Es ist kein leichter Job, den Peter Fischer da im Mai dieses Jahres angetreten hat. Er will der Visana-Krankenkasse das zurückgeben, was sie in den letzten zehn Jahren verloren hat: Die Hälfte ihrer Versicherten. Aber dass er das schaffen wird, daran lässt er keinen Zweifel. «Ich bin der grösste Fan der Visana», sagt er, «da ist unglaublich viel Energie im Hause, und meine Aufgabe ist es nun, diese Energie zu bündeln.»

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Was herauskommen kann, wenn einer das schafft, die Energien auf ein Ziel hin zu konzentrieren, das sieht er beim FC Thun: «Unwahrscheinlich, was die geschafft haben, Champions League, aber es ist möglich!» Die Vorgaben, die er bei Visana angetroffen hat, sind denn auch ähnlich wie beim Provinzklub FC Thun: Wer aus den Niederungen nach oben ausbrechen will, muss Vollgas geben.

«Zuerst gilt es, das alte Image abzustreifen, wir seien zu teuer, und es gilt, die Barriere im Kopf abzubauen, ein Wachstum sei unmöglich.» Die Voraussetzungen für den Wiederaufstieg sind gesetzt. Mit «Vivacare» und «Sana 24» hat Visana zwei neue Kassen gegründet, mit denen sie ein unkompliziertes junges Publikum anspricht. «Viele Junge», sagt er, «brauchen keine Niederlassung vor Ort, sie kommunizieren per Mail oder SMS. Das vereinfacht uns die Verwaltung, und wir können ihnen eine günstigere Alternative anbieten.»

Dass das funktioniert, hat er bei der Konkurrenz Helsana erlebt, bei der er die letzten 15 Jahre mitbestimmt hat. Dass er die Visana ebenfalls zum Erfolg führen wird, kann man sich gut vorstellen.

Verlässlicher Partner

Peter Fischer macht nicht jenen Eindruck, den Top-Manager normalerweise so gern von sich geben: Tiefe Stimme, kernige Sätze, Autorität aufgrund ihrer Stellung, Distanz durch Overdressing.

Sein Büro ist schlicht, bestückt mit ähnlichem Mobiliar wie bei den andern im Hause, an der Wand hängt eine Fotografie der erfolgreichen Werbekampagne der Visana: Ein Junge, der mit einem Golfschläger einen Ball aus dem Fluss zu fischen sucht, hinter ihm ein bulliger Hund, der ihn mit seinen Zähnen am Kittel festhält, damit er nicht ins Wasser fällt, daneben der Spruch: «Jeder braucht seinen verlässlichen Partner.» Peter Fischer macht den Eindruck, ein verlässlicher Partner zu sein.

Geboren und aufgewachsen in Brunnen bei Schwyz, zwischendurch als Securitas etwas dazu-verdienend, studierte er die Juristerei an der Uni Freiburg, arbeitete später als wissenschaftlicher Mit-arbeiter auf dem Generalsekretariat der CVP Schweiz unter dem damaligen Parteipräsidenten Flavio Cotti.

Noch heute beschäftigt ihn die politische Komponente seiner Tätigkeit, indem er etwa als Mitglied des Verwaltungsrates von Santésuisse, dem Dachverband der Krankenkassen, die politischen Rahmenbedingungen zu beeinflussen sucht.

Die Explosion der Gesundheitskosten beunruhigt ihn. Aber: «Wir geben heute rund 10% für das Gesundheitswesen aus, das ist immer noch viel weniger als fürs Autofahren.» Sparpotenzial sieht er bei der Aufhebung des Vertragszwanges zwischen Ärzten und Kassen sowie bei der Spitalfinanzierung. Mehr als die Politik fasziniert ihn allerdings sein Unternehmen.

Kampf um die Balance

«Es macht Spass, in einer Boom-Branche zu arbeiten», sagt er. «Der Konkurrenzdruck ist zwar hart, und es herrscht ein Verdrängungskampf, aber den nehme ich gerne auf.» Es gilt, betriebswirtschaftlich schlank zu sein und die Kunden vom eigenen Produkt zu überzeugen.

Dafür arbeitet er hart. Morgens um 6.30 Uhr ist er schon im Büro, meist einer der Ersten, und abends wird es oft spät. Auf seine Balance zwischen Arbeit und Freizeit angesprochen, meint er: «Ein gewisser Aufwand ist nötig, wenn man den Beruf ernst nimmt, man muss das Gewicht dabei ein wenig übermässig auf die Arbeit legen, und das braucht das Verständnis der Frau. Das bekomme ich, sonst würde es schwierig.» Kinder hat er keine.

Damit die Arbeit nicht ungesund überhand nimmt, schafft er sich bewusst Freiräume. «Die Wochenenden lasse ich mir offen. Ich empfinde es als Luxus, zusammen mit meiner Frau kurzfristig zu entscheiden, was wir tun möchten.» Einmal im Jahr unternehmen die beiden eine Reise. Ohne Programm, ohne Reservation, für ihn ein Restabenteuer.

