Management ist ganz einfach: «Konzentrieren Sie sich auf ein oder zwei Dinge, die wirklich wichtig sind», sagt Peter Drucker, «drei Dinge auf einmal sind schon zu viel.»

Drucker muss es wissen: Er beobachtet seit 70 Jahren Führungskräfte in aller Welt und sein Urteil über die heutige Manager-Generation fällt nicht immer nur positiv aus. Die meisten seien Briefträger, überbrächten nur Botschaften an ihre Mitarbeiter und trieben sich mehr auf Flugplätzen herum als irgendwo sonst. «Da frage ich mich: Wann arbeiten die denn?»

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Weisheit des Alters verhilft Drucker zu Einsichten dieser Art. Der Mann ist der am längsten amtierende Management-Guru. Am 19. November feiert er seinen 95. Geburtstag. Bis heute hat er nicht nachgelassen, der Welt zu erklären, wie gutes Management funktioniert.

Er ist Autor von über 30 Büchern, hält nach wie vor Vorträge und publiziert etwa in der «Harvard Business Review», dem Zentralorgan der Management-Denker, die Englisch sprechen.

Nummer eins der Hitlisten

Auf den einschlägigen Hitlisten steht der Management-Experte meist auf Platz eins, weit vor seinen Konkurrenten, die alle seine Söhne oder Enkel sein könnten. Zwei Beispiele: Die New-Economy-Zeitschrift «Business 2.0» stellte eine Rangliste der Gurus auf. Peter Drucker bekam als Einziger fünf-Sterne-Status. Verfolger Michael Porter, der Strategie-Experte, musste sich mit vier Sternen begnügen und Tom Peters, der Autor des weltbekannten Buches «In Search of Excellence», bekam drei Sterne. Ähnlich ging die Bewertung bei der «Harvard Business Review» aus. Sie fragte in der Szene nach, wer die Vorbilder unter den Management-Denkern seien. Peter Drucker kommt auch hier auf Platz eins.

«Er ist der Leitwolf», bekundet der «Economist» voller Respekt über die Lebensleistung des Jubilars und setzt ironisierend nach: Er geniesst einen Einfluss, für den andere Gurus morden würden. Denn Peter Drucker wusste schon immer, was das Management Jahre später bewegen wird: Er sagte den Siegeszug des Computers richtig voraus.

Ein Universalgelehrter

Schon im lange zurück liegenden Zeitalter der Fliessband-Produktion erkannte er, dass Wissensarbeiter eine immer wichtigere Stellung im Unternehmen haben werden. Überdies ist er Erfinder des Modells «Management by Objectives», der Führung per Zielvorgabe, die heute in fast allen Unternehmen der westlichen Welt praktiziert wird.

Wie kommt dieser überragende Einfluss zustande? «Peter Drucker ist einer der letzten Universalgelehrten», sagt Hermann Simon, Chairman von Simon-Kucher, einer Unternehmensberatung mit Sitz in Zürich und Bonn.

Der Vater aller Management-Gurus hat einen weiten Blick. Anders als seine geistigen Nachkommen interessiert er sich nicht nur für die Firma, sondern auch für die Welt drumherum. «Er arbeitet interdisziplinär», beschreibt Peter Paschek von Delta Management Consultants, Berlin, seine Vorgehensweise: Politik, Unternehmen, Gesellschaft das ist der breite Korridor, in dem sich der Jubilar seit Jahrzehnten bewegt.

Eines von Druckers Geheimnissen ist seine ausserordentliche Produktivität. Urlaub und Feierabend spielten für ihn über die Jahre kaum eine Rolle: «Ich kenne nichts ausser Arbeit. Seit meinem 20. Geburtstag bin ich ein Workaholic», bekannte er vor fünf Jahren in einem Interview mit einem österreichischen Journalisten.

Diese Leistung brachte dem Denker und Hochschullehrer eine ausserordentliche Ernte ein. Im Schnitt alle zwei Jahre schrieb er ein neues Buch, beriet Unternehmen und hielt unzählige Vorträge. Zwar sagte Drucker schon vor einigen Jahren: «Ich reise eigentlich nicht mehr.» Dennoch referiert er per Video, lässt er sich zu Kongressen und Konferenzen zuschalten.

Der Zeit voraus

Seine neuen Ideen sind die Aufmerksamkeit wert. Vor zwei Jahren etwa entwickelte er das Konzept der Co-Employership. Kern seines Gedankens: «Unternehmen wollen in Zukunft Menschen, ohne sich um die Arbeitsbeziehung zu kümmern.» Die Personalabteilung im Unternehmen der Zukunft wird an einen Co-Employer ausgelagert. Dieser übernimmt Rekrutierung, Einstellung, Verwaltung und Entlassung der Mitarbeiter.

Wie immer hat Drucker sich vorher umgeschaut, um seine These zu stützen: Er stellte fest, dass die neue Industrie der Co-Employer überall wächst. Adecco, das Zeitarbeitsunternehmen, ist der grösste Arbeitgeber der Welt. Personal-Outsourcing-Anbieter wie EDS profitieren ebenfalls von dem weltweit anhaltenden Trend, die Arbeitsbeziehung auszulagern.

