Am 13. Dezember 2002 hat Urs Fischer seinen CEO-Posten bei Ascom geräumt und ist seither ohne Job. Wie das ist? «Am Nachmittag durch den Wald zu streifen und sich dabei nicht schlecht zu fühlen, muss man erst mal lernen», sagt Fischer. Mehr Zeit zu haben für den Müssiggang, tagsüber mal lesen, spazieren, joggen, Freunde treffen – Fischer versucht das zu geniessen, ganz glücklich macht es ihn nicht: «Ich brauche ein Ziel.»

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Fischer will es nochmals wissen und strebt nach einem Posten als «Topmanager mit operativem Involvement» und nach einem oder zwei Verwaltungsratsmandaten. Eines hat er bereits: Im April ist er ins Aufsichtsgremium des Ostschweizer Hightechunternehmens Huber + Suhner gewählt worden. «Meine Reputation ist also intakt.» Fischer betont, dass diese Wahl etwas vom Aufmunterndsten gewesen ist, was er im letzten halben Jahr erlebt hat. Er, der sich als «Optimist a priori» bezeichnet, habe letzten Winter wenig gelacht; die Vorgänge bei Ascom hätten sehr an ihm gezehrt.

Zuerst – Fischer spricht von Phase eins – brauchte er Distanz. Dafür geht er mit seiner Familie in seine Wohnung in Zermatt, erlebt eine tolle Skisaison. Als er zurückkehrt, ist er «nicht enthusiastisch, aber auch nicht zu Tode betrübt». Die Schlagzeilen um seine Abgangsmodalitäten verschlingen abermals viel Energie. Dazu kommt die Anspannung, wie es weitergehen soll, «die Haut ist dünner als sonst». Fischer strebt nach vorn – «das ist Fischer» – und formuliert sein nächstes Ziel. Es soll dem «Freefloaten» (Fischer) so schnell wie möglich ein Ende setzen. Er geht Hinweisen aus seinem professionellen Umfeld nach, aktiviert sein Beziehungsnetz, spricht vor, skizziert Ideen, prüft Optionen, selektioniert und verhandelt. Die firmeninternen Prozesse, die darauf jeweils folgen, hat er nicht in der Hand. Das braucht manchmal Nerven.

«Zwei Schritte vorwärts, ein Schritt zurück», resümiert Erfolgsmensch Fischer. Die wirtschaftliche Situation ist schwierig, und die Topjobs in der IT- und Telekommunikationsbranche sind derart rar, dass Fischer – «ich bin kein Retailer und kein Banker und will auch nicht mehr in ein Start-up» – sein mögliches künftiges Aktionsfeld hin zur Hightechbranche und zu ihr verwandten Dienstleistungen erweitert hat. Mit zwei Beratungsmandaten ist er derzeit zu 70 Prozent ausgelastet. Die übrige Zeit verwendet er auf die Suche nach seinem neuen operativen Job. Bis Ende Jahr will er ihn gefunden haben.

Ein ehemaliger Rivale befindet sich in einer ähnlichen Situation. Gegen Ende 2000 kreuzte der Lebensweg von Urs Fischer den von Frank Boller – der eine operativer Chef von Sunrise, der andere in gleicher Position beim Konkurrenten Diax. Als Tele Danmark die beiden Gesellschaften übernimmt und zusammenlegt, ist Fischer für den Chefposten gesetzt, Boller räumt unverzüglich sein Büro: «Ich wollte nicht im selben Unter- nehmen eine Stufe zurück», sagt er.

