Als 1989 die Berliner Mauer fiel, dämmerte es der Denkmalpflege in Ost-Berlin schnell: Die Sprayer kommen und die Sprühdosen werden nicht nur auf Fassaden der sozialistischen Plattenbauten gerichtet, sondern die Sprayer werden die altehrwürdigen Gemäuer des Brandenburger Tors ebenfalls mit ihren «Tags», «Bombs» und «Pieces» versehen.
Die Denkmalschützer suchten nach einem Oberflächenschutz und gelangten an Peter A. Buchli, Geschäftsführer und Mitinhaber der PSS Interservice. Die Firma hatte mit dem Patent des schwedischen Professors Sigfrid Svensson ein neues Wundermittel im Angebot: Mit einem in Wasser aufgelösten Mehl aus Samen, das wie Kleister einen witterungsbeständigen Film bildet, lässt sich ohne optische Veränderung die Fassade überziehen. «Nach einer Spray-Attacke braucht es dann nur heisses Wasser, um die Firnis abzuspritzen», erklärt Buchli und setzt hinzu: «Im Gegensatz zu konventioneller farblöslicher Chemie stellt die PSS- Technologie eine für Mensch, Tier und Umwelt vollständig ungefährliche Lösung des Graffitiproblems dar.»
Skandal um Stelen
Peter Buchli ist mittlerweile zu einer Koryphäe auf dem Gebiet der Graffitiabwehr geworden. Neben seinen technischen Detailkenntnissen besitzt der frühere Verkaufsleiter von Brown, Boverie & Cie ein Faible, neue Märkte zu erschliessen. Dabei war der Schutzanstrich am Brandenburger Tor ein willkommener Türöffner, um das neue Produkt mit dem Namen PSS 20 populär zu machen. In der deutschen Metropole reihen sich zwischenzeitlich die mit diesem Mittel geschützten Bauten wie an einer Perlenkette im Stadtzentrum auf: Brandenburger Tor, Reichstag, Bundespresseamt, Schweizer Botschaft oder Adlon Hotel sind unter Vertrag der deutschen Tochter PSS Interservice.
Doch letztes Jahr ist die Serie bei einem besonders prestigereichen Projekt gerissen. Das Holocaust-Denkmal mit 2700 Stelen, die an die von den Nazis ermordeten Juden Europas erinnern, sollte nicht an das Schweizer Unternehmen gehen, sondern an Degussa. Dass sich ausgerechnet der deutsche Chemieriese den Auftrag angelte, hatte im November 2003 erst einmal für einen Baustopp gesorgt. Denn manche Repräsentanten der jüdischen Organisationen fanden es stossend, dass mit Degussa eine Nachfolgefirma, die in direkter Linie zu dem Hersteller des Zyklon B für die KZ-Gaskammern stand, am Erinnerungsmonument der Shoa mitwirkte. Aber auch die rüden Praktiken, wie sich Degussa den Auftrag ergatterte, sorgte für Schlagzeilen. Erst als eine undichte Stelle aus der Baubehörde des Berliner Senats den Bieterpreis der PSS 20 von 467 000 Euro durchsickern liess, gewährte Degussa deftige Preisnachlässe gegenüber der ersten Offerte. Das Insidergeschäft wurde der Öffentlichkeit noch als Mäzenatentum verkauft. Der Geschäftsführer der deutschen Tochter PSS Interservice, Stephan Wagener, liess seinem Unmut über die dubiosen Geschäftspraktiken vor der Kamera der ARD freien Lauf: «Zurückblickend ist es eine Riesenschweinerei, wie es abgelaufen ist.»
Sein Schweizer Chef Buchli will nicht ganz so harsch urteilen. Aber auch er findet es stossend, dass Degussa seine Geschäftspraktiken in der Grauzone noch als Mäzenatentum preist. Buchli ist indes optimistisch, dass sich auch ohne Stelen-Auftrag die kleine Schweizer Firma mit ihren Tochterunternehmen in Deutschland, Frankreich sowie Partnern in den meisten anderen europäischen Ländern rasch entwickeln wird: «In den letzten Jahren haben wir jährlich um 30% zugelegt.» Dieses Jahr hofft Buchli, dass die PSS-Gesamtgruppe die Schallgrenze von 10 Mio Fr. durchbricht und für 2008 ist ein Umsatz von über 15 Mio Fr. angepeilt.
Besonders die Schweiz, in der die PSS Interservice mit Geschäftsitz in Geroldswil Heimvorteil hat, entwickelte sich zu einem starken Wachstumsmarkt. Seit 1997 verzeichnen die Graffitischützer in ihrem Stammland ein Umsatzplus von 414%. Nach Ansicht Buchlis liegt der Erfolg vor allem im Produkt und Geschäftsmodell begründet. «Wir haben den Fassadenschutz zum Kerngeschäft gemacht. Unsere Servicefachleute haben sich über die Jahre vertiefte Produktkenntnisse angeeignet, wie sie ein Malergeschäft, das sporadisch mit Graffitiabwehr zu tun hat, kaum aufbauen kann», sagt Buchli. Aber auch beim Anbringen des Oberflächenschutzes hat PSS nun über ein Jahrzehnt Know-how erworben. Die Fachkräfte wissen genau, welche Rezeptur für welche Fassade taugt. «Auf dem Bau findet man die verrücktesten Untergründe. Steine aus verschiedenen Steinbrüchen und Klinker aus verschiedenen Lehmgruben mit unterschiedlichsten Eigenschaften», erklärt Buchli.
Spielverderber für Wiederholungstäter
In der Schweiz bietet das PSS-Team für Banken und Behörden, für Multis, Supermarktketten und andere Grosskunden einen besonderen Kontrakt an: Während drei Jahren werden die mit PSS 20 geschützten Bauten alle sechs Wochen von der Firma PSS kontrolliert und aufgebrachte Graffiti werden entfernt. Buchli sieht darin auch eine wirkungsvolle psychologische Abwehrstrategie: «Je schneller ein Graffiti verschwindet, desto weniger Lust haben die Sprayer auf eine Folgeattacke.»
Das Unternehmen arbeitet aber nicht nur mit seinem pflanzlich hergestellten PSS 20. Neuerdings kommt auch eine nanotechnische Imprägnierung unter dem Namen Faceal Oleo als Oberflächenschutz zum Zug. Der Trick dabei: Mit einer geringen Oberflächenspannung weist die aufgetragene, kaum sichtbare Schutzschicht Wasser und Farben ab. Schon bereits bestehende Substanzen, die auch bei der Reinigung von chirurgischem Besteck in Spitälern verwendet werden, wurden so aufbereitet, dass sie auch für poröse Baumaterialien einsetzbar sind.
Firmen-Profil
Name: PSS Interservice AG, Rebbergstrasse 10, Postfach 315, 8954 Geroldswil
Gründung: 1991
Geschäftsleitung: Peter A. Buchli, Geschäftsführer und Mitinhaber
Umsatz: Eigene PSS Firmen (CH, DE, FR): 8 Mio Fr., (mit Länderpartnern rund 20 Mio Euro)
Beschäftigte: 30
Produkte: Graffitischutz für Bauten, chemische Graffitientferner, Schmutzschutz für Bauten und Böden (aussen und innen), Betonlasur
Technologien: PSS 20 Polysaccharid-Technologie, Faceal Oleo-Nano-Technologie, Faceal Colour-Multifunktionale Lasur, PSS Subito-Antigraffiti-Farbe
Internet: www.pss-technology.com