Ein Wochenende im Dezember. Im Herrenbekleidungshaus PKZ an der Zürcher Bahnhofstrasse drängeln sich Männer um den Tisch mit reduzierten Edelhemden wie Arbeitsbienen um ihre Königin. Im Damenhaus, wenige Meter die Strasse aufwärts, probieren sich Kundinnen in grosszügigen Umkleiden durch Akris und Armani, während die mitgebrachten Herren der Schöpfung das Ganze geruhsam von einer Sitzgruppe aus verfolgen, vor sich auf dem Couchtisch einen frisch gebrühten Espresso, und bisweilen eilt aus einer verborgenen Nische gar ein Cüpli herbei. Klar, das Weihnachtsgeschäft bedeutet immer noch eine Sonderkonjunktur, aber: Nach Detailhandelskrise sieht es hier wirklich nicht aus.

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Tatsächlich sei sie «aktuell sehr zufrieden», sagt Manuela Beer, Chefin der PKZ-Gruppe: «Der Oktober war schon gut, der November sogar sehr gut.» Im November habe PKZ «elf Prozent besser als im Vorjahr» abgeschnitten und gewinne derzeit Marktanteile, dies allerdings in einem gesamthaft schrumpfenden Markt – dem die Zürcher Edelhäuser Bernie’s und Marché de Luxe bereits zum Opfer gefallen sind und der die grössere Kette Companys zum drastischen Rückbau gezwungen hat. Zurückbuchstabieren mussten jedoch viele, auch PKZ hat in den letzten Jahren Filialen geschlossen.

Auf klare Zielgruppen ausgerichtet

Was Beer heute besser macht als andere, lässt sich in den beiden Zürcher PKZ-Häusern, zwei von schweizweit 40, besichtigen. Das Sortiment gibt sich inzwischen ziemlich spitz positioniert und auf klare Zielgruppen ausgerichtet; man kann nicht behaupten, PKZ wolle für alle und jeden da sein. Das Angebot richtet sich an Erwachsene, die entweder mittelpreisig und leicht modisch shoppen oder 
in Premium-Preislagen entweder Trends aufgreifen oder klassisch unterwegs sind – Beer hat die Segmente der Einfachheit halber stockwerkweise aufteilen lassen.

Über die Klinge gesprungen sind dafür in den zurückliegenden Jahren das Jugendkonzept Blue Dog und der hochpreisig-trendige Herrenladen Burger an der Bahnhofstrasse – Beer ortet zwar «besonderes Potenzial im Bereich Premium, wir sind aber nicht im Luxussegment, und daran möchten wir derzeit auch nichts ändern».

In Marken übersetzt heisst das, dass bei den Damen etwa Akris Punto und Armani Collezioni im Laden hängen, also die jeweils zweithöchste Linie des Labels und nicht die teuerste. Entsprechend verkauft Beer keine Anzüge von Ermenegildo Zegna, sondern vom progressiveren Ableger ZZegna.

Ein mildes Uptrading

Dennoch hat PKZ punkto Sortiment ein mildes Uptrading erfahren. Britische Premium Brands wie All Saints, Reiss oder Karen Millen verkauft PKZ teilweise exklusiv, jüngere Brands wie Jack & Jones oder Superdry wurden dafür ausgelistet. Männern bietet Beer bald wieder Masskonfektion an und will diesen Bereich, den sie als Wachstumsfeld definiert hat, noch ausbauen – Zielgruppe sind auch jene Banker und Manager, denen Anzüge für 3000 Franken inzwischen zu teuer geworden sind.

Stark setzt Beer auf Service und Beratung, der Filialleiter vor Ort soll sich wie ein Gastgeber fühlen und verhalten, Mitarbeiter sollen Kunden bei ihren Aufenthalten im Laden begleiten. PKZ richtet Events aus, lädt zu Fashion-Nächten und Styling-Workshops, bietet Personal Shopping an und hat das Kundenmagazin aufgefrischt, das viermal jährlich erscheint und eine stolze Auflage von einer knappen halben Million Exemplaren zählt.