Als sich Fischer nach nur einem Monat mit dem neuen Sunrise-Besitzer überwirft und zu Ascom wechselt, ist Boller längst nicht mehr im Spiel. Ski fahrend in Arosa, freut er sich auf eine neue Aufgabe. Trübsal blasen nütze doch nichts, muntert er sich auf. Boller möchte wieder etwas bewegen, wie damals, als er bei Diax pro Monat bis zu 100 Leute angestellt hat. «Hochspannend» war das und «richtig turbulent». Als er zu Hause beginnt, seine berufliche Zukunft anzugehen, nimmt er kleine Schritte. Zunächst sondiert er nur bei Freunden und ehemaligen Kollegen nach seinem Traumjob. Erst als diese reihum die Schultern zucken, zieht er Headhunter ins Vertrauen. Pech, dass die Boomjahre in der IT-Branche, in der Boller Karriere gemacht hat, gerade jetzt brüsk enden. Angebote von jungen Technologiefirmen liegen zwar vor, aber ihre Strategien sind diffus, und Boller steht der Sinn nicht nach Abenteuern.

Einmal, vor den Sommerferien 2001, legt Boller einen ganzen Stapel Angebote ad acta, ein befreiendes Gefühl stellt sich ein, aber nur für kurze Zeit. Es kommt nichts nach. Erst Wochen später treffen neue Offerten ein, aber auch diesmal beginnt das Herz nicht richtig zu hüpfen. Doch nun – er ist über ein halbes Jahr arbeitslos – will er aus der Suchschlaufe.

Er wird Chef der Basler Softwarefirma Obtree, auch dies ein Engagement von kurzer Dauer. Anfang 2003 wird das Unternehmen nach Deutschland verkauft und Bollers Stelle Ende April aufgelöst. Wieder hangelt er sich durchs Beziehungsnetz, schaltet Headhunter ein, aber die Erwartungen verringern sich, gross bleibt einzig die Hoffnung auf einen Zufallstreffer. Inzwischen denkt er laut über einen Wechsel in ein anderes Hightechmetier nach, etwa Technologiekomponenten, Medizinaltechnik oder Elektronik, wo er sich das Rüstzeug erst erwerben müsste: «Ich selbst habe meine Mitarbeiter immer nach der Persönlichkeit und der Motivation beurteilt, nicht nach dem Fachwissen.»

Kommt das Traumangebot noch, kommt es nicht? Diese Frage quält den 46-Jährigen am meisten. Sie birgt die Gefahr, unüberlegt irgendwo einzusteigen: «Auch wenn man sich mit der Zeit etwas abgestanden fühlt, sollte man die Ansprüche an einen Job nicht zu rasch revidieren.»

Den Druck, einfach etwas anzunehmen, spürte auch Thomas Wellauer, ehemaliger Chef der Credit Suisse Financial Services. Als im Juli 2002 sein Abgang bekannt gegeben wird, ist es, als ob in seinem Büro ein Schalter kippen würde, und dies, obwohl er noch fast drei Monate weiterarbeiten wird. Telefone,

E-Mails, Meetings – was über Jahre hinweg seinen Arbeitsalltag dominiert hat, verschwindet schlagartig. Plötzlich hat die Agenda Lücken.

Zeit für Reisen, Zeit für die Familie und die Zeit, sich lang gehegte Wünsche zu erfüllen, etwa segeln zu lernen oder sein Spanisch aufzufrischen: Das ist zwar toll, füllt einen aber mit der Zeit auch nicht mehr aus. Ein Jahr hat er sich für die Stellensuche gegeben, und die Monate vergehen rasch.

Freunde staunen über die Ausdauer und die Konsequenz, mit denen er sein Beziehungsnetz nutzt. Er versteckt sich nicht, geht die Jobsuche offensiv an wie kaum ein Zweiter, zeigt seinen Ehrgeiz. In einem Büro, das ihm ein ehemaliger McKinsey-Kollege verschafft hat, prüft er Optionen wie die Selbstständigkeit oder die Übernahme einer Firma, doch richtig beseelt ist er davon nicht. Dann nimmt er mit Clariant-Manager Roland Lösser Kontakt auf, den er von Sandoz her kennt. Lösser hat einige Baustellen offen und reicht Wellauer den Pickel. Dem gelernten Chemieingenieur steht der Sinn nach etwas Handfestem.

