Ob Gesundheit, Bildung, Umwelt oder Forschung und Entwicklung: Private Philanthropie hat Konjunktur. Immer mehr Reiche stellen bedeutende Teile ihres Vermögens für gemeinnützige Zwecke zur Verfügung. Gemäss Daten der OECD vom Oktober flossen zwischen 2013 und 2015 weltweit 23,4 Milliarden Dollar allein in die Entwicklungszusammenarbeit. Das entspricht knapp einem Drittel des Schweizer Bundeshaushalts. Die Angaben basieren auf Daten von 130 gemeinnützigen Stiftungen.

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Die grössten Stiftungen sind in den USA zu Hause – allen voran die Bill & Melinda Gates Foundation, die mit 11,6 Milliarden Dollar für fast die Hälfte aller Auszahlungen zwischen 2013 und 2015 verantwortlich war. Doch auch Kanada, Grossbritannien, die Niederlande und die Schweiz sind wichtige Stiftungsstandorte. Der Schweizer Stiftungsbericht führt per Ende 2016 13 172 gemeinnützige Stiftungen auf, gegenüber 13 075 im Vorjahr. Mit 15,8 Stiftungen pro 10 000 Einwohner hat die Schweiz damit eine der höchsten Stiftungsdichten Europas. Vergleichbar ist nur Schweden (14,1). Ein Sonderfall ist Liechtenstein mit 331,3 Stiftungen pro 10 000 Einwohner. Zu den bedeutendsten Schweizer Stiftungen zählen die Jacobs Foundation, die C&A Foundation, die Oak Foundation oder die Fondation Sandoz.

An Bedeutung gewinnt auch das Social Business, eine Mischform von Gemeinnützigkeit und kommerzieller Tätigkeit, die sich eng am Unternehmenszweck orientiert. Ziel ist es, gesellschaftliche Probleme mit unternehmerischen Mitteln zu lösen und Abhängigkeiten, wie sie beim Spenden entstehen, zu vermeiden. Besonders verbreitet ist Social Business in der Nahrungsmittel-, der Agro- und in der Pharmaindustrie, aber auch in der Finanzindustrie. Wir haben die Projekte von zehn Philanthropen unter die Lupe genommen - hier unser Fazit. 

Van Narasihmhan, künftiger CEO Novartis

Vas Narasimhan, künftiger CEO Novartis

Quelle: Keystone
Novartis: Zwei Fliegen auf einen Schlag

Die Verbesserung des Zugangs zu Gesundheitsdienstleistungen in Entwicklungsländern haben sich alle grossen Pharmafirmen auf die Fahne geschrieben. Das ist auch bei Novartis nicht anders, «access» gehört zu den Steckenpferden des gelernten Arztes und künftigen Konzernchefs Vas Narasimhan. Dabei geht es nicht um Philanthropie im engeren Sinne, sondern um soziale Projekte, die sich eng am Unternehmenszweck orientieren. Zu den Engagements von Novartis gehört SMS for Life, ein Projekt zur Verbesserung der in ländlichen Gebieten oft defizitären Vertriebskanäle in Entwicklungsländern. SMS for Life kommt 2009 erstmals in Tansania zum Einsatz, um Lagerleerstände bei Malaria-Medikamenten zu beheben. Seither wurde es in mehr als 10 000 Einrichtungen des öffentlichenGesundheitswesens in Kenia, Ghana, der Demokratischen Republik Kongo und Kamerun ausgerollt und auf andere Medikamente ausgedehnt. Die Lösung basiert auf einfachen und günstigen Technologien wie Handys und Tablets.

