Rating-Agenturen sind bei Unternehmen ähnlich beliebt wie die Steuerbehörde. Dennoch wird kein Aufwand gescheut, um die lästige Neugier der Rating-Analysten zu befriedigen. Der Grund: Ratings spielen eine wichtige Rolle für das Funktionieren der Finanzmärkte und sind aus diesen kaum wegzudenken. Das bedeutet jedoch nicht, dass ihre Urheber von Kritik verschont blieben.

Die beiden marktführenden Rating-Agenturen, Standard & Poor's (S&P) und Moody's, hatten bisher ein nahezu sorgloses Leben. Obwohl weltweit schätzungsweise gegen 150 Rating-Gesellschaften existieren, bringen es nur drei auf eine weltweite Akzeptanz und damit eine nennenswerte Position in diesem Geschäft.

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Die drei grössten Gesellschaften wurden zwischen 1909 und 1924 in den USA gegründet und verdanken ihre Vormachtstellung nicht zuletzt der US-Börsenaufsicht SEC. 1975 machte eine Regulierung der Kapitalanforderung für Wertschriftenhändler eine Qualitätsbeurteilung der in ihren Portefeuilles gehaltenen Obligationen notwendig. Die SEC bestimmt seither, welche Gesellschaften qualifiziert sind, um eine solche Einschätzung abzugeben. Derzeit sind dies die drei grössten Rating-Firmen sowie Dominion Bond Rating Services. S&P, Moody's und Fitch wissen diese Position zu nutzen. Ihre Umsätze legen seit Jahren zu. S&P, die umsatzstärkste Agentur, steigerte sich 2003 um 13,7% auf 1769 Mio Dollar. Unter dem Strich verbleiben fette Gewinne. Bei Moody's liegt die operative Marge über 50%.

In den 80er Jahren schickten sich die US-Gesellschaften an, die Rating-Märkte im Ausland zu erobern mit Erfolg. Die Glaubwürdigkeit aus der Erfahrung in den US-Märkten sowie die weltweite Vergleichbarkeit der Bonitätsnoten brachten in globalisierten Kapitalmärkten einen Startvorteil. Das grösste Kapital der Herrscher über die Schuldnerqualität ist ihre Reputation. Diese litt etwas, als die grossen US-Bilanzskandale von ihnen beinahe unbemerkt blieben. Neben der Gemächlichkeit bei Rating-Entscheiden wird auch die Quasi-Monopolstellung der beiden Grossen angeprangert, nicht zuletzt von Fitch, die unfaire Wettbewerbspraktiken geltend machte.

Satte Gebühren

Rating-Agenturen verdienen ihr Geld in erster Linie mit Gebühren auf Benotungen von Wertpapieremissionen, die sie ihren Kunden verrechnen. Bei Moody's basieren 57% davon auf einzelnen Transaktionen, 24% auf Grund einer kontinuierlichen Kundenbeziehung, z. B. bei regelmässigen Emittenten. Für Transaktionen wird ein Prozentsatz des Emissionsvolumens als Gebühr erhoben. Moody's verrechnet grundsätzlich aber mindestens 50000 Dollar und höchstens 175000 Dollar je Emission, wobei Ausnahmen je nach Transaktion möglich sind. Bei fortlaufenden Kundenbeziehungen werden die Preisangaben jedoch vage. Bei S&P verweist man darauf, dass man den Wert der Dienstleistung für den Kunden verrechne. Wie viel ein Unternehmen jährlich für die Dienste einer Rating-Agentur insgesamt ausgibt, ist daher schwierig zu sagen, Schätzungen gehen aber bis auf 1,5 Mio Dollar oder noch höher.

Die Firmen verdienen ihr Geld heute nicht mehr nur mit dem Vergeben von Bonitätsnoten für Emissionen. Sowohl Moody's als auch S&P und Fitch offerieren in separaten juristischen Einheiten beispielsweise verschiedene Arten von computerbasierten Datenbank- und Analyse-Tools für Märkte oder Portefeuilles. S&P hat zudem in ihren Indexprodukten allen voran dem S&P 500 einen Renner, der fleissig Lizenzeinnahmen beschert. Nun hofft man dort auf zusätzliche Geschäftsmöglichkeiten mit unabhängigem Aktienresearch. Sowohl Moody's als auch S&P verfügen über getrennte Einheiten, die seit Jahren Investoren mit Research beliefern, wobei Moody's sich auf Kreditanalysen konzentriert.