Er fasst den Auftrag, Strukturen, Abläufe und Organisation der Clariant in Europa zu optimieren. Parallell dazu sind McKinsey-Berater daran, den Verkauf von Firmenteilen zu prüfen. Beide Projekte werden zu einem massiven Abbau führen. Wellauer, der auf Mandatsbasis arbeitet, hat viele Optionen offen: In der Belegschaft wird er sich mit Sicherheit nicht nur Freunde schaffen, die Firmenspitze um Roland Lösser könnte ihm aber in einem Jahr mit dem CEO-Posten dafür danken, dass er die Kastanien aus dem Feuer geholt hat.

Während Wellauer aus familiären Gründen auf eine Schweizer Basis angewiesen ist, zieht es seinen ehemaligen Chef Lukas Mühlemann bei der Jobsuche ins Ausland. Ihm eilt es freilich nicht; seinen Abgang als Chef der Credit Suisse Group – offiziell Ende 2002, inoffiziell schon im September – krönte er mit einem Jahr Ferien. Heute reist der ehemalige Swissair-Verwaltungsrat mit seiner Lebenspartnerin um die Welt, notfalls auch mit EasyJet. Im In-Lokal Toto im Zürcher Seefeld trifft er sich zum ausgiebigen Lunch mit seiner Tochter, braun gebrannt und mit sommerlich kurz geschnittenen Haaren, winkt hier einem Bekannten, nickt dort jemandem zu. Auch im trauten Kreis macht er auf gute Laune, Motto: Money makes the world go round.

Geld hat er. Stolz ist er. Am Abend seiner Demission sitzt er zusammen mit seiner Freundin in einer Loge des Zürcher Opernhauses und strahlt ins Publikum hinunter. Die exquisiten Diners, die er zweimal jährlich bei sich zu Hause in Erlenbach für seinesgleichen zu geben pflegt, finden immer noch statt, aber die Runde ist etwas kleiner geworden: Letztes Mal fehlten sowohl der neue Credit-Suisse-Präsident Walter Kielholz als auch Novartis-Lenker Daniel Vasella. Selbst enge Freunde werweissen, was sich hinter der nach wie vor glänzenden Fassade Mühlemanns verbirgt – seine Munterkeit habe manchmal etwas Angestrengtes, sagt einer.

Wenn Mühlemann von seinem Wohnsitz an der Goldküste über den Zürichsee blickt, sieht er Thalwil. Dort, an der so genannten Pfnüselküste, steht das Haus von Eric Honegger, als ehemaliger Verwaltungsratspräsident der Swiss- air ein Schicksalsgefährte Mühlemanns, der freilich nur einen Bruchteil von Mühlemanns Abgangsgage herausholen konnte. Von seiner reichen Mandatesammlung ist dem ehemaligen FDP-Regierungsrat nur eines übrig geblieben: das Präsidium der F.G.-Pfister-Stiftung, der Alleinaktionärin der Pfister Arco Holding in Suhr, die wiederum das Möbelhaus Möbel Pfister besitzt.

Das lastet einen wie Honegger nicht aus, weshalb er sich fast fanatisch in den Sport stürzt. Wie ehedem Tony Rominger zieht er mit dem Velo Runden um den Zürichsee, neigt zur Selbstausbeutung, ist körperlich topfit. Der Bauch ist weg.

Geistig beschäftigt sich Honegger seit seinem erzwungenen Rücktritt vor allem mit Corporate Governance, der Lehre der guten Lenkung und Kontrolle in Unternehmen. Freunde loben seine diesbezügliche Lernfähigkeit und selbstkritische Haltung. Doch das allein bringt noch keine Stelle. Und an eine Rückkehr ins Lebensgefühl von einst ist nicht zu denken, solange die Swissair-Akte in den Anwaltskanzleien pendent ist. Seiner beruflichen Niederlage versucht Honegger mit Erfolgen im Sport zu trotzen, seinen gesellschaftlichen Abstieg federt er mit Reisen ins Internet ab, wo er im Schutz der Anonymität chattet und stundenlang gegen unbekannt Schach spielt.

