Die Private-Equity-Firmen wurden von einem deutschen Spitzenpolitiker als «Heuschrecken-Schwarm» tituliert, der sich begierig auf solide einheimische Unternehmen stürze, um damit kurzfristig einen hohen Gewinn zu realisieren. Ist das nur Wahlkampfrhetorik oder steckt ein Kern Wahrheit dahinter?

Manuel Ammann: Diese Aussage basiert auf einem fundamentalen Missverständnis. Private-Equity-Firmen strukturieren Gesellschaften um, entwickeln sie weiter und verkaufen sie danach, immer mit dem Ziel, möglichst viel Shareholder Value zu generieren. Das ist im Grundsatz positiv zu werten. Natürlich gibt es Fälle, die in der besagten «Heuschrecken»-Mentalität ablaufen: Die Firmen werden gekauft, finanziell geplündert und rasch wieder abgestossen. Eine derart kurzfristige Optik entspricht aber nicht den Prinzipien der Branche.

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Warum hat Private Equity in jüngster Zeit einen massiven Aufschwung erlebt?

Ammann: Der Boom hängt mit der reichlich vorhandenen Liquidität zusammen, welche bis vor kurzem verfügbar war. Die historischen Renditen waren in dieser Anlageklasse zudem recht ansprechend. Entsprechend hofften die Anleger, dass sich diese Entwicklung fortsetzt.

Private Equity hat mit einem Anteil von 1 bis 2% am gesamten Aktien- und Obligationenkapitalstock nur eine geringe Bedeutung. Schnellt diese Quote in den nächsten zehn Jahren auf einen zweistelligen Prozentsatz hoch?

Ammann: Nein, Private Equity wird eine Nische bleiben. Die Branche verfügt aber durchaus über Wachstumspotenzial. Neben Public Equity steht damit den Unternehmen ein zweiter wichtiger Finanzierungskanal für Eigenkapital zur Verfügung. Private Equity erfüllt so eine wichtige ökonomische Funktion.

Die tiefen Zinsen gelten als Treiber. Viele Privat-Equity-Firmen leihen sich billiges festverzinsliches Geld und setzen es für Firmenkäufe ein.

Ammann: Die tiefen Zinsen sind nicht nur ein Wachstumstreiber für Private Equity, sondern ganz allgemein für die Unternehmensgewinne. Mit der Ausweitung des Fremdkapitals werden die Gewinne zusätzlich erhöht. Private Equity lebt von der leichten Verfügbarkeit von Fremdkapital.

Was passiert, wenn das Zinsniveau ansteigt und Kredite knapp werden?

Ammann: Zinserhöhungen werden sich negativ auf die Firmengewinne auswirken. Durch den Hebeleffekt werden die Private Equity-Renditen deutlich reduziert. Eine Verteuerung der Kredite vermindert die Chancen in diesem Geschäft.

Dann dürfte die jetzige Hausse kaum von langer Dauer sein?

Ammann: Derzeit sind zwar die makroökonomischen Faktoren noch sehr gut. Die Subprime-Kreditkrise wirkt sich aber dämpfend auf das Geschäft aus.

Verfügen Private-Equity-Firmen über Geldquellen, die auch fliessen, wenn sich die Verhältnisse am Markt verschlechtern?

Ammann: Nein, nicht im gleichen Umfang. Ohne Kredite keine Buyout-Deals. In solchen Situationen werden die Investoren zudem vorsichtiger und halten sich mit Neuinvestitionen zurück. Das Private-Equity-Geschäft ist zyklisch.

Verführte die reichliche Liquidität am Kapitalmarkt zu einer gewissen Sorglosigkeit?

Ammann: Ja, so ist es immer. Wenn die vergangenen Renditen hoch sind, werden die Risiken gerne unterschätzt. Vor der Subprime-Krise befanden wir uns in einer Phase mit sehr optimistischen Einschätzungen und fast unlimitierten Finanzierungsmöglichkeiten.

Die Pensionskassen steigen verstärkt bei Private Equity ein. Ist das nicht riskant?

Ammann: Für grosse Pensionskassen ist diese Anlageklasse durchaus sinnvoll. Es gibt Anzeichen dafür, dass sich mit Private Equity langfristig Risikoprämien verdienen lassen, die mit klassischen Investitionen in Aktien und Obligationen nicht möglich sind. Andererseits muss nicht jede Pensionskasse um jeden Preis in diesem Segment investiert sein.

Welche wichtigen Kriterien sollten erfüllt sein?

