Persönlich hat Karol Wojtyla fast nichts besessen. Dennoch hat Papst Johannes Paul II. fast 27 Jahre lang ein immenses Vermögen kontrolliert - als Oberhirte der katholischen Kirche hatte er auch das letzte Wort über das international verzweigte Finanzimperium des Vatikans. Insiderschätzungen über die Höhe des Vermögens des kleinsten Staates der Welt klaffen weit auseinander. Von 1,2 Mrd Euro bis zu 12 Mrd Euro und mehr ist die Rede. Umstritten ist etwa, ob die unermesslichen Kunstschätze der vatikanischen Museen bilanziert werden können und mit welchem Wert.

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Die vier Säulen der Vatikanfinanzen

Als steuerfreie Zone innerhalb Italiens beansprucht der Vatikan das Recht, seine Finanzgeschäfte diskret abgeschirmt von Schweizer Gardisten im Schutz der hohen Mauern des Stadtstaates abzuwickeln. Seit Anfang der 90er Jahre ist man deutlich bemüht, die in 2000 Jahren natürlich gewachsene Organisationsstruktur zu vereinfachen. Doch von einem schlanken wirtschaftlichen Unternehmen ist die Zentrale der katholischen Kirche noch weit entfernt. Die Verwaltung der Vermögenswerte ruht auf vier Säulen:

- Dem Gouverneur des Stadtstaates Vatikan. «Bürgermeister» Kardinal Edmund Szoka ist für Einnahmen und Ausgaben auf dem Territorium zuständig;

- Der Vermögensverwaltung des Heiligen Stuhls (Apsa). Kardinal Attilio Nicora zahlt nicht nur die Gehälter, der operative Finanzarm des Papstes entscheidet auch über Investitionen;

- Dem Institut für Religiöse Werke (IOR). Die 1942 von Papst Pius XII. gegründete Bank wird von einem weltlichen Manager, dem Bankier Angelo Caloia, geführt und von einer Kardinalskommission kontrolliert. Eigentümer der autonomen juristischen Einrichtung ist der Papst, der auch die Gewinne beansprucht.

Während IOR und Apsa weder Bilanzen noch Rechenschaftsberichte veröffentlichen, gewährt Kardinal Sebastiani seit 1991 Einblick in Einkünfte und Ausgaben des Heiligen Stuhls, also der Kurie, und der Vatikanstadt.

Nach Bilanzüberschüssen von 1993 bis zum Jahr 2000 sind die beiden getrennt geführten Haushaltsrechnungen in den vergangenen drei Jahren in die roten Zahlen gerutscht. Grund dafür ist nicht nur der Rückgang des Spendenaufkommens. Denn die «gänzlich ungünstige Entwicklung der Weltwirtschaft», so Sebastiani, verschone auch die investierten Kirchengelder nicht.

Die Ausgaben des Vatikanstaats mit seinen 1534 Angestellten - darunter 63 Gärtner - überstiegen im Jahr 2003 um 8,8 Mio Euro die Einnahmen von 149,9 Mio Euro. Geld bringen etwa der Supermarkt, der steuerfreie Verkauf von Zigaretten und eine Tankstelle (53% des Budgets), aber auch die Eintrittsgelder der vatikanischen Museen (19%) und der Verkauf der begehrten Vatikan-Euro-Serie. Von dem verhältnismässig geringen Budget - viele der unabhängig geführten Bistümer oder Landeskirchen haben einen grösseren Etat - wird auch der internationale Sender Radio Vatikan unterstützt.

Noch schlechter sieht es für den Heiligen Stuhl, die Zentralverwaltung der katholischen Kirche, aus. Die Ausgaben für die neun Kongregationen, drei Tribunale, elf päpstlichen Konzile und 118 päpstlichen Vertretungen weltweit überstiegen 2003 um 9,5 Mio Euro die Einnahmen von gut 200 Mio Euro aus Spenden, Steuern und Immobilienbesitz.

Zwischen Verantwortungund Finanzsorgen

Um die Kosten in den Griff zu bekommen, hat sich die Kurie von Ernst & Young beraten lassen. Ergebnis war ein Sparprogramm sowohl in der Zentrale in Rom als auch in den Ortskirchen.

Aussenstehende Berater drängen die Kirche derweil, aggressiver zu investieren. So machen die vorwiegend konservativen Anlagen in Dollar wenig Sinn, wenn die Bücher in Euro geführt werden. Goldreserven und Immobilienbesitz könnten beliehen werden, um Kapital flüssig zu machen.

Eine entscheidende Rolle würde dabei dem IOR zufallen. Nach den Verwicklungen in den Finanzskandal um den Zusammenbruch der Banco Ambrosiano in den 80er Jahren hat seit 1990 der Bankmanager Caloia gegen viele interne Kritiker einen Reformprozess vorangetrieben. Heute beschäftigt die Bank 120 Mitarbeiter. Zu ihrem Kundenkreis von 10000 juristischen und natürlichen Personen gehören Diözesen, Privatunternehmen mit religiösen Anliegen und vor allem Frauenorden. Das IOR ist gut vernetzt in der römischen Finanzszene. So gilt der Chef der italienischen Zentralbank als überzeugter Katholik.

Robert Studer: Banker des Papstes

Rat holt sich Caloia bei vier Top-Finanzexperten, die achtmal im Jahr nach Rom reisen. Neben Theodor E. Pitzcker (Deutsche Bank), José Angel Sánchez Aslain (BBVA), Virgil C. Dechant (Cavalieri di Colombo) haben vor allem die beiden ehemaligen UBS-Präsidenten Philippe de Weck und heute sein Nachfolger Robert Studer die Papstbanker auf Effizienz getrimmt. «Ich muss vorsichtig sein, weil es nicht mein Geld ist, sondern das des Heiligen Stuhls», hat Caloia 2004 dem befreundeten Journalisten Giancarlo Galli für dessen Buch über die «Weisse Finanz» gestanden. Persönlich würde er forscher investieren. Vielleicht tut dies ja auch der nächste Papst.

Barbara Wörmann, Rom