In Rüschlikon, von Thalwil etwas weiter in Richtung Stadt Zürich, frönt ein weiterer ehemaliger Topshot ausgiebig dem Sport: Manfred Zobl, bis Februar 2002 Chef der Rentenanstalt / Swiss Life, bricht häufig mit seinem eigenen Boot auf dem Zürichsee zu einer Segeltörn auf, oder er verschafft sich bei einem zügigen Spaziergang mit seinem Hund etwas Abwechslung. Endlich hat er das, was ihm als Lenker der Swiss Life gefehlt hat: die Zeit zum Lesen klassischer Literatur, Goethe zum Beispiel. Manchmal trifft er sich mit seinem ehemaligen Finanzchef Dominique Morax, der ebenfalls in Rüschlikon wohnt; sonst lebt Zobl, der gesellschaftlich nie stark vernetzt war, zurückgezogen. Am meisten macht ihm zu schaffen, dass er im Zug des LTS-Debakels als Abzocker hingestellt worden ist.

Ehemalige Kollegen fürchten eine Begegnung, die schnell peinlich werden könnte. Was soll man sagen, wenn man ihm gegenübersteht?

Manfred Zobl hat auch mit engen Vertrauten nie über seine Befindlichkeit geredet. Bis zum Schluss, als er im Büro den letzten Stift einpackte, funktionierte er wie eine Maschine. Am Morgen, als sein Rücktritt bekannt gegeben wurde, bot er die ganze Direktion auf, rund 150 Kollegen, denen er die Gründe für den Rücktritt darlegte und eine kurze Rückschau auf sein Wirken im Unternehmen hielt. Nach einer Standing Ovation verabschiedete Zobl am Ausgang jeden Kollegen per Handschlag, stoisch ruhig, fast gespenstisch kontrolliert. Er wahrte die Contenance, aber aufmerksame Beobachter sahen, dass es in ihm drinnen brodelte.

Am liebsten zu Hause ist Philippe Bruggisser. Wie Zobl war er nie ein Partylöwe, sondern hat während seiner ganzen Swissair-Karriere lieber Akten studiert, statt Smalltalk zu üben. Wer in seinem Heim in Wohlen anruft, erhält eine Kostprobe seines Zynismus, den er sich seit seiner Entlassung bei Swissair zugelegt hat: «Schreiben Sie, ich lebe noch!» Bruggissers Schaffensdrang ist noch immer gross, er studiert Geschäftsmodelle, und es würde niemanden erstaunen, wenn er bald wieder geschäftlich in Erscheinung träte.

Natürlich hat er wie alle seine ehemaligen Kollegen grösste Mühe, mit der Niederlage umzugehen, natürlich fürchtet er sich vor einem neuerlichen Presserummel, natürlich hat er Angst, ehemaligen Mitarbeitern oder Swissair-Aktionären zu begegnen, die ihn vermutlich anpöbeln würden.

Einer, der wie Bruggisser die Wirkung von guten und schlechten Schlagzeilen am eigenen Leib erfahren hat, ist Peter Schüpbach, Leiter und Mitbegründer des New-Economy-Darlings Miracle. «Swissair-Syndrom» nennt er das Phänomen: «Ich bin als Person mit Miracle identifiziert und dann, als es nicht mehr weiterging, schwer angegriffen worden», sagt Schüpbach. Das Ende von Miracle verschaffte ihm etwas Erleichterung, «weil das Rumhacken endlich aufhörte»; er erlebte es aber auch als grossen und schmerzlichen Verlust. «Leer und traurig» – in dieser Verfassung unternimmt er mit seinen Kompagnons
eine Tauchreise ins ägyptische Sharm el Sheik und verbringt mit ihnen zehn Tage auf einem kleinen Boot. «Da haben wir uns ausgesprochen.»

Zwei Monate lang will Schüpbach nichts von Arbeit wissen. Dann beginnt er, ermutigt von entsprechenden Anfragen, als selbstständiger Berater zu arbeiten und baut sich eine neue Existenz auf.

