Diabetes ist eine chronische und kostenintensive Epidemie geworden. Laut der internationalen Diabetesvereinigung sind momentan weltweit 246 Mio Menschen von der Stoffwechselkrankheit betroffen – bis ins Jahr 2025 soll sich diese Zahl auf 380 Mio erhöhen. Die Vereinten Nationen fassten deshalb Ende 2006 den Beschluss, ab 2007 jeweils am 14. November einen weltweiten Uno-Diabetestag durchzuführen, um auf die Krankheit und ihre Probleme aufmerksam zu machen.

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35 Milliarden Dollar bis 2012

Schon früher auf die Krankheit aufmerksam geworden sind dagegen die Pharmaunternehmen. Dies überrascht nicht: Gemäss den Berechnungen der Investmentbank Morgan Stanley könnte Diabetes in den Jahren 2007 bis 2010 die am schnellsten wachsende Kategorie des gesamten Pharmamarktes werden. Im Jahre 2005 betrug der Diabetesmarkt weltweit 17 Mrd Dollar und dürfte laut den Pharmaanalysten von Morgan Stanley bis in fünf Jahren auf rund 35 Mrd Dollar anschwellen.

Dabei schneiden sich auch verschiedene Schweizer Unternehmen an diesem Kuchen ihre Stücke ab. Darunter ist beispielsweise die Firma Ypsomed von Verwaltungsratspräsident und Mehrheitsaktionär Willy Michel. Das Unternehmen mit Sitz in Burgdorf BE stellt Injektionssysteme (Pens) für die Selbstverabreichung von flüssigen Medikamenten her.

Darunter sind vor allem Pens für die Injektion von Insulin für Diabetiker. «Natürlich arbeiten viele Unternehmen an anderen Darreichungsformen», sagt Ypsomed-CEO Richard Fritschi. «Allerdings sehen wir für die nächsten Jahrzehnte keine echte Alternative zum Insulin, welches injiziert werden muss.» So stoppte der weltweit grösste Pharmakonzern Pfizer erst vor kurzem die Produktion seines inhalierbaren Insulins Exubera. Das Produkt wurde von Ärzten und Patienten zu wenig nachgefragt. Ypsomed arbeitet zurzeit an einem Langzeitinjektor, der Ende 2009 eingeführt werden soll und laut Fritschi in Zukunft ein «wesentlicher Umsatzpfeiler» der Firma werden soll.

Roche mit neuen Produkten?

Bis 2003 verfügte Willy Michel noch über ein zweites geschäftliches Diabetesstandbein. Dann verkaufte er sein Unternehmen Disetronic an den Basler Pharmakonzern Roche. Roche wollte damit die Diabetesgeschäfte seiner Diagnostik-Division verstärken. Das Unternehmen stellt heute mit 6000 Mitarbeitern unter dem Label «Accu-Chek» Blutzuckermesssysteme und Insulinpumpen her.

Ziel ist es, in Zukunft auch eine automatisierte Bauchspeicheldrüse anbieten zu können. Damit richten sich die Basler vor allem an die 10% der Diabetiker, die am angeborenen 1. Typ der Krankheit leiden. Nun will Roche aber auch in das Geschäft mit Diabetesmedikamenten einsteigen und so das Segment der Diabetiker des 2. Typs abdecken (siehe «Nachgefragt»).

Die US-Probleme von Novartis

Wegen der Zunahme von Übergewicht und Bewegungsmangel steigt die Zahl der Diabetiker laufend an – vor allem bei Jugendlichen. Ihr körpereigenes Insulin verliert an Wirkung, der Blutzuckerspiegel bleibt erhöht.

Eigentlich möchte auch der Basler Pharmakonzern Novartis von dieser wachsenden Kundschaft profitieren. Sein potenzieller Blockbuster Galvus hat in der Europäischen Union auch die grundsätzliche Zustimmung der Gesundheitsbehörden erhalten. In den USA erweist sich die Zulassung aber als schwierig; die Behörden verlangen weitere Studien.

Anstatt 2007 kommt Galvus in den USA wohl erst 2009 oder 2010 auf den Markt. Dieser Rückschlag ist besonders bitter, weil Novartis mit Galvus auf bestem Weg war, eine neue Klasse von Medikamenten gegen den 2. Diabetestyp auf den Markt zu bringen.

Im Oktober 2006 gelang dies dem US-Pharmakonzern MSD mit dem Galvus-Konkurrenzprodukt Januvia. Das Mittel wurde seither weltweit mehr als 2 Mio Mal verschrieben. «Das Umsatzpotenzial ist entsprechend hoch», sagt MSD- Schweiz-Chef Hanspeter Quodt. «Über die Bewilligungsverfahren von Galvus können wir uns nicht äussern», ergänzt er bezüglich der Konkurrenz durch Novartis.

