Landschaften faszinieren ihn. Im bewussten Erleben von Landschaften tankt Paul J. Hälg Energie für seine intensive Arbeit als CEO der internationalen Dätwyler-Gruppe. Aber was macht die Faszination von Landschaften aus? «Es sind die intensiven Farben und die einmaligen Stimmungen in der Morgen- und Abenddämmerung, die ich in der Natur geniesse.» Diese unverfälschte Ästhetik wirke ungemein beruhigend: «In solchen Momenten erlebe ich neue Dimensionen in Raum und Zeit.» Und wenn er via Internet das Fenster zu seiner Lieblingslodge im südlichen Afrika öffnet, ist klar: Hier bilden Rot und Grün, Sand und Gras, Licht und Schatten faszinierende Kontraste.

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Neben der emotionalen Vorliebe für Landschaften pflegt der 50-jährige Hälg als promovierter Chemiker aber auch einen sehr rationalen Bezug zu den Elementen. Wieso just Chemie? «Mich hat in dieser Disziplin von jeher die enge Verbindung von Theorie und Praxis fasziniert», sagt Hälg, der sich bereits in der Kantonsschulzeit in St.Gallen für die Chemiestunden begeisterte.

Jeweils im Herbst machte er, was alle Ostschweizer Studenten seit jeher und immer noch tun: «Ich war einer von vielen jugendlichen Aushilfen an der Olma.» Unter anderem wusch er tonnenweise Teller, grillierte Würste und prüfte als «Securitässler» die Billette der Olma-Besucherinnen und -Besucher. «Das waren lehrreiche Erfahrungen. Ich habe früh gelernt, dass das Geld zuerst hereinkommen muss, bevor es ausgegeben werden kann.»

Dass man etwas tun muss für sein Geld, bekam der Vater von zwei Teenagern auch im elterlichen Schreinereibetrieb mit. Dieser wird heute von seinem Bruder geleitet und gibt Hälg noch immer Einblick in die Freuden und Leiden von Gewerbetreibenden.

Ballone steigen lassen

Paul Hälg war von Kindsbeinen an mehr an der Technik als am Handwerk interessiert. «Die technischen und wissenschaftlichen Durchbrüche zogen mich in ihren Bann», erinnert er sich. «Es war die Zeit, als sich die chemische Industrie in Basel Richtung Pharma bewegte.» Und es war die Zeit, als 1969 der erste Mensch auf dem Mond landete. «Damals als 15-Jähriger träumte ich, wie viele Jungs, vom Pilotenberuf.»

Statt zur Swissair ging er dann aber an die ETH. Den Traum vom Fliegen erfüllte er sich später als Ballonfahrer. «Wohl die faszinierendste Art, um Landschaften zu erleben», meint er und bedauert, dass ihm die Zeit dazu heute fehlt.

Denn heute steht Hälg als CEO der Dätwyler-Gruppe vor, einem Unternehmen mit mehr als 1 Mrd Fr. Umsatz und 4500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Seit Mitte 2004 ist er für die Geschicke dieses traditionsreichen Urner Unternehmens verantwortlich. Dätwyler ist in der Schweizer Industrie als Hersteller von Kabeln und von Gummiteilen ein Begriff. «Das ist richtig», sagt Hälg, «aber Dätwyler ist mehr als Kabel und Gummi: So sind wir beispielsweise mit den Unternehmen Maagtechnic, Distrelec und Dätwyler Electronics der grösste technische Händler der Schweiz. Das Standardsortiment umfasst mehr als 300000 Artikel.»

Es geht auch ohne Sekretärin

Auch das Dätwyler-Unternehmen Helvoet Pharma ist gut positioniert: Als Hersteller von pharmazeutischen Verpackungen für flüssige Arzneimittel ist es weltweit die Nummer zwei in einem Markt mit einem Gesamtvolumen von rund 1,2 Mrd Fr. Und dann gibt es noch das Unternehmen Rothrist, das als führender Hersteller von Präzisionsrohren hauptsächlich die Automobilindustrie beliefert. «Jedes zweite Auto in Europa und den USA enthält ein Rothrist-Rohr oder ein Dätwyler-Gummiformteil. Weltweit sind Dätwyler-Produkte in mindestens 30% der produzierten Fahrzeuge präsent», erklärt Hälg nicht ohne Stolz.

Die börsenkotierte Dätwyler-Gruppe ist ein Team von innovativen Nischenspielern. Während die Gruppe eine respektable Grösse aufweist, handelt es sich bei den operativen Einheiten um etablierte und zum Teil traditionsreiche Mittelstandsunternehmen. «Ich fühle mich in diesem überschaubaren Umfeld wohl», sagt Hälg und verwendet zur Erklärung ein anschauliches Bild aus seinen Afrikareisen: «Nehmen wir eine Büffelherde. Die ist wohl riesig und als Gesamtheit beeindruckend. Aber der einzelne Büffel ist unbedeutend. Er schaut für sich und hat nur ein Ziel, nämlich den Anschluss an die Herde nicht zu verlieren. Ganz anders bei Raubkatzen. Diese treten als eingespieltes Team auf. Jedes Mitglied kennt seine Aufgabe und trägt zum Gelingen der Jagd bei.»

