Es erstaunt nicht, dass Paul Müller, CEO Schweiz von Swiss Life, Berggipfel liebt, weit oben, wo die Menschen und Probleme plötzlich ganz klein erscheinen. Dort tankt er Energie, lebt in der Natur aus dem Rucksack und sinniert. Das Erklimmen von Spitzen, das Überwinden von Hindernissen, mögen sie noch so steil und unwegsam sein, scheint Lebens- und Berufsmotto zu sein.

Anders lässt sich kaum erklären, dass Müller vor zweieinhalb Jahren seinen Job als CEO bei der Helvetia Patria an den Nagel hängte, wenn auch mit schwerem Herzen, zur ausser Rand und Band geratenen Rentenanstalt, heute Swiss Life, wechselte und sich auf einen Schleudersitz setzte. Als er nämlich Anfang 2003 die neue Stelle antrat, waren die Swiss-Life-Mitarbeiter aufgrund der «Rentenklau»-Debatte stark verunsichert, und es herrschte die wohl grösste Vertrauenskrise der Unternehmensgeschichte.

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Rolf Dörig als Argument

Warum also diese Herausforderung? Die Antwort, die Paul Müller liefert, erstaunt. Die erste Anfrage eines Headhunters lehnte er ab. Er sah keinen Grund zu wechseln. Der zweiten Anfrage stimmte er dann aber zu: «Ich wollte den neuen CEO Rolf Dörig kennen lernen.» Das Zusammentreffen war erfolgreich, die Chemie zwischen beiden Managern stimmte, und die in Aussicht gestellte Turnaround-Strategie überzeugte, sodass Müller zusagte. Allerdings diskutierte er zuvor die Ausgangslage mit seiner Familie. Denn das zeitliche Engagement, das wusste er, würde enorm sein so wie jedes Mal, wenn er etwas Neues anpackt.

Bei der Swiss Life traf Müller zwei grosse Baustellen an. Zunächst musste er das Schweizer Geschäft des Grosskonzerns verstehen und in den Griff bekommen. Zweitens musste er eine Lösung für die La Suisse finden. Und dabei kam Müller eines seiner Führungsprinzipien zugute: Man muss sich dem Gesprächspartner anpassen und sich auf das gleiche Niveau stellen. Dazu gehört auch die französische Sprache, die Müller beherrscht, womit er eine kulturelle Barriere überwand.

Beim Nachdenken über das Manager-Dasein stellt Müller die Frage: «Warum erreicht man etwas im Leben? Weil man ein Ziel hat.» Mit einem bestimmten Ziel sei es viel einfacher, Menschen zu motivieren. Und spüre man, dass man beim Anpeilen dieses Ziels von Gleichgesinnten getragen werde, dann machten die Aufgabe, auch wenn sie sehr gross und ambitioniert sei, und das Leben viel mehr Spass.

Klarheit und Präzision

Umgesetzt in Müllers Berufsalltag heisst das: Klare Ziele, klare Strukturen, klare Meilensteine. Im nächsten Schritt werden die geeigneten engen Mitarbeiter rekrutiert. «Wenn ich etwas mache, dann will ich Erfolg haben, und zwar nicht als Solitär, sondern als Team.» Swiss-Life-Mitarbeiter und ehemalige Kollegen von der Basler Versicherung und Helvetia Patria beschreiben Müller als zielstrebigen, motivierenden und fordernden Chef, der gleichzeitig Menschenkenner und Menschenfreund sei.

Müller hat Betriebswirtschaftslehre studiert, doch eigentlich haben ihn das menschliche Verhalten und die gruppendynamischen Prozesse fast noch mehr interessiert. Ein gutes Team zeichnet sich in seinen Augen gerade in Schwierigkeiten aus «wie eine Fussballmannschaft, die drei zu null im Rückstand liegt und dennoch nicht auseinander fällt».

Dass die Swiss Life das «Gröbste» überstanden hat und 2004 wieder in die Gewinnzone zurückgekehrt ist, führt Müller auf eine eingeschworene Führungscrew zurück, deren Mitglieder sich gegenseitig respektieren. Der Vorteil sei gewesen, dass die meisten Kaderleute von aussen gekommen seien und dadurch keine Altlasten zu verteidigen hatten.

Müller, der viel Zuversicht und Optimismus ausstrahlt, weiss aber, dass für ihn und den Konzern die Bewährungsprobe noch nicht vorbei ist. Er schaut aus dem Fenster auf den See, an dem er jeden Morgen beim Gang ins Büro entlang läuft, und meint: «Wenn es uns gelingt, Swiss Life auf ein nachhaltig wirtschaftlich gesundes Fundament zu stellen, dann haben wir wirklich etwas geschafft. Und ich schaue sehr zufrieden auf meine berufliche Laufbahn zurück.»



Zur Person

Paul Müller studierte Ökonomie an der Universität St.Gallen und begann nach dem Studienabschluss 1975 seine berufliche Laufbahn bei den Winterthur-Versicherungen. 1982 wechselte er zur Basler Versicherung, wo er zuletzt als Mitglied der Konzernleitung für Deutschland, Österreich, Frankreich, Belgien und Luxemburg zuständig war. Von 1995 bis 2002 war Paul Müller CEO Schweiz bei Helvetia Patria in Basel. Im Januar 2003 trat er in die Swiss-Life-Gruppe ein. Er ist verheiratet und Vater von zwei erwachsenen Kindern. Die Familie, Bewegung in der Natur und Musik bieten Müller den Ausgleich zum Beruf.



Paul Müllers Führungsprinzipien

1. Sich mit guten und motivierten Mitarbeitern umgeben.

2. Den Mitarbeitern Vertrauen schenken.

3. Gemeinsam klare Ziel setzen.

4. Zeitachse und Verbindlichkeiten festlegen.

5. Die Umsetzung muss einfach, schnell und präzis erfolgen.



Die Umstrukturierung von La Suisse: Die zweitbeste Lösung war erfolgreich

Im vergangenen Februar gab Swiss Life die grundlegende Umstrukturierung von La Suisse bekannt, was an sich keine Überraschung war, weil der Lebensversicherer eine «Lösung» für die Westschweizer Tochter (Verkauf als erste Option) angepeilt hatte. Was hingegen überraschte, war die Tatsache, dass ein derart komplexes Projekt mit sieben Transaktionen bis zum Ende unter Verschluss bleiben konnte.

Dahinter steckt Paul Müller, CEO Schweiz von Swiss Life, der zwischen April 2004 und Januar 2005 alle Fäden in der Hand hielt und jeden Schritt überwachte. Swiss Life integriert das Lebengeschäft von La Suisse vollständig. Die Sach-, Haftpflicht- und Motorfahrzeugversicherung geht an die Vaudoise, von der Swiss Life im Gegenzug das Kollektivgeschäft übernimmt. Schliesslich kauft Helsana das Krankentaggeld- und Unfallversicherungsgeschäft der La Suisse. Mit beiden Gesellschaften sind überdies Kooperationen vereinbart, um gegenseitig Versicherungs- und Vorsorgeprodukte anzubieten.

Dass der Deal gelingen konnte, führt Müller auf ein straffes Projektmanagement und auf das Vertrauen in die Mitarbeiter zurück. Gleichwohl musste jede Person, die neu dazu kam, eine Vertraulichkeitsklausel unterzeichnen, damit ja keine Information nach aussen drang.

Über die Loyalität und die Diskretion zeigt sich Müller höchst erfreut: «Ein beachtliches Reifezeugnis für alle Beteiligten innerhalb dieses Projekts und die Swiss Life insgesamt.» (pi)