Erst die Rinder, dann die Menschen. Mit dieser Strategie wollen die Prionenforscher Bruno Oesch und Markus Moser international für Furore sorgen. Vor sechs Jahren ist es ihnen gelungen, einen Antikörper zu eruieren, der auf das krankheitsspezifische Prionprotein reagiert. Dieses führt zur gefährlichen Zersetzung des Gehirns, das allmählich zu einem löchrigen Schwamm verkommt und im tödlichen Rinderwahnsinn endet. Dank dem Antikörper war der BSE-Test geboren.

Ihr breites Wissen auf dem Gebiet der Neurologie wollen Oesch und Moser nun für weit gehend unerforschte Krankheiten wie Schizophrenie und Depression nutzen. Denn in der Entstehungsgeschichte dieser Krankheiten sehen sie Parallelen zu den komplexen Vorgängen bei Rinderwahnsinn oder Creutzfeldt-Jakob. «Sollte es uns gelingen, bei der Behandlung dieser neurologischen Krankheiten beim Menschen einen völlig neuen Ansatz zu finden, dann sehen wir ein enormes Potenzial», sagen die beiden.

*Ein Kassenschlager*

Von einem enormen Potenzial träumten die zwei Forscher auch damals, vor sechs Jahren, als ihnen der Durchbruch zu einem wissenschaftlich erhärteten Test gegen Rinderwahnsinn gelang. Mit Nationalfonds-Geldern gründeten sie die Firma Prionics, mieteten sich in der Universität am Irchel Räumlichkeiten und trieben die Entwicklung des Testverfahrens voran. Der Personaletat betrug 3,5 Personen. Allzu viel Kredit erhielt Prionics nicht, da der Test nach verbreiteter Einschätzung zu spät kam.

Trotzdem lag das fixfertige Testverfahren zwei Jahre später bei den Veterinärbehörden in Bern und Brüssel zur Validierung. Erste Tests wurden bald verkauft, zu einem Preis von 24 Fr. Doch der BSE-Test von Prionics blieb vorerst ein Nischenprodukt - bis der Rinderwahnsinn in Deutschland und Frankreich fast zeitgleich zuschlug.

Jetzt veränderte sich quasi über Nacht die Welt bei Prionics. Die Nachfrage nach BSE-Tests explodierte förmlich, von 5000 Kits pro Jahr auf 10000 Kits die Woche. Eine Verhundertfachung des Umsatzes war die Folge, nachdem die EU-Kommission den BSE-Test an allen Risikotieren unter den Schlachtrindern und an allen über 30 Monate alten Schlachtrindern als obligatorisch erklärt hatte. Der Prionics-Test wurde in das umfangreiche Überwachungsprogramm der EU aufgenommen - und für die beiden Firmengründer Bruno Oesch und Markus Moser ein Traum zur Wirklichkeit.

«Plötzlich standen Leute von Ministerien vor der Tür und rissen uns die BSE-Tests aus den Händen», erinnert sich Moser. Die Produktion der heiss begehrten Tests sprengte jeglichen räumlichen Rahmen des Spin-offs. Prionics verlegte im Dezember 2000 die Herstellung der Kits auf Hörsäle und Universitätsgänge - zum Glück befanden sich die Studierenden gerade in den Weihnachtsferien.

In dieser Zeit legten Oesch und Moser den finanziellen Grundstein des heutigen Unternehmens. Ein Jahr später erfolgte der Umzug in das Biotech-Center Zürich in Schlieren. Tür an Tür mit Cytos, Esbatech, The Genetics Company und anderen Jungfirmen verkörpert Prionics seither die aufstrebende Biotechindustrie im Grossraum Zürich. Mit einem grossen Unterschied zu den Nachbarn: Prionics finanziert das eigene Wachstum ausschliesslich aus selbst erwirtschafteten Mitteln. Venture-Kapitalis-ten und IPO-Banken klopften immer mal wieder vergebens an die Tür von Oesch und Moser, die beide den Titel eines CEO tragen.

*Börsengang ist noch kein Thema*

Die fünf Mio BSE-Tests, die Prionics mittlerweile pro Jahr absetzen, spült dem wohl erfolgreichsten hiesigen Biotechunternehmen der letzten Jahre rund 60 Mio Fr. in die Kasse (der Preis pro Test hat sich mittlerweile halbiert). Daneben verkauft Prionics Antikörper und Proteine an andere Forschungsgruppen. Unter dem Strich dürfte ein geschätzter Umsatz von 70 bis 80 Mio Fr. resultieren. Bei einem Personaletat von 100 Leuten schaut ein jährlicher Gewinn von mehreren Dutzend Mio Fr. heraus.

Genaue Kennzahlen gibt es keine, in finanziellen Dingen lassen sich Oesch und Moser nicht in die Karten blicken. «Wozu auch?» Längst hätten sie Kasse machen können, genauso wie die paar Aktionäre, die in ihrem Freundes- und Familienkreis zu suchen sind. «Doch ein Cash-out macht keinen Sinn, genauso wenig wie ein Börsengang», sagen sie. Sollte das anspruchsvolle und langfristig angelegte Projekt im Bereich der Neurologie beim Menschen allzu viel Kapital verschlingen, dann würden die beiden einen Börsengang in Betracht ziehen. Das dürfte frühestens in zwei, drei Jahren der Fall sein.

*Wann gehts in den USA los?*

Doch bis dahin forscht Prionics noch an anderen Projekten. «Wir wollen nicht mehr nur von einem Produkt abhängig sein», sagt Moser. Sein Ziel ist deshalb, möglichst rasch einen BSE-Test am lebenden Tier auf den Markt zu bringen. Das würde im Kampf gegen den Rinderwahnsinn ein weiterer Meilenstein bedeuten.

Enormes Potenzial für ihr Unternehmen sehen Oesch und Moser in den noch BSE-freien USA. Nachdem in Kanada im letzten Frühling der erste Fall von Rinderwahnsinn aufgetaucht ist, sei es nur noch eine Frage der Zeit, bis es auch in den USA losgehe. Oesch und Moser rechnen mit höchstens zwei Jahren. Ihre früheren Prognosen in Sachen BSE waren meist zu konservativ.

Deshalb will Prionics in den USA frühzeitig Fuss fassen. Dazu haben die beiden Firmenchefs einen prominenten Manager von Novartis abgeworben. Seit August führt Ernst Zollinger den Bereich Marketing und Sales. Zuvor war er Länder-Chef des weltweiten Animal Business beim Basler Pharmakonzern.

Zollinger soll die Präsenz in den ausländischen Märkten vorantreiben. Bisher unterhält Prionics erst in Italien eine Vertriebstochter. In den übrigen Ländern werden die BSE-Tests über Distributoren verkauft. Von europaweit acht Mio BSE-Tests stammen fünf Mio aus den Labors von Prionics. Und ein paar Hundert enden immer noch positiv (siehe Tabelle). Auch wenn die Zürcher Firma mit ihrem Test als erste auf dem europäischen Markt war und die Spitzenstellung inne hält, schläft die Konkurrenz nicht. Ein irisches und ein französisches Unternehmen holen auf und forschen ebenfalls an einem Lebendtest. Umso wichtiger ist es aus Sicht von Oesch und Moser, dass sie ihre Abhängigkeit von einem einzigen Produkt verkleinern und ihre Strategie auf Nervenkrankheiten am Menschen ausdehnen.

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