Man hört es heutzutage von allen Seiten, die Wertschöpfungstiefe bei Banken sei mit bis zu 80% viel zu hoch. Andere Wirtschaftszweige, wie z. B. die Automobilbranche, seien durch einen geringeren Anteil an Eigenfertigung, der teilweise nur noch 20% beträgt, flexibler und vor allem effizienter. Das ist ein alter Hut, denn die Branche hat zumindest auf internationaler Ebene längst dazugelernt. Eine Studie des E-Finance Lab's (www.efinancelab.de) der Universitäten Frankfurt und Darmstadt zeigt, dass Outsourcing in der Finanzdienstleistungsindustrie in den letzten Jahren im Durchschnitt um 41% pro Jahr gewachsen ist. Neben der Auslagerung der IT-Infrastruktur und -Anwendungsentwicklung stellt der Bereich des Business Process Outsourcing (BPO), also das Auslagern von Geschäftsprozessen, das grösste Wachstumspotenzial dar.

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Vorteilhafte Rahmenverträge

Das Procurement bzw. der Einkauf ist ein solcher Geschäftsprozess, der als strategischer Faktor immer stärker in den Fokus des Outsourcings rückt. Das Procurement teilt sich in drei Hauptbereiche: Strategischer Einkauf, Operativer Einkauf und Kreditoren (Accounts Payable). Der Strategische Einkauf optimiert die Beschaffungsstruktur des Unternehmens, indem er die Ausgaben analysiert, Standards und Spezifikationen definiert, Lieferanten auswählt und möglichst vorteilhafte Rahmenverträge mit den Zulieferern aushandelt. Dem Operativen Einkauf unterliegt die Entgegennahme, Prüfung und Ausführung der Bestellung. Schliesslich zeichnet das Accounts Payable verantwortlich für die Prüfung und Bezahlung der eingehenden Rechnungen.

In den meisten Banken ist diese Wertschöpfungskette organisatorisch gebrochen. Während der Strategische und Operative Einkauf dem CPO (Chief Procurement Officer) unterstellt sind, berichtet Accounts Payable an den CFO (Chief Financial Officer). Dieser traditionell gewachsene Bruch hat weitreichende Folgen, denn meist sorgt er für ineffiziente Strukturen, verhindert Standardisierungen und Automatisierungen von Prozessketten und ist letztendlich verantwortlich für die heutzutage existierende Intransparenz.

Hohes Einsparungspotenzial

Generell unterscheidet man vier sich ergänzende Lösungskomponenten, die gemeinsam die Procurement-Wertschöpfungskette optimieren. Der traditionelle Ansatz ist die Optimierung des Strategischen Einkaufs. Bei Banken verspricht dieser Ansatz eine durchschnittliche jährliche Einsparung von 5 bis 8%. Für eine grosse Geschäftsbank mit einem jährlichen Einkaufsvolumen von 3 Mrd Euro entspricht dies einem Einsparpotenzial von bis zu 240 Mio Euro im Jahr.

Die zweite Lösungskomponente zielt auf das Order Management ab und hat das Ziel, die Einkaufsprozesse zu standardisieren, zu verbessern und zu automatisieren. Dagegen nimmt sich die dritte Komponente der Fehlerfreiheit in der Rechnungsbearbeitung an, die im Accounts Payable neben den operativen Ineffizienzen die grössten Probleme bereitet. Die beiden Lösungskomponenten zwei und drei realisieren gemeinsam, eine vollständige Auslagerung vorausgesetzt, eine Einsparung von bis zu 50%. Bei unserer beispielhaften Grossbank sind dies etwa 18 Mio Euro pro Jahr.

Es ist verständlich, dass man sich in der Vergangenheit auf den Strategischen Einkauf fokussiert hat, verspricht er doch signifikant höhere Einsparpotenziale bei erheblich reduziertem Aufwand im Vergleich zu den beiden anderen Lösungskomponenten.

Das Compliance/Leakage-Problem

Ex-post-Diagnosen haben aber konsistent aufgezeigt, dass die verhandelten Einsparungen in der Regel nur teilweise realisiert werden können. Zum einen werden durchschnittlich weniger als 60% aller Güter überhaupt über die Einkaufsorganisation abgewickelt, sodass der Rest für strategische Sourcing-Projekte nicht adressierbar ist. Zum anderen halten sich nicht alle Lieferanten und Besteller an die verhandelten Rahmenverträge. Der Streuverlust, auch Leakage genannt, kann weit über 30% der verhandelten Einsparungen betragen.