Fazit: Erfolgreich

Sergio Ermotti, UBS-Konzernchef

Sergio Ermotti, UBS-Konzernchef

Quelle: Keystone
Sergio Ermotti: Eine noble Geste

Kurz nach seiner Wahl zum Chef der UBS im 2011 zeigte sich der gebürtige Tessiner Sergio Ermotti besonders spendabel. Schliesslich feierte seine Bank ihr 150-jähriges Bestehen. Mit 100 Millionen Franken lancierte die Grossbank ein neues Forschungszentrum, dessen Leitung Verhaltensökonom Ernst Fehr übernahm. Anfangs gingen Studenten und zwei Dutzend Professoren auf die Barrikaden, weil sie die Forschungsfreiheit bedroht sahen. Die Wochenzeitung «Die Zeit» titelte: «Die gekaufte Uni». Ein Fehlurteil.

Heute gehört das UBS International Center of Economics in Society – kurz UBS Center – zu den renommiertesten Forschungszentren weltweit. Das «Handelsblatt» kürte die Uni Zürich eben zum besten Forschungsplatz für Volkswirte, dank Fehr und seiner Forschertruppe. «Viele Stars wechselten hierhin – nicht zuletzt wegen der vielen Freiheiten», schrieb die Wirtschaftszeitung. Im wissenschaftlichen Beirat des UBS Centers ist die weltweite Elite versammelt: Unter den 21 Ökonomieprofessoren sind fünf Nobelpreisträger: Robert Shiller, Thomas Sargent, Daniel Kahneman, James Heckman, Oliver Hart. Präsidiert wird das UBS Center von Kaspar Villiger, ehemaliger Bundesrat und VR-Präsident der Grossbank. Das jüngste Forschungspapier beschäftigt sich mit der Einkommens- und Vermögensverteilung der Schweiz.

Fazit: Erfolgreich

Hansjörg Wyss, Synthes-Gründer

Hansjörg Wyss, Synthes-Gründer

Quelle: Keystone
Hansjörg Wyss: Philanthropie à l'américaine

Die «Bilanz» hat ihn einmal das Phantom genannt. Hansjörg Wyss ist, obwohl einer der erfolgreichsten Unternehmer der Schweiz, hierzulande kaum greifbar. Seine philanthropische Geste ist die seiner Wahlheimat, der USA. Wyss hat die «giving pledge» von Bill Gates und Warren Buffett unterzeichnet, das Versprechen, mindestens die Hälfte des Vermögens für gemeinnützige Zwecke zu verwenden. Gemäss «Bilanz» schrumpfte sein Vermögen deswegen im vergangenen Jahr um 6 Milliarden Franken.

In der Schweiz verdankt ihm Wyss Zurich seine Existenz, ein Zentrum von ETH und Universität, das sich an der Schnittstelle von Medizin und Technik bewegt – derjenigen, die den Synthes-Gründer und späteren J&J-Aktionär selbst reich gemacht hat. Zweieinhalb Jahre nach der Gründung ist das Zentrum voll operativ und spuckt auch schon die ersten Erfolgsmeldungen aus. Alle neun Projekte sind auf gutem Weg, vier werden noch in diesem Jahr in die klinische Phase treten, der letzten Hürde vor der kommerziellen Vermarktung. Ein Projektteam hat sich vorgenommen, das Dogma zu widerlegen, dass sich Nervenzellen nicht regenerieren und Heilung für Querschnittsgelähmte nicht möglich sei.

Fazit: Erfolgreich

Thomas Matter, Bankeigentümer

Thomas Matter, Bankeigentümer

Quelle: Keystone
Thomas Matter, Hilfe für Kinder

Von staatlicher Entwicklungshilfe hält Thomas Matter, Banker und SVPNationalrat, wenig bis nichts. Viel lieber setzt er auf Eigeninitiative, auch auf seine. Er und seine Frau Marion finanzieren über die Sissacher Stiftung El Refugio das Kinderheim El Refugio in Ticamaya in Honduras. Gegründet wurde El Refugio von Matters Mutter vor bald 25 Jahren.