Verkaufsräume runderneuert

Am augenfälligsten sind die Neuerungen im Ladenbau. Im kürzlich renovierten Zürcher Damenhaus, das als Blaupause für die Gruppe gilt, hängt die Ware verblüffend übersichtlich an den Ständern, dafür laden viele freie Flächen und Sitzgelegenheiten, Beer nennt sie Lounges, und auch das Restaurant «Dachterrasse» zum Verweilen ein. «Wir wollen eine Oase der Ruhe schaffen, Räume zum Wohlfühlen», sagt Beer.

Diese Strategie erinnert an jenes Konzept, mit dem die Kaffeekette Starbucks ihren weltweiten Siegeszug angetreten hat: einen «dritten Raum» anzubieten, neben Zuhause und Arbeitsplatz. Auch (erfolgreiche) Buchhandlungen wie Orell Füssli oder die deutsche Hugendubel kombinieren gern gepolsterte Sitz- und Leseecken mit Kaffeetheken. Das Ziel dieser Bequemlichkeitsangebote ist klar: Die Kunden sollen gern hierherkommen und hier ihre Zeit verbringen.

Bequemes Einkaufen und Wahlmöglichkeiten – aus diesen Gründen forciert Beer auch den Crosschannel-Verkauf: Im Webshop bestellen, im Laden abholen und anprobieren – oder aber im Laden ordern und nach Hause geschickt bekommen. Erstens sind Kunden, die sowohl online wie offline kaufen, die treuesten und damit die bei Händlern beliebtesten, zweitens ist jeder Onlinekunde, der seine Ware im Geschäft abholt, auch ein mutmasslicher Spontankäufer.

Beste Freunde im Verkauf

Folgerichtig hat Beer ihre regionalen Geschäftsführer auch punkto Online incentiviert: In Gegenden, wo viel per Web gekauft wird, profitiert der Regionalchef. Um künftig auch die einzelnen Verkäufer zu beteiligen, lässt die CEO gerade eine technische Lösung erarbeiten. «Intern sage ich immer: Online und Verkauf müssen die besten Freunde sein», finanziell sei der Onlineshop unterm Strich «praktisch break-even», so Beer, «und das ist in diesen Zeiten schon ein gutes Ergebnis».

Zumal wenn die mächtige Zalando, wie die Branche flüstert, dieses Jahr einen Umsatz von mehr als einer halben Milliarde Franken den Schweizer Händlern entführt. Damit wäre Zalando hierzulande inzwischen dreimal so gross wie PKZ oder die ähnlich grosse Schild-Gruppe. Weitere ausländische Player wie La Redoute, Sarenza oder die süddeutsche Breuninger beissen ebenfalls Stücke vom Schweizer Kuchen ab.

Berührungsängste gegenüber der Konkurrenz hat Beer nicht: Das Angebot von Zalando, andere Anbieter wie ein Marktplatz auf der Zalando-Website zu integrieren, hält sie, jedenfalls für die PKZ-Eigenmarken Paul Kehl und Paul, «zumindest für prüfenswert». Aber zugleich strebt sie an, mit dem runderneuerten PKZ-Onlineshop künftig selbst zum Marktplatz 
zu werden, «für kleinere Brands, die sich keinen eigenen Shop leisten können»; etwa Anbieter und Dienstleister im Bereich Kosmetik, Beauty, Lingerie oder Wohnen.

Die Krise ist nicht vorbei

Neun Prozent liegt der Schweizer Bekleidungshandel 2016 im Minus, verglichen mit dem Vorjahr. Auch Beer konnte die Verschlankungstendenz erst im zweiten Halbjahr stoppen; inzwischen sei die Lage stabilisiert, sodass «wir fürs Gesamtjahr auf vergleichbarer Basis voraussichtlich nur ein leichtes Minus verzeichnen werden». Für den Markt ist sie nach wie vor skeptisch: Der Strukturwandel sei wohl noch nicht abgeschlossen, «und es wird noch zu weiteren Schliessungen im Markt kommen».