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NACHGEFRAGT Burkhard Piper, Chef Roche Diabetes Care: «Möchten primär organisch wachsen»

Beim Portfolio der Blutzuckermessgeräte von Roche sehen Sie noch Verbesserungsmöglichkeiten. Wo besteht besonderer Nachholbedarf?

Burkhard Piper: Es geht vor allem darum, dass die Geräte noch kleiner und handlicher werden. Die Systeme sollen den Patienten ausserdem noch mehr Therapieempfehlungen und Anweisungen geben können. Ausserdem können wir von Herstellern elektronischer Konsumgüter lernen.

Dafür sind Sie auf externe Hilfe angewiesen. Werden Sie diese zukaufen?

Piper: Wir möchten primär organisch wachsen. Im Einzelfall denken wir aber auch an Kooperationen. Für das Design der Pumpen und Messgeräte beispielsweise arbeiten wir bereits mit entsprechenden Ateliers und Marktforschungsinstituten zusammen. Und auch bei der Produktion gewisser Komponenten setzen wir bereits auf Kooperationen.

Roche arbeitet auch an Medikamenten gegen Diabetes, beispielsweise dem Produktkandidaten R1658. Wie gross ist die Chance, dass dieser tatsächlich den Zuschlag für die entscheidenden Phase-3-Studien erhält?

Piper: Der entsprechende «Go-or-No-Go»-Entscheid für R1658 soll noch in diesem Jahr fallen. Meine Kollegen von der Pharma-Division sind zuversichtlich, dass die Ergebnisse der aktuellen, zweiten Studienphase positiv ausfallen.

Falls alles gut verläuft: Wann könnte der erste dieser insgesamt drei Diabetes-Produktkandidaten von Roche auf dem Markt sein?

Piper: Im Idealfall können wir das erste Produkt 2010 bei den Behörden zur Zulassung einreichen.

In den USA wären Sie damit unter Umständen noch vor Konkurrentin Novartis und dessen Diabetes-Blockbusterkandidat Galvus auf dem Markt.

Piper: Über die Aktivitäten unserer Mitbewerber möchte ich mich nicht äussern.

2003 erwarb Ihr Konzern das Burgdorfer Unternehmen Disetronic. Dies brachte dem Diabetes-Geschäft von Roche einen wichtigen Wachstumsschub. Würden Sie Disetronic heute immer noch kaufen?

Piper: Auf jeden Fall. Disetronic als «Center of Excellence» im Bereich der Insulin-Pumpen passt hervorragend in unsere Strategie, den gesamten Behandlungszyklus von Diabetes-patienten abdecken zu können. Aber weshalb fragen Sie?

Weil Ihnen Disetronic auch viel Ärger einbrachte – etwa ein Importverbot in den USA, Rückrufaktionen und Sammelklagen.

Piper: Erstens ist der Importstopp durch die US-Berhörden seit einem Jahr wieder vollständig aufgehoben. Und zweitens werden Führungskräfte nicht dafür bezahlt, damit alles gut läuft, sondern damit sie Probleme lösen.

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Fakten

Krankheit

Diabetes ist eine chronische Stoffwechselerkrankung. Sie wird durch einen erhöhten Blutzuckerspiegel hervorgerufen.

Ursache

Schuld daran ist das Hormon Insulin. Es wandelt den mit der Nahrung aufgenommenen Zucker in Energie um und lässt den Zuckerspiegel absinken. Bei Diabetikern ist das Insulin nicht vorhanden oder wenig wirksam. Der Zuckerspiegel bleibt erhöht.

Folgen

Die Betroffenen fühlen sich hungrig und müde. Herzerkrankungen, Nierenversagen oder Erblindung sind möglich.

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Schweizer Player

Roche

Der Basler Pharmakonzern erzielte 2006 mit 75000 Mitarbeitern einen Umsatz von 42 Mrd Fr.

Produkte

Über 30% der Verkäufe der Roche-Division Diagnostics entfallen auf das Geschäft mit Diabetes (Pumpen, Messgeräte). 2006 erzielte die Diagnostics-Division einen Umsatz von 8,3 Mrd Fr.

Novartis Der ebenfalls in Basel ansässige Pharmakonzern erzielte 2006 mit 100000 Mitarbeitern einen Umsatz von 37 Mrd Dollar.

Produkte

2007 wollte Novartis mit Galvus ein neues Diabetesmittel lancieren. Momentan ist unklar, wann der potenzielle Blockbuster auf den Markt kommt.Ypsomed erzielte im Geschäftsjahr 2006/2007 mit über 1200 Mitarbeitern einen Umsatz von rund 278 Mio Fr.

Produkte

Ypsomed stellt Injektionssysteme (Pens) für die Selbstverabreichung von Insulin her. Ende 2009 soll ein Langzeitinjektor lanciert werden.