Eine wahre Begebenheit: Der Kaffeeautomat eines Hotels soll repariert werden. Der Mechaniker stellt die Mischverhältnisse ein und bietet dem Serviceangestellten aus Sri Lanka eine Tasse an, um eine Rückmeldung über den Geschmack zu erhalten. Der Mann lobt den Café sehr. Am nächsten Tag stellt sich heraus, dass er gänzlich ungeniessbar ist. Der Mechaniker kann es nicht glauben, er hatte ja die Bestätigung erhalten, das Getränk sei perfekt. Der Grund für dieses Missverständnis: In Sri Lanka kritisiert man ein Geschenk nicht. Der Migrant kommunizierte auf der Beziehungsebene, während es dem Mechaniker allein um die Sache ging.

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An dieser Geschichte wird deutlich: Es ist wichtig, klar zu machen, auf welcher Ebene miteinander gesprochen wird. Dies gelingt zum Beispiel, indem man ausformuliert, warum man etwas sagt oder fragt.

Interkulturelle Kompetenz umfasst drei Bereiche: Erstens Sachkompetenz, also Kenntnis über die Hintergründe von Menschen anderer Kulturen; zweitens Sozialkompetenz sprich Kommunikationsfähigkeit, Einfühlungsvermögen, Toleranz und Konfliktbereitschaft; drittens Handlungskompetenz, die Fähigkeit also, entsprechend dem Wissen, das man sich über andere Kulturen angeeignet hat, zu agieren.

Bei der Herkunft der Arbeitskräfte gilt es zu differenzieren. In den letzten fünf Jahren hat sich der Anteil der Nicht-EU-Ausländerinnen und Ausländer in der Schweiz verdoppelt. Weil sich westliche und östliche Kultur stark unterscheiden, ist damit auch das Konfliktpotenzial gestiegen. Um einen guten Umgang mit den Fremden zu finden, ist es wichtig zu erkennen, dass in der Schweiz ganz andere Werte gelten als in patriarchalen Gesellschaften: Während bei uns Individualität und Selbstverantwortung im Vordergrund stehen, sind dort Familie und Verantwortung für eine Gruppe von Bedeutung. Während wir Jugend, Vitalität, Dynamik und Fortschritt schätzen, achten Migrantinnen und Migranten das Alter und die Tradition. Wir sind es gewöhnt, auf der Basis von Gleichwertigkeit zu verhandeln, in patriarchalen Kulturen hingegen ist Befehlen und Gehorchen üblich.

Die Sachebene betonen

Ein wesentlicher Unterschied zwischen industrialisierten und patriarchalen Kulturen ist auch, dass in westlichen Kulturkreisen eher auf der sachlichen Ebene kommuniziert wird und in östlichen eher auf der Beziehungsebene. Was wir zu sagen haben, sagen wir direkt. Das ist zeitsparend, auch wenn es jemanden verletzt. In patriarchalen Kulturen wird hingegen mehr Wert darauf gelegt, freundlich zu sein und niemanden zu beleidigen. Wenn man sich dieses Unterschieds nicht bewusst ist, kann es leicht zu Missverständissen kommen, wie das Beispiel des Kaffeeautomaten zeigt.

«Es ist wichtig, dass Ausländerinnen und Ausländer lernen, in bestimmten Situationen die Sachebene in den Vordergrund zu stellen», so Renata Ceresa, Erwachsenenbildnerin und Dozentin für interkulturelle Kompetenz. Aus Angst, auf der Beziehungsebene einen Fehler zu begehen, teilen ausländische Arbeitskräfte oft nicht mit, was sie wirklich denken und fühlen. Personalverantwortliche können Migrantinnen und Migranten lehren, die Sache ins Zentrum zu rücken. Dies zum Beispiel, indem sie regelmässig anonyme Evaluationen durchführen.

Ceresa hat dies selbst in Deutschkursen ausprobiert. In Feedbackbögen liess sie sich als Lehrerin bewerten. «Am Anfang waren die Antworten extrem positiv, es wurde praktisch nur angekreuzt. Mit der Zeit wurden die Rückmeldungen differenzierter.» Evaluationen scheinen also tatsächlich ein gutes Mittel zu sein, um Äusserungen auf der Sachebene zu fördern.

