmechanismus verlangt hingegen einen vertieften Blick hinter die Kulissen. Dort präsentiert sich moderne Technik in Form vertikalen Andrucks, der den Start-Zeigersprung unterbindet. Für die drei chronographischen Funktionen Start, Stopp und Nullstellung ist ein einziger Drücker bei der 8 zuständig. Apropos Nullstellung: Hier haben sich die Techniker von Panerai etwas ganz Besonderes einfallen lassen. Der Nullstellhebel besitzt federnde Enden, welche den Druck auf die Lager des Chronographenzeigers und des 30-Minuten-Zählers mildern. Das 8,2 mm hohe Kaliber P2004 besteht aus 333 Komponenten, von denen 29 Steine sind. Zunächst wird es nur in einem goldenen Luminor-Gehäuse offeriert.



P2005: Ähnlich wie ein Hähnchen am Grill



Tourbillon: Auf dem Zifferblatt der Luminor XXI mit dem aus 243 Komponenten zusammengefügten Handaufzugskaliber P2005 steht Tourbillon. Ein herkömmliches Drehgestell zur Kompensation der Schwerkrafteinflüsse in senkrechter Lage der Uhr sucht man jedoch vergebens. Auch hier wollte Angelo Bonati etwas aus dem Rahmen des Üblichen Fallendes. Eric Klein hat es ihm geliefert. Die Unruh dreht sich, aber sie rotiert um 90 Grad versetzt in Richtung der Unruhwelle. Möglich machen es ihr kleiner Durchmesser und die Werkshöhe von 9,1 mm. Der Einbau des neuartigen Drehgangs lässt den Durchmesser auf 16 ½’’’ oder 36,6 mm steigen. Ferner reduziert die zusätzliche Mechanik die Gangautonomie auf sechs Tage. Der patentierte Drehgang lässt sich mit einem Hähnchen am Drehspiess vergleichen. Unruh, Spirale und Hemmung rotieren innerhalb von 30 Sekunden einmal um die Querachse. Das kompensiert zwar nicht die negativen Auswirkungen der Gravitation, bringt aber eine Optimierung der Reibung in den Lagern der Unruhwelle, des Ankers und des Ankerrads.