Um das Problem des Streuverlustes in den Griff zu bekommen, muss die gesamte Wertschöpfungskette optimiert werden. Erst wenn es gelingt jede Rechnung, die im Accounts Payable bearbeitet wird, der entsprechenden Bestellung zuzuordnen (und vice versa), kann sichergestellt werden, dass alle Vertragsvereinbarungen eingehalten werden (z.B. die gelieferte mit der bestellten Menge übereinstimmt oder der Rechnungsbetrag mit dem Tarif im Rahmenvertrag vereinbar ist). Nur so kann die notwendige Transparenz geschaffen werden, um durch entsprechende Massnahmen sicherzustellen, dass bis zu 95% des Einkaufsvolumens auch durch die Einkaufsorganisation abgedeckt werden bzw. sich dann auch alle am Einkaufsprozess Beteiligten strikt an die Rahmenverträge halten.

Die optimale Lösung

Diese Optimierung kann nur gelingen, wenn eine Systemplattform bereitgestellt wird, die den gesamten Einkaufsprozess von der Eingabe der Order bis zum Bezahlen der Rechnung ohne Unterbrechung unterstützt, alle Einkaufsprozesse des Unternehmens standardisiert und in die Einkaufsplattform integriert werden und die gesamte Einkaufsorganisation auf die neue Struktur ausgerichtet wird.

Da der reibungslose Ablauf des Einkaufsprozesses zwar wichtig ist, aber keine Kernkompetenz der Bank darstellt, bietet sich ein Auslagern als optimale Lösung an. Business Process Outsourcing bietet die Möglichkeit, auf eine bereits existierende Plattform Kosten sparend aufzubauen. Der externe Serviceanbieter stellt dabei nicht nur die Software, sondern auch das notwendige Wissen über die Abläufe sowie die entsprechende Organisation bereit.

Die Deutsche Bank hat zum Beispiel für ihren globalen Einkauf die beiden Prozessschritte Order Management und Accounts Payable an den Outsourcing-Spezialisten Accenture ausgelagert und konzentriert sich nun ausschliesslich auf den strategischen Einkauf. Damit ist die Bank in der Lage, den Anteil des Beschaffungsvolumens, der über die Einkaufsorganisation abgewickelt wird, auf über 95% zu steigern, die Einkaufskonditionen signifikant zu verbessern und die operativen Kosten der Abwicklung drastisch zu senken.

Kritische Erfolgsfaktoren

Bei der Auswahl eines Outsourcing-Partners sollten drei kritische Bereiche bedacht werden: Die technischen Fähigkeiten, das funktionale Wissen und die organisatorische Struktur.

Zu den technischen Fähigkeiten eines Outsourcers gehört die Bereitstellung einer entsprechenden Einkaufsplattform, da nur so sichergestellt werden kann, dass die Transformation schnell und unkompliziert verläuft. Im Weiteren sollte die Plattform in der Lage sein, mehrere Kunden gleichzeitig abzudecken (Mehr-Klienten-Fähigkeit), da nur auf diese Weise signifikante Skaleneffekte erzielt, sprich die Fixkosten auf mehrere Parteien verteilt werden können.

Unter funktionalem Wissen versteht man die Fähigkeit des externen Dienstleisters, gesamte Wertschöpfungsketten vom Strategischen Einkauf bis zum Accounts Payable abzudecken. Das organisatorische Wissen entscheidet darüber, ob die langfristige Partnerschaft der beiden Unternehmen ein Erfolg wird oder nicht.

Das traditionelle Modell einer Einkaufsorganisation steht vor einem grundlegenden Wandel. Business Prozess Outsourcing bietet erstmals die Möglichkeit, bisher schwer adressierbare Probleme wie den Streuverlust schlussendlich doch noch in den Griff zu bekommen. Die zu realisierenden Einsparungen sind gewaltig, und es bleibt abzuwarten, ob dieser neue Trend die Finanzdienstleistungsbranche dem Ziel, effizientere Wertschöpfungsnetzwerke zu etablieren, ein Stück näher bringt.



Lars Friedrich und Matthias Memminger, Strategieberater Beratungsunternehmen Accenture, Zürich.