Auch ein anderes Thema sah Drucker früher als andere. «Das grösste Problem der entwickelten Welt wird nicht die Über-, sondern die Unterbevölkerung», sagte er schon in den 80er Jahren. Die Folge: Karrieren der vielen alten und gesunden Menschen werden bis zum Alter von 70 oder 75 Jahren gehen, weil in der westlichen Welt der Nachwuchs knapp wird.

Dass Drucker seine Thesen nicht formuliert, um zu gefallen, zeigen seine Äusserungen zur Teamarbeit. «Grosse Leistungen werden immer von Einzelpersonen erbracht, nie von Teams», sagte er, als das Gerede von Teams noch schick war. Drucker opponiert: «Teamarbeit nimmt nur noch in der Rhetorik der Manager zu.» An den Führungsspitzen werde Innovation und Wachstum nicht von Teams vorangetrieben, heisst es: «Hier herrscht extreme Nicht-Teamarbeit», sagte der Management-Denker. Auch diese Einsicht ist inzwischen Allgemeingut. Ein Beispiel unter vielen: Josef Ackermann, der Chef der Deutschen Bank, schaffte das Kollegialprinzip im Vorstand ab.

Für die überragende Einzelleistung steht auch Peter Drucker. Er hat nie im Team gearbeitet, sich in keiner Hierarchie wohl gefühlt. Diese Eigenschaft entdeckte er schon früh an sich selbst: «Ich bin als Bystander geboren», stellt er schon in seinen Jugendjahren fest: Seine Rolle ist die des Beobachters, der nicht Teil des Ganzen wird. Danach hat sich Drucker ein Leben lang gerichtet.



Literatur von und über Peter Drucker: Drucker gedruckt - eine Auswahl

- Adventures of a Bystander, eine Fülle spannender autobiographischer Notizen Peter Druckers , 344 Seiten, Wiley-Verlag, 27,95 Dollar; die deutsche Übersetzung mit den Titeln «Schlüsseljahre» oder «Zaungast der Zeit» ist nur noch antiquarisch erhältlich.

- The Daily Drucker, HarperCollins Publishers, Scranton 2004, 34.70 Fr., gebunden, noch nicht erschienen

- Kardinaltugenden effektiver Führung, verlag moderne industrie AG, Landsberg 2004, 39.90 Fr., gebunden.

- Was ist Management?, Econ-Verlag GmbH, München, 2004, 65 Fr., gebunden.

- Management im 21. Jahrhundert, Econ-Verlag GmbH, München, 2003, 53 Fr, gebunden.

- On the Profession of Management, McGraw-Hill International Book, New York, 2003, 32 Fr., kartoniert/paperback.

- Peter Drucker - Shaping the Managerial Mind von John E. Flaherty, Jossey Bass, Inc.Publishers, San Francisco, 1999, 46 Fr., gebunden.

- Innovation and Entrepreneurship, Butterworth-Heineman, Oxford, 2002, 31.90 Fr., kartoniert/paperback.

- The Essential Drucker, Butterworth-Heineman, Oxford, 2001, 53.50 Fr., gebunden.

- Die Kunst des Managements, Econ-Verlag GmbH, München, 2000, 37 Fr., gebunden.

- Management Tasks, Butterworth-Heineman, Oxford, 1999, 30.90 Fr., kartoniert/paperback.

- The Practice of Management, Butterworth-Heineman, Oxford, 1999, 44.10 Fr., kartoniert/paperback.

- The World According to Peter Drucker von Jack Beatty, Simon & Schuster, Inc., New York, 1998, 47.70 Fr, gebunden.

Direkt über die «HandelsZeitung» bestellen: Fax 01/288 35 77 oder: buecher@handelszeitung.ch



Zur Person: Von Wien über Hamburg in die USA

Peter Drucker kommt 1909 im Wien der Kaiserzeit zur Welt. Er ist Sohn einer grossbürgerlichen Beamtenfamilie. Sein Elternhaus pflegt ein intellektuell reiches Leben die Geistesgrössen der k.u.k. Monarchie gehen bei Druckers ein und aus.

So kommt er in Verbindung mit Ludwig von Mises, Friedrich von Hayek und Sigmund Freud, die später alle zu Weltruhm gelangen. Dennoch ist ihm die Welt Österreichs zu eng. Drucker wandert nach der Matura nach Hamburg aus, macht eine Lehre als Exportkaufmann, fängt wegen der Langweile im Beruf ein Jurastudium an, das er mit der Promotion abschliesst.

Als Auslands-Redakteur des «Frankfurter General-Anzeiger» erlebt er den Aufstieg der Nazis, weshalb er 1933 nach England geht. Dort arbeitet er bis zu seiner Emigration in die USA im Jahr 1937. In Amerika beginnt seine Laufbahn als Management-Denker.

Drucker publiziert, forscht bei General Motors und ist 20 Jahre Professor an der New York University, bevor er 1972 nach Kalifornien an die Claremont University wechselt, deren Business School mittlerweile seinen Namen trägt. Hier lehrt er bis heute. Drucker ist verheiratet und hat vier Kinder und sechs Enkel.