Ammann: Es ist eine Frage der Verhältnismässigkeit. Zur Erweiterung des Anlagespektrums kann Private Equity angezeigt sein. Der Investor sollte aber über das nötige Know-how verfügen. Für die meisten Kassen stehen deshalb Fund-of-Funds-Lösungen im Vordergrund. Den Kosten ist allerdings Beachtung zu schenken, denn sonst wird die Performance von den Managementgebühren und anderen Kosten zunichte gemacht.

Eine Diversifikation wird vor allem mit Anlagen gesucht, die wenig mit Aktien und Obligationen korrelieren. Trifft das auf Private Equity zu?

Ammann: Private Equity ist nicht vollständig korreliert mit Public Equity. Damit ergibt sich ein gewisses Diversifikationspotenzial, das aber beschränkt ist und oft überschätzt wird. Die Anlageklasse ist vor allem für Investoren interessant, für die eine illiquide Anlage kein Problem ist.

Haben die Anleger nicht zum Teil völlig unrealistische Renditeerwartungen?

Ammann: Ja, es wirkt manchmal etwas blauäugig, wenn mit minimalen Risiken zweistellige Renditen erwirtschaftet werden sollen. Die Industrie hat mittlerweile einen hohen Reifegrad erreicht. Entsprechend illusorisch ist die Erwartung eines «free lunch» für den Investor.

Wie stark machen Private-Equity-Firmen bei den erworbenen Gesellschaften ihren Einfluss geltend?

Ammann: Sie unternehmen im einen Fall mehr und in einem anderen Fall etwas weniger. Grundsätzlich gehört aber die Einflussnahme zum Geschäftsmodell von Private-Equity-Firmen. Es sind aktive Investoren, die dem Management beratend zur Seite stehen und bei Nichterreichen der gesetzten Ziele die Führungsmannschaft auswechseln.

Bei Chrysler ist eine Private-Equity-Firma eingestiegen, nachdem der Weltkonzern Daimler mit der amerikanischen Automarke nicht glücklich wurde. Gibt es bei derart komplexen Sanierungsfällen nicht Grenzen für branchenfremde Investoren?

Ammann: Früher ging man davon aus, dass Private Equity vor allem für kleinere Firmen prädestiniert sei. Heute wagen sich diese Investoren auch an Grosskonzerne heran. Grosse Private-Equity-Firmen haben Zugang zu den nötigen Managementkapazitäten, um nicht nur kleine, sondern auch grosse Gesellschaften voranzubringen. Aber wie gesagt, die Verfügbarkeit von grossen Mengen an Fremdkapital ist Voraussetzung für solche Geschäfte.

Streben in nächster Zeit weitere Private-Equity-Firmen den Gang an die Börse an?

Ammann: Die Börsengänge von Private- Equity-Firmen zeigen, dass der Public Market sehr attraktiv ist. Der Höhepunkt des Zyklus ist aber überschritten. Die Bedingungen für ein Going Public sind heute viel schlechter als vor ein paar Monaten.

Wie sieht es mit der Transparenz in dieser Branche aus?

Ammann: Leider ist die Transparenz noch mangelhaft. Es ist schwierig, einen umfassenden Marktüberblick zu bekommen mit zuverlässigen Daten zu den Investitionen und deren Performance. Da besteht Verbesserungspotenzial.

Welche Stellung kommt dem Finanzplatz Schweiz in diesem Geschäft zu?

Ammann: Als Lieferant von Geld ist der Finanzplatz bedeutungsvoll. Das in der Schweiz direkt abgewickelte Geschäft ist aber bescheiden.

Wo liegen die Hauptzentren?

Ammann: Neben dem Finanzplatz London sind das die USA, wo das Venture-Capital-Geschäft eine lange Tradition hat und wo die ersten grossen Buyouts erfolgt sind.

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Steckbrief

Name: Manuel Ammann

Funktion: Professor für Finanzen Universität St. Gallen; Direktor Schweiz Institut für Banken und Finanzen

Alter: 37

Wohnort: St.Gallen

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Private Equity

Leadmarkt USA

Private Equity nimmt in der Schweiz nur eine untergeordnete Stellung ein. Mit einem Anteil der Investments von 0,3% am Bruttoinlandprodukt liegt das Land der Banken und Vermögensverwalter selbst unter dem europäischen Durchschnitt (0,4%). Dabei liegt der alte Kontinent, auf dem die skandinavischen Staaten und Grossbritannien dominant sind, deutlich hinter den USA zurück. Im internationalen Private-Equity-Markt, der nach jüngsten Schätzungen über 1000 Mrd Dollar an eingesetztem Kapital umfasst, stehen die Amerikaner mit einem 70%-Anteil ganz klar an er Spitze.