Fragen stellen lohnt sich

Nicht nur ausländische Personen haben hier zu lernen, betont Ceresa. Schweizerinnen und Schweizer legen oft zu wenig Wert auf die Beziehungsebene. Viele Fremde sind frustriert, weil sie das Gefühl haben, in der Schweiz interessiere sich niemand für sie. Die Beziehungsebene kann man dadurch in den Vordergrund rücken, dass man den Angestellten Fragen stellt, indem man sich zum Beispiel danach erkundigt, welche Feste sie feiern oder welches Verhalten in ihrer Gemeinschaft auf keinen Fall toleriert wird.

Sich auch um diese Ebene der Kommunikation zu kümmern, empfiehlt sich aus mehreren Gründen: Migrantinnen und Migranten erhalten das Gefühl, verstanden zu werden, was das Arbeitsklima verbessert. Zudem haben viele ausländische Personen ein starkes Gemeinschaftsgefühl. Indem auf die Beziehung Wert gelegt wird, lässt sich dieses auch auf die Zugehörigkeit zu einem Betrieb ausdehnen. Und wird schliesslich mit Ausländerinnen und Ausländern mehr gesprochen, so lernen sie besser Deutsch, was die Zusammenarbeit grundsätzlich erleichtert. Es wird hier deutlich: Die Beziehungsebene ab und zu in den Vordergrund zu rücken, lohnt sich, dies wirkt sich auch auf die Sachebene positiv aus.

Personen anderer Kulturen: Tipps zum Umgang

- Möglichst viel Deutsch sprechen;

-Pausengespräche durch Fragen anregen;

- Aktivitäten ausserhalb der Arbeit anbieten, zum Beispiel Firmenausflüge;

- Weiterbildung fördern;

- im Gastbetrieb Länderwochen anbieten, in denen eine bestimmte Nation für das Kulinarische zuständig ist;

- Ausländerinnen und Ausländer verschiedener Nationen einstellen; arbeiten viele derselben Kultur im gleichen Betrieb, lernen sie schlechter Deutsch und es besteht die Gefahr, dass sie sich als Gruppe gegen andere abgrenzen.

- Überdenken, welche Kulturen man mischt (zum Beispiel nicht serbische und albanische).(tam)

Nachgefragt: William Roth

«Immer ruhig und sachlich bleiben»

Beim Verhalten mit Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern anderer Kulturkreise ist viel Umsicht gefragt. William Roth, Senior Consultant bei Sgier und Partner in Zürich, ist Relocation-Experte.

Welche Fehler im Umgang mit ausländischen Mitarbeitern passieren bereits vor dem ersten persönlichen Kontakt? Ihre Kenntnisse über hiesige Gepflogenheiten und Sitten werden überschätzt. Man geht davon aus, dass sie die Schweiz und ihre Art kennen. Das hat viel mit schlechter Vorbereitung und Abstimmung zu tun.

Welches ist der schlimmste Fehler, den Sie im Umgang mit Migranten immer wieder feststellen? Falsche Scheu. Man traut sich zu wenig, die «Neuen» falls nötig in die Schranken zu weisen.

Welche Grenzen sind den Migranten bei der Anpassung an hiesige Verhältnisse gesetzt? Eigentlich keine. Aber oft nehmen Schweizer an, die Migranten müssten von heute auf morgen halbe Schweizer sein und im Jass-Klub mitfiebern É

Wie setzt man sich bei Widerständen am elegantesten durch, wenn es sein muss? Da gibt es eigentlich nur einen Weg: Dialog; und wenn es sein muss Anschauungsunterricht. Um eine Integration vollziehen zu können, behelfe ich mich mit Migranten, die schon länger hier sind. Die garantieren die beste Überzeugungskraft. Meine Vorarbeit besteht immer darin, eine persönliche Freundschaft mit der Migrantin oder dem Migranten aufzubauen. So lässt sich ein Problem wesentlich einfacher besprechen und aus der Welt schaffen.

Wie reagiert man am besten in heiklen Fällen von Fehlverhalten? Beispielsweise wenn Frauen diskriminiert oder Rechtsvorschriften missachtet werden? In dem man gezielt und mit Nachdruck auf die «Ausschweifung» hinweist. Dabei sollte man aber stets ruhig und sachlich bleiben. Es gibt Gesetze, Gebote, Verbote und Tabu-Themen. Die müssen beachtet werden.

Interview: Eckhard Baschek