Hälg ist überzeugt, dass mittelständisch organisierte Unternehmen den Raubkatzen ähnlich sind. «Künstliche Motivationsinstrumente sind unnötig. Jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter sieht den Sinn der Arbeit und spürt den eigenen Beitrag zum Ganzen.» Dieses Grundverständnis ist für Hälg die beste Motivation. Man glaubt ihm gerne, wenn er erzählt, dass er keinen Wert auf Formalitäten legt. Sein Führungsstil sei «straight forward» und «hands on». Als Mitglied der Forbo-Konzernleitung hatte er nicht einmal eine Sekretärin. Auch privat geht er eigene Wege: Golf ist nicht sein Ding, und auch fürs Manager-Hobby Nummer eins, Joggen, kann er sich nicht erwärmen. Dafür steigt er gerne aufs Fahrrad, wenn die Zeit reicht.

Der jugendlich wirkende Hälg war stets in überblickbaren Strukturen tätig. Das heisst nicht, dass er sich in der Schweiz versteckt hätte. Im Gegenteil: Sowohl in seiner Funktion als CEO von Gurit-Essex als auch als Leiter des Forbo-Konzernbereichs Klebstoffe war er viel unterwegs, vor allem in Europa und den USA, aber auch in Asien und Südamerika. Bei Forbo hat Hälg das Klebstoffgeschäft aufgebaut. Durch die Übernahme der amerikanischen Swift konnte er den Umsatz von 200 Mio Fr. auf 600 Mio Fr. verdreifachen.

Auch bei Gurit-Essex hat Hälg während 15 Jahren viel aufgebaut. Er war es, der zusammen mit einem engagierten Team dieses Joint Venture zwischen der Gurit-Heberlein-Gruppe und Dow Chemical zu einem rentablen Zulieferer der internationalen Automobilindustrie gemacht hat.

Es sind denn auch dieses Verständnis der globalen Zulieferindustrie und der Leistungsausweis im Aufbau und in der Führung von industriellen Zulieferern, die Hälg für die Aufgabe als CEO der Dätwyler-Gruppe prädestinieren. «Sowohl mit den Industrie- als auch mit den Handelsaktivitäten ist Dätwyler ein klassischer Zulieferer», sagt Hälg. In seinen ersten neun Monaten bei Dätwyler hat er in einzelnen Bereichen erhebliches operatives Verbesserungspotenzial geortet. Trotzdem ist er überzeugt, dass die strategische Ausrichtung der Konzernbereiche stimmt. «Einerseits, weil der Trend zum Outsourcing bei unseren Kunden zunehmen wird. Andererseits aber auch, weil unsere Unternehmen mit ihren Produkten auf vier grundlegende Bedürfnisse der modernen Gesellschaft ausgerichtet sind: Kommunikation, Mobilität, Gesundheit, Sicherheit.»

Chef-Zimmer mit Ausblick

Neben innovativen Produkten bilden in der Zulieferindustrie die Mitarbeiter und das Management einen wichtigen Bestandteil des Erfolgs, sagt Hälg. Bei immer ähnlicheren Produkten sei es das Team, das den Unterschied mache. Hier verfügt Dätwyler nach einigen Wechseln seit neustem auch wieder über eine vollzählige und motivierte Führungsmannschaft.

Und wie ist der St. Galler Paul Hälg im Kanton Uri aufgenommen worden? «Ich fühle mich hier bei Dätwyler in Altdorf sehr wohl. Und dies nicht nur, weil ich mit Bestimmtheit das CEO-Büro mit dem schönsten Alpenpanorama habe.» Sagt es, und lässt den Blick genussvoll durchs Fenster über die Urner Gipfel gleiten.

Rückkehr zum Wachstum

Steckbrief

Name: Paul Johann Hälg

Funktion: CEO der Dätwyler-Gruppe

Alter: 50

Wohnort: Wollerau

Familie: Verheiratet, zwei Kinder

Karriere

1981-1986 Swiss Aluminium Ltd.

1986-2001 Führungsfunktionen bei Gurit-Essex (Gurit-Heberlein-Gruppe), zuletzt CEO

2001-2004 Mitglied der Forbo-Konzernleitung, Leiter des Geschäftsbereichs Klebstoffe

Seit August 2004 CEO der Dätwyler-Gruppe, AltdorfFirma

Die Dätwyler-Gruppe ist breit diversifiziert und schaffte die Rückkehr zum Wachstum in einem schwierigen Umfeld. Sie hat dem Trend zur Konzentration auf eine bestimmte Kernkompetenz widerstanden und ist dafür gerügt worden, hat aber letztes Jahr wieder Tritt gefasst. Der Umsatz erhöhte sich um 6%, wozu alle Divisionen beigetragen haben Kabelsysteme, Gummi und Kunststoffe, Präzisionsrohre, Pharmazeutische Verpackungen und Technische Komponenten. Der Ebitda wurde um 8%, der Ebit um 18% gesteigert. Dätwyler setzte 2004 1 Mrd Fr. um und beschäftigte 4480 Personen.