Vor eineinhalb Jahren holte ihn das Schicksal ins Unternehmertum zurück: Sein Bruder, der sich 1997 mit einem Spin-off von Miracle selbstständig gemacht hat, wird bei einem Unfall so schwer verletzt, dass er das Unternehmen nicht weiter führen kann. Schüpbach übernimmt und führt nun die Master Solution in Madiswil als Geläuterter: «All die geschäftlichen Probleme sind so was von nebensächlich, verglichen mit dem, was sonst noch passieren kann.» Vom Leben gestählt, sucht Schüpbach seine Herausforderung heute bei Marathonläufen. Gedankenspiele, was gewesen wäre, wenn, hat er zu Gunsten seines neuen Lebensgefühls ersatzlos aufgegeben: «Ich schlafe gut und teile meine Zeit selber ein.»

Herr über die eigene Agenda sein. Nein sagen können. Die Wahl haben. Das Leben nach eigenen Vorstellungen organisieren. Nicht mehr ständig unter Beobachtung sein: Erwin Heri könnte noch lange fortfahren, die schönen Seiten seines Jobverlustes aufzuzählen. Ausufernd auch seine aktuelle Aktivitätsliste: Sie reicht von einer Professorenstelle an der Uni Basel und einer Gastprofessur an der Uni Genf über das Präsidium bei der OZ-Bank bis hin zu seiner eigenen Firma, Strategy and Finance Consulting mit Sitz in Winterthur. Heri hat es gut: «Im Gegensatz zu anderen Karrieristen war ich nie nur auf meine Bank fixiert.» Als Lukas Mühlemann und Thomas Wellauer die Credit Suisse verliessen, nahte auch für ihn, damals Finanzchef der Credit Suisse Financial Services und enger Vertrauter der alten Führungscrew, der letzte Tag. «Ich brauche Kollegen, mit denen auch die Chemie stimmt», kommentiert er seinen abrupten Abgang. Ob er in einem grossen Konzern wieder eine Topposition annehmen würde? «Im Augenblick kaum vorstellbar», sagt Heri, «mir gefällt es, wie es ist.» Und schiebt nach: «Aber man soll ja nie nie sagen.»

Zurück in die Tretmühle? Auch für den früheren ABB-Chef Jörgen Centerman ist das keine valable Option. Als er sich mit ABB-Präsident Jürgen Dormann überwirft und über Nacht sein Büro räumt, geht er, um Abstand zu gewinnen, auf eine mehrwöchige Reise. Noch lange Zeit steht Centerman wie unter Schock. Ein paar Jobangebote in grossen, aber meist schlingernden Unternehmen lehnt er ab. Von seinem Haus in Südschweden aus, wo er mit seiner Frau lebt, betreibt er heute Standortförderung und berät kleine und mittlere Unternehmen, teilweise auch als Verwaltungsrat.

Für Centerman war es komisch: Plötzlich redeten alle nur noch in der Vergangenheit von ihm. Das ist für einen, der sich jahrzehntelang über den Beruf definiert hat, schwierig. Man ist nicht mehr ein Chief Executive Officer, sondern ein «has-been». Immerhin ist er wie seine beiden Vorgänger an der ABB-Spitze, Göran Lindahl und Percy Barnevik, finanziell saniert.

Das gilt auch für den ehemaligen «Zürich»-Chef. Rolf Hüppi hat nach seinem Abgang bei der «Zürich» zwar noch das Beratungsunternehmen Rolf Hüppi AG gegründet, arbeitet aber nicht an einem beruflichen Comeback. Im Gegenteil. Die meiste Zeit verbringt er auf seiner Pferderanch in Charlottesville im US-Bundesstaat Virginia und frönt dort seiner Leidenschaft, dem Reiten und der Pferdezucht. Hüppi, der das Rampenlicht überaus liebte, schätzt, dass er in den USA nicht erkannt wird und in den Medien kein Thema ist. Als «Zürich»-Chef hegte und pflegte er sein Ansehen in der Öffentlichkeit und seinen Status in der Gesellschaft wie kaum ein anderer Firmenchef. Nachdem er beides verspielt hat, sucht er nun offensichtlich wieder Kontakt. Mitte Mai organisierte er eine Geburtstagsparty. In einem Zürcher Zunfthaus. Wie in guten alten Zeiten.