Chinesische Mauern

Um Interessenkonflikten vorzubeugen, wurden vor Jahren Chinese Walls errichtet. Zur Vorbeugung von Interessenkonflikten existieren etwa bei S&P verschiedene Chinese Walls, so auch innerhalb des Kreditrating-Bereichs. Ein Kunde, der sich über die Höhe seiner Gebühren unterhalten möchte, wird dazu nicht mit den Analysten reden, sondern mit einer separat tätigen Geschäftseinheit. Die Rating-Firmen sind den Regulatoren hier voraus. Die SEC arbeiten derzeit erst an Vorschriften für die Rating-Agenturen; IOSCO, die weltweite Vereinigung der Finanzmarktaufsichtsbehörden, erliess im Herbst 2003 Empfehlungen.

Aller Kritik zum Trotz ist es wenig wahrscheinlich, dass die grossen Rating-Agenturen an Bedeutung verlieren werden. Allein die Verbriefungen verschiedenster Forderungen (Hypotheken, Kreditkarten etc.) wird in Zukunft zunehmen, Transaktionen werden komplexer werden. Umso eher werden Anleger um Orientierungshilfen froh sein. Weil Schuldner zunehmend die Kapitalmärkte anzapfen statt der Hausbank, dürfte den Bonitätsprüfern die Arbeit nicht ausgehen. Entsprechend hegen die Muttergesellschaften von S&P und Fitch ihre Töchter, sind sie doch die Zugpferde in den Gemischtwarenläden. McGraw-Hill verfügt neben S&P über einen Lehrmittel- sowie Magazinverlag. Die französische Fimalac besitzt eine weitere Tochter, die Werkzeuge produziert, und eine Chemielager-Einheit, deren Verkauf angekündigt wurde. Einzig Moody's ist seit 2000 eine eigenständige Gesellschaft.

Grosses Potenzial in Europa

Das grösste Wachstumspotenzial in den kommenden Jahren sehen die Bonitätsprüfer in Europa, wo Fitch 2003 nach Meinung von Branchenkennern Boden gegenüber den beiden Grossen gutgemacht hat. Gleichzeitig wird mit dem Eingehen auf Kritik von Nutzern der Ratings versucht, die Position in den etablierten Märkten vor allem USA zu festigen. Änderungen dürften zukünftig bei der Transparenz der Rating-Entscheide zu erwarten sein, ein Umstand der von Analysten und Händlern oft kritisiert wurde. Dass der Wettbewerb etwa durch Markteintritt neuer Agenturen zunehmen wird, steht nicht zu erwarten. Der Aufbau einer Reputation über die Jahre hinweg wäre eine Voraussetzung dazu. Doch hinter den grossen Drei ist kein ernsthafter Konkurrent in Sicht. Die Akzeptanz weiterer Agenturen durch Regulatoren dürfte daran nur wenig ändern.

Die drei grössten Rating-Agenturen: S&P Moody's Fitch

Umsatz (in Mio Dollar) 1769 1250 403 Euro

Betriebsgewinn (in Mio Dollar) 668 663 100 Euro

Operative Marge (in %) 37.7 53.0 24.8

Beschäftigte 5000 2300 1200

Marktanteil (in %) ca. 40 ca. 40 ca. 14

Muttergesellschaft McGraw-Hill Companies Moody's Fimalac

* Zahlen per Ende 2003

Quelle: Unternehmensangaben.



Rating: Wie Noten vergeben werden

Ein Rating gibt Aufschluss über die Bonität eines Schuldners, das heisst seine Fähigkeit, Schulden und Zinsen zu bezahlen. Die Bezeichnung der vergebenen Noten variiert von einer Rating-Agentur zur anderen, reicht aber grundsätzlich von der Bestmarke AAA bis D, wenn ein Schuldner in Verzug gerät. Innerhalb dieses Rasters wird zwischen Anlagequalität und Spekulativer Qualität unterschieden. Anlagequalität umfasst die Noten AAA bis und mit BBB. Gewisse Anleger dürfen auf Grund von Regulierung oder Statuten nur in solche Papiere investieren. Das Rating beeinflusst die Kapitalkosten eines Unternehmens massgeblich. (sj)