Das Jahresbudget des Heims in Zentralamerika beträgt 300'000 Franken und wird über die Stiftung durchfinanziert. Kosten für Administratives fallen nicht an, weil alle Beteiligten in der Schweiz Fronarbeit leisten. Das Geld soll vollumfänglich den achtzig Kindern zugutekommen. Sie werden dem Heim oft vom Sozialdienst oder von der Justiz zugeteilt; es sind Waisenkinder, Slum- oder Strassenkinder, die sich mit Kleinkriminalität über Wasser halten. Ihnen bietet El Refugio neben Kost und Logis auch Schulunterricht und eine Lehrlingsausbildung. Ziel der Philanthropen in der Schweiz ist die Selbstständigkeit der Jugendlichen in einem Kleinstaat, der von Armut und Gewalt zerfressen ist.

Fazit: Erfolgreich

Ingvar Kamprad, Ikea-Gründer

Ingvar Kamprad, Ikea-Gründer

Quelle: Keystone
Ikea: Feuer im Zeltdach

Der Preis: 1000 Euro, 100 Kilogramm schwer, verteilt auf zwei Pakete und im Nu zusammengebaut: Ein Beschreib wie bei Billy, dem Dauerbrenner von Ikea, doch diesmal ging es um Flüchtlingsunterkünfte. Mit dem Projekt Better Shelter knüpft die Ikea Foundation, eine der grössten Stiftungen der Welt, an das an, was die Schweden am besten können: Möbel für alle bauen. 2013 gibt das UNHCR den Startschuss für das Projekt. Bald schon kommen die Zelte in Griechenland, Äthiopien, Syrien und in Irak zum Einsatz. Nur in der Schweiz klappt es nicht. Die Stadt Zürich krebst zurück, nachdem das Zelt beim Brandtest durchgefallen war. Ein Kissenbrand hatte in wenigen Minuten zum Vollbrand geführt – wohl, weil Sauerstoff in die Zeltplanen eingearbeitet war. International aber eilt die Ikea-Stiftung von Erfolg zu Erfolg. 2017 gewinnt das Konstrukt mit vier Wänden, Solarpanels auf dem Dach, Ess- und Schlafplätzen für vier Personen gar einen internationalen Designpreis. Gleichzeitig führen Sicherheitsbedenken – unter anderem wegen des unzureichenden Brandschutzes – dazu, dass das Zelt neu designt wird.

Fazit: Nicht erfolgreich

Ernesto Bertarelli und seine Frau Kirsty, Ex-Serono

Ernesto Bertarelli und seine Frau Kirsty, Ex-Serono

Quelle: Keystone
Ernesto Bertarelli: Philanthropie als Passion

Es begann alles in Rom. Cesare Serono gründete 1908 ein Pharmainstitut, das später Fabio Bertarelli, Vater von Ernesto Bertarelli, übernahm. Der Filius verkaufte die florierende Firma, die mittlerweile in Genf domiziliert war, an Merck. Die Familie löste 16 Milliarden Franken und steckte einen Teil in diverse Stiftungen. Die Fondazione Bertarelli unterstützt Kulturprojekte in der Toscana, doch das Zentrum der Philanthropie ist die millionenschwere Fondation Bertarelli in Gstaad BE. Die Stiftung hat ihr Wirkfeld stetig ausgebaut. Nun fokussiert sie auf Meeresbiologie, Neurowissenschaft und Community-Projekte aller Art. In Südafrika und Grossbritannien werden Schulen betrieben, es wird das Innovation Lab der Harvard unterstützt oder sogar die Ausbildung der Kinder von Schweizer Gardisten in Rom gefördert. Doch die Passion der Bertarellis liegt im Schutz der Meeresbiologie und im Aufbau von Marine Protected Areas (MPA).