Corinne Amacher und Iris Spogat Kuhn sind ständige Mitarbeiterinnen der BILANZ

Roland Rasi coacht Manager in der Krise
«Vielen kommt nichts in den Sinn»


Beim Ex-Banker Roland Rasi gibt es Hilfe für gestrauchelte Topshots. Zum flotten Pauschalpreis.


BILANZ: Was geht in einem vor, der eine Topposition verliert? Roland Rasi: Die Reaktionen reichen von Panik über Unverständnis bis ins Absinken in die Kommunikationslosigkeit. In der Regel ist es ein Schock und nur ganz selten ein Befreiungsschlag.


Wen trifft ein Rausschmiss am härtesten? Die Workaholics, die kein Leben ausserhalb des Jobs hatten und so zu menschlichen Ruinen geworden sind.


Sie sind selbst aus einer Topposition geschasst worden. Wie war das? Ich hatte den grossen Vorteil, Interessen und Freunde ausserhalb der Arbeit zu haben. Freunde bei der Arbeit interessiert man nur, solange man eine Topposition hat. Wenn die wegfällt, bekommt man keine Einladungen mehr, ist kein VIP mehr. Und das Loch wird immer grösser, denn man weiss auch nicht mehr, was man am Abend tun könnte. Da hatte ich Glück.


Was brauchen die gefallenen Stars? Einen neutralen, aber verständnisvollen Gesprächspartner.


Wären die bei einem Psychiater nicht besser aufgehoben? Psychiater haben keine Ahnung von der Businesswelt. Das ist mein Vorteil. Wenn ich merke, um jemanden steht es kritisch, er steht am Abgrund, dann schicke ich ihn auch zum Psychiater.


Womit tun sich die gestrauchelten Manager, die Ihre Beratung suchen, am schwersten? Viele haben ein unkritisches Selbstbild und fühlen sich zu Unrecht geschasst und unfair behandelt. Mit ihnen mache ich dann eine 360-Grad-Feedbackübung.


Aber das machen Topshots doch laufend. Im Gegenteil, die meisten haben seit zehn, fünfzehn Jahren kein offenes und ehrliches Feedback mehr bekommen. Die hat es raufgespült, und dann leiden sie irgendwann unter dem Unfehlbarkeitssyndrom, haben das Gefühl, sie machen alles gut, bis der Knall kommt.


Wonach streben die gefallenen Verantwortungsträger? Jeder will einen vergleichbaren Job, obwohl er grauenhafte Dinge erlebt hat. Weil er dreissig Jahre nur für die Karriere gelebt hat.


Wie viele finden einen vergleichbaren Job? Etwa die Hälfte.


Haben Sie Schlüsselfragen? Ja. Was bietet dir das Leben sonst noch? Was wäre dein Lebenstraum, wenn eine gute Fee käme?


Und? Vielen kommt nichts in den Sinn.


Wie trist. Andererseits haben diese Leute in der Regel keine Existenzprobleme, und ich bringe sie dazu, zu sehen, wie privilegiert sie damit sind.


Ihre Erfahrung des Scheiterns nutzend, machen Sie heute Geschäfte und beraten geschasste Topshots. Was bieten Sie? Persönliche Berater, Erarbeitung von Netzwerken, 360-Grad-Beurteilung, 24-Stunden-Service.


Und was kostet das? Unseren Service kauft man fürs Leben. Er kostet pauschal 100 000 Franken. Den Rhythmus und die Intensität bestimmt der Kunde. Egal, wie alt jemand ist, wie intensiv jemand unseren Rat wünscht.


Interview: Iris Spogat Kuhn