Doch die Krise bringt Chancen: Beer bekommt immer wieder Flächen angeboten. «Bewusst antizyklisch» werde dann zugeschlagen, als Familienfirma könne man schnell reagieren. Also zieht PKZ im Berner Einkaufszentrum Westside «voraussichtlich im April an eine sehr gute Lage im Parterre», und im Shoppi Tivoli Spreitenbach verhandelt Beer laut Branchengerüchten über die bisherigen 
Modissa-Räumlichkeiten, die als 1a-Lage im Tivoli gelten.

Zusätzlich steht eine neue Filiale im waadtländischen Chavannes an und nach dem Umbau des Zürcher Herrengeschäfts im nächsten Jahr die Erneuerung der stattlichen Basler Damenfiliale. Eine knapp zweistellige Millionensumme will Beer im «Ausnahmejahr 2017» in Umbauten und Projekte stecken.

Enge Abstimmung mit der Eigentümerfamilie

Blue Dog und Burger abgeschafft, die übernommenen Feldpausch-Damenhäuser zu PKZ umgeflaggt, Zielgruppe fokussiert, Marketing überarbeitet, Verkaufsräume runderneuert, bald auch ein neuer Webshop-Auftritt und das Einrichten eines Zentrallagers – Beer treibt den Umbau voran. Doch wie bei PKZ üblich, stimmt sich die HSG-Absolventin, die zuvor bei Globus, Unilever und de Sede gearbeitet hat, eng mit der Eigentümerfamilie Burger ab.

Beer war im Herbst 2014 gekommen, um Olivier Burger, der wie sie an der HSG studiert hat, im Februar 2015 als CEO abzulösen. Der Patron, im Dezember 2015 unerwartet verstorben, hatte die neue Strategie und Kundenansprache noch mitentwickelt und im Mai 2015 abgesegnet.

VR-Treffen viermal im Jahr

Seit Burgers Tod führt der Homburger-Anwalt Claude Lambert den Verwaltungsrat, und der frühere Globus-Chef Thomas Kern, ein Freund der Eigentümer, zog in den VR ein – diese beiden waren für Beer die Ansprechpartner. Neu ist Maurice Burger in den VR gestossen, der jüngere der beiden Söhne Olivier Burgers und Vertreter der fünften Generation im Familienunternehmen PKZ. Dieses wurde 1881 von Urahn Paul Kehl gegründet und zog 1884 nach Zürich.

Maurice Burger hat sich beim US-Kleidermulti Phillips-Van Heusen (Calvin Klein, Tommy Hilfiger) und der spanischen Inditex (Zara) den Rucksack bestückt. Viermal jährlich trifft sich der Verwaltungsrat zu offiziellen Sitzungen. Mit Lambert und Kern hatte Beer bislang monatlich einen Jour fixe, der jeweils rund zwei Stunden dauert.

Wenig bekannte Familie

So präsent Olivier Burger im Zürcher Geschäftsleben war – über die Familie ist nur wenig bekannt, auch Beer und Lambert wollen nicht Stellung nehmen. Der heutige innere Kreis, die noch lebende Mutter, Geschwister und Kinder, dürfte rund 20 Personen umfassen. Die Aktien sollen nicht gestreut sein, sondern lagen bei Olivier Burger selbst und seiner Mutter. Lambert sagt nur, er sehe die Firma «absolut auf Kurs», und bekräftigt das Commitment der Familie zu PKZ.

Damit die Treue hält, sind Gewinne durchaus von Vorteil, das weiss auch Manuela Beer. Sie verspricht für 2016: «Unter dem Strich werden wir schwarze Zahlen erwirtschaften, wie das PKZ praktisch immer geschafft hat.»

Dirk Ruschmann
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