Fazit: Erfolgreich

Mark Zuckerberg, Facebook-Gründer

Mark Zuckerberg, Facebook-Gründer

Quelle: Keystone
Facebook: Eine teure Lektion

Es beginnt als Versprechen, die Schulen von Newark in «ein Symbol für schulische Exzellenz» zu verwandeln – und es endet als Lehrbeispiel dafür, wie Philanthropie nicht funktioniert. 2010 bedenkt der milliardenschwere Facebook-Gründer Mark Zuckerberg die Ostküstenstadt mit 100 Millionen Dollar. Fünf Jahre später ist das Geld zwar weg, in den Schulen von Newark aber hat sich kaum etwas getan. Das Problem: Der politisch und pädagogisch unerfahrene Zuckerberg stützte sich vor allem auf den charismatischen Bürgermeister Cory Booker und Berater mit Stundenansätzen von 1000 Dollar – ein Top-down-Ansatz, der ihn teuer zu stehen kommt. Mehr als 20 Millionen Dollar wurden allein dafür verbrannt, Lehrer auszuzahlen, die das Reformprojekt nicht mittrugen. Zuckerberg lässt sich dadurch nicht irritieren. 2015 engagiert er sich erneut und spendet 120 Millionen Dollar für Schulen in der San Francisco Bay Area. Doch diesmal will er mit Eltern, Lehrern und Offiziellen zusammenarbeiten. Offenbar hat er seine Lektion gelernt.

Fazit: Nicht erfolgreich

Yves Serra, Chef von Georg Fischer

Yves Serra, Chef von Georg Fischer

Quelle: Serra Mosa, ©Sally Montana / 13 Photo
Georg Fischer: Wasser-Millionen

Die Kooperation des Schaffhauser Industriekonzerns Georg Fischer (GF) mit der Caritas darf als ein gelungenes Beispiel für private Entwicklungshilfe gewertet werden. Bis heute investierte GF über 9 Millionen Franken in die Versorgung von sauberem Trinkwasser in Entwicklungsländern und Katastrophengebieten.

Die Stiftung Clean Water rief GF 2002 ins Leben. In 15 Jahren unterstützte das Unternehmen 135 Trinkwasserprojekte weltweit und half damit mehr als 250 000 Menschen. Die Kooperation mit der Caritas besteht seit 2012 und wurde Ende 2015 um weitere vier Jahre verlängert. Immerhin 1 Million Franken liess GF dafür springen und bietet zudem sein Know-how und technische Expertise an. Mit dem Geld wurden 2016 sechs neue Projekte lanciert, unter anderem in Bangladesch und Ecuador. Clean Water ist nicht die einzige konzerneigene Stiftung mit Philanthropie-Touch. Zwei weitere Inhouse-Einheiten zur Erhaltung von Kulturgütern unterhält GF: Klostergut Paradies und Eisenbibliothek.

Fazit: Erfolgreich

Philippe Gaydoul Medizinaltechnik

Philippe Gaydoul, Medizinalforschung

Quelle: Samuel Trümpy / 13 Photo
Philippe Gaydoul: Mode und Medizin

Auch wenn es mit seinen Modeinvestments (Navyboot, Jet Set) nicht immer rund lief, verdiente Philippe Gaydoul an seinem innerstädtischen Immobilienportfolio prächtig mit. Einen Teil seines Vermögens steckt er seit bald zehn Jahren ins Zürcher Kinderspital, wo er im Bereich Hautersatz forschen lässt. Die Tissue Biology Research Unit gilt in der Behandlung von Brandopfern zur Weltspitze. Dreh- und Angelpunkt von Gadyouls Philanthropie ist die Gaydoul Foundation, die jährlich fünf Millionen Franken für medizinische Forschung vergibt. Neben der Hautersatzforschung finanziert sie auch Projekte für Krebspatienten am Inselspital Bern oder unterstützt die Stiftung für Menschen mit seltenen Krankheiten. Im Stiftungsrat sitzen neben Philippe Gaydoul auch seine Mutter Denise Gaydoul-Schweri, Tochter von Denner-Gründer Karl Schweri, und Johann Heinrich Wille sowie Urs Stoffel, Mitglied des Zentralvorstandes FMH.

Fazit: Erfolgreich