Eine kleine Freiheit nimmt er sich allerdings auch unter der Woche. Wenn er unterwegs ist im Land, zu den Aussenstellen und Niederlassungen, hört er sich im Wagen gerne Literatur an. «Ich leiste mir ein etwas reiferes Nachlesen der Literatur aus der Zeit des Gymnasiums.» «Effi Briest» von Theodor Fontane hat er sich eben angehört, momentan liegen die «Buddenbrooks» von Thomas Mann im CD-Player. «Wenn der Sprecher ein Profi ist, ist das ein Genuss.»

Ach ja, und wenn es der Terminkalender zulässt, dann besucht er hie und da gerne einen Fussball-Match, noch lieber ein Eishockey-Spiel. «Die sind schneller, aggressiver, emotionsgeladener. Und körperbetonter. Zum Glück sind die meisten Spieler des SCB nicht bei uns versichert.»

Das, was einer macht, das soll er richtig machen. Die Woche über gehört Peter Fischer der Arbeit. «Ich will nicht in das Scharnier kommen zwischen dem, was ich möchte, und dem, was ich müsste. Das ergibt Stress.»

Also konzentriert er sich auf seinen Job. Dass er mit seiner Arbeit Karriere machen wollte, das war ihm immer klar. «Ich wollte mitbestimmen», sagt er. «Im Verlauf der Jahre lernt man immer mehr, und es entsteht der Wunsch, seine Ideen umzusetzen.»

Seinen Karriereschritt zum Vorsitzenden der Direktion bei Visana sieht Fischer als Chance, seine Vorstellung vom radikal kundenorientierten Unternehmen zu verwirklichen. «Man will beweisen, dass man mit seinen Ideen einen Mehrwert generiert, und das geht nur, wenn man Karriere macht.» Karriere gründet auch auf Leistung, und zur Leistung bekennt er sich. Er verlangt sie auch von seinen 1440 Mitarbeitern. Allerdings muss das innerhalb gewisser Regeln geschehen. «Diese sollen fair sein», sagt er, «ich will keine unsauberen Mittel tolerieren. Die Leistung soll sich messen lassen, und die Mitarbeitenden sollen Kritik akzeptieren können.»

Letzteres hat er von den Jungen gelernt: «Unsere jungen Mitarbeiter wollen keine Wischiwaschi-Beurteilung, sie wollen wissen, was gut und was schlecht war, sie wollen eine klare, individuelle Beurteilung.»

Drei-Punkte-Philosophie

Seine Führungsphilosophie hat Peter Fischer aus diesen Erkenntnissen abgeleitet. «Es gibt drei wesentliche Punkte, die unser Geschäft ausmachen», sagt er. «Der Kunde will Antwort auf Fragen zu seiner Versicherung, der Kunde will die Rückerstattung für die eingereichten Rechnungen, und wir wollen neue Kunden.» Diese drei Grundsätze sollen jede Aktivität prägen. Das bedeutet, dass alles am Erfolg gemessen wird, dass die Infrastruktur schlank bleiben muss und dass die Mitarbeiter Risiken und Verantwortung selber übernehmen.

Das erinnert an eine Hockey-Mannschaft: aggressiv, dynamisch, körperbetont. Wird Fischer ähnliches schaffen, wie der Fussballaufsteiger FC Thun? Wo ist Fischer in zehn Jahren? «Immer noch hier. Wenn einer etwas anfängt, dann soll er sich innerlich dazu verpflichten und dazu stehen.» Und wo ist die Visana in zehn Jahren? «Die Mitgliederzahl ist verdoppelt und wir sind in der Region klar die Nummer eins.» Fischer will in die Champions League.



Alles wird am Erfolg gemessen: Steckbrief

Name: Peter Fischer

Funktion: Dir.-Vorsitzender Visana

Geburtsdatum: 20. Juni 1958

Wohnort: Burgdorf

Hobbys: Walken, Eishockey (passiv), Reisen, Lesen

Transportmittel: Mercedes E 220 CDI

Karriere

1986 Mitglied der Geschäftsleitung KPT, Bern

1988 Jur. Sekretär Concordia, Luzern

1990 Artisana, ab 95 Gesamtleitung

1997 Fusion zu Helsana, stv. Vorsitzender der Konzernleitung

2005 Dir.-Vorsitz Visana, Bern

Firma

Die Visana ist die fünftgrösste Schweizer Krankenversicherung. An ihrem Hauptsitz in Bern, in ihren 23 hauptamtlichen und 245 nebenamtlichen Geschäftsstellen und den 12 Leistungszentren beschäftigt sie insgesamt 1440 Mitarbeitende. Sie betreut heute rund 770000 Versicherte. Neben dem Heilungskostengeschäft bietet Visana auch Krankentaggeldversicherungen und die Unfallversicherung für Firmen an. Der Umsatz im Jahr 2004 belief sich auf rund 2 Mrd Fr. und brachte einen Gewinn von 22,5 Mio Fr. Die Bilanzsumme belief sich 2004 auf 2,37 Mrd Fr.