Dem Lärm der Bilanzpressekonferenzen und anschliessenden Generalversammlungen geht oft eine grosse Stille voraus wenn bei kotierten Unternehmen die so genannte Quiet Period in Kraft tritt.

Die im angelsächsischen Raum weit verbreitete Praxis kommt einer Informationssperre gegenüber den Investoren gleich. Das erklärte Ziel: Dafür zu sorgen, dass kurswirksame Daten bis zur Bilanzmedienkonferenz unter dem Deckel bleiben. Bei den im SMI-Index der Schweizer Börse gelisteten Unternehmen ist die Quiet Period inzwischen gang und gäbe, obwohl sie in der Schweiz gar nicht Pflicht wäre.

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So wird geschwiegen

Bei manchen Unternehmen beginnt die Quiet Period schon vier Wochen vor Bekanntgabe von Quartals-, Semester- oder Jahresresultaten. Andere spannen den Schirm erst wenige Tage vor dem Termin. Die Dauer der Sperrfrist hängt dabei auch vom Prozess der Datenerhebung ab: Ein Handelsbetrieb hat seine Zahlen vergleichsweise rasch beisammen, während Versicherungen und Banken erheblichen Mehraufwand betreiben müssen. Die Bank Julius Bär etwa verzichtet jeweils vier Wochen vor Bekanntgabe des Halbjahres- und Jahresabschlusses auf «aktive Kommunikationsmassnahmen». Will heissen: Keine Konferenzen, keine Meetings mehr. Und keine Stellungnahmen zu sensiblen Themen wie Zahlenerwartungen.

Strenge Richtlinien also und genau das ist die Absicht. Denn die Quiet Period richtet sich eben nicht nur nach aussen, sondern auch an das Unternehmen selbst. Insbesondere besteht die Befürchtung, dass das Management aus Unachtsamkeit wichtige Informationen ausplaudern könnte. Das bestätigt Jan Bielinski, Verantwortlicher für die Kommunikation bei Julius Bär. «Es geht darum, der Unternehmensführung Regeln für die Kommunikation zu geben.» Bei Holcim werden diese Regeln ausformuliert. Dem Management steht dort ein umfangreicher Frage-Antwort-Katalog zur Verfügung, um erfahrenen Fragestellern entgegenzutreten.

Diese haben erwartungsgemäss ein zwiespältiges Verhältnis zur Schweigefrist. Wirtschaftsjournalist Jörg Becher stören in erster Linie die offensichtlichen Missbräuche des Konzepts: «Die Quiet Period dient den Unternehmen ein Stück weit als Feigenblatt. Da heisst es auch bei nichtbörsenrelevanten Informationen schnell einmal: Entschuldigung, wir können keine Auskunft geben.» An solchen Fällen totaler Informationssperre stossen sich auch die Analysten. Allerdings sehen sie die Angelegenheit gelassener: «Analysten müssen fähig sein, auch ohne Hilfe der Firmen die richtigen Schlüsse zu ziehen», sagt Reto Amstalden von der Helvea. Andreas Frick, Analyst bei der Bank Sarasin, kann der Quiet Period sogar eine positive Seite abringen. Er hält sie für ein gutes Mittel, um selektive Informationen an einzelne Investoren zu unterbinden.

Gleich lange Spiesse für alle Anspruchsgruppen: Dies ist ursprüngliche Forderung hinter der Quiet Period. Seitens der Firmen ist man denn auch bemüht, diesen Aspekt hervorzustreichen. «Wir achten sehr auf eine faire Handhabe relevanter Informationen», sagt Peter Fehlmann, Head of Investor Relations bei Synthes. Damit haben die Firmen einen weiten Weg hinter sich gebracht. Anfang der 90er Jahre sei es so gewesen, dass lokale Investoren leichter an Informationen gelangten als ausländische, berichtet Frick.

Zum absoluten Schweigen wird es jedoch nicht kommen. Gemäss Kotierungsreglement der Swiss Exchange (SWX) unterstehen kotierte Unternehmen nämlich der Pflicht zu Ad-hoc-Publizität: Der Emittent muss den Markt über potenziell kursrelevante Tatsachen informieren. 365 Tage im Jahr.