Kurt Viermetz spricht Klartext: «Ich habe in meiner ganzen Karriere noch nie so viel Pessimismus erlebt», sagt der Aufsichtsratsvorsitzende der Münchner HypoVereinsbank. Die anhaltend schlechte Konjunktur habe bei den Unternehmen zu einer so starken Zurückhaltung geführt, wie sie nicht nur dem ehemaligen Vizepräsidenten der US-Investmentbank J.P. Morgan fremd ist. Und die Banken, das einstige Rückgrat der Wirtschaft als Geld- und Ideengeber, finden nicht die geeigneten Mittel, um die Firmen aus diesem tiefen Tal herauszuführen.

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Rolf Breuer, Aufsichtsratsvorsitzender der Deutschen Bank, gibt zu: «Heute agiert das Kreditgewerbe tendenziell prozyklisch, und das macht mir Sorgen.» Breuer glaubt, dafür auch eine Erklärung gefunden zu haben. Die Risikomodelle, Prognosen und Rechnungen der Banken seien im Wesentlichen rückwärtsgewandt und daher mathematische Einbahnstrassen.

Rigidere Kreditvergabe

Durch bessere Frühwarnsysteme könnten die Banken also die Zukunft besser vorhersehen; dann würden sie die Wirtschaft auch nicht noch mehr ins Tief ziehen, wie das zurzeit geschieht. Trotz offensichtlicher Kreditprobleme scheuen sich aber alle Beteiligten, von einer Bankenkrise zu sprechen. Es gebe vielmehr eine Ertragskrise, sagt Breuer. Deshalb werde es wieder bergauf gehen, wenn die Hausaufgaben gemacht seien.

Das deutsche Bankensystem sei nach wie vor gesund, attestiert auch Bundesbank-Präsident Ernst Welteke. Und Viermetz von der HypoVereinsbank weist den Vorwurf zurück, dass die Banken durch eine zu rigide Kreditvergabe die Probleme der Unternehmen noch verschärfen würden. Er zieht Daten der Bundesbank bei, laut denen ein solcher Verdacht nicht gerechtfertigt sei. Zwar sei die Kreditvergabe der Banken und Sparkassen in Deutschland seit dem Winter 2000/2001 stärker zurückgegangen, als es die Entwicklung von Einkommen und Zinsen hätte erwarten lassen. «Eine Kreditklemme haben wir aber nicht», betont Bundesbank-Vorstand Edgar Meister.

Dennoch ist es kein Geheimnis, dass sich die Vergabepraxis der deutschen Banken grundlegend verändert hat. In den Zeiten der Hochkonjunktur und des Börsenbooms bemühten sich die «konservativen» Banker des Firmenkundengeschäfts mit ihren «innovativen» Kollegen des Investmentbanking mitzuhalten. Je mehr Abschlüsse, desto besser: Was Wunder, dass die Risikoprüfung eher nachlässig ausfiel schliesslich ging es ja stets nur aufwärts.

Inzwischen gab es in Deutschland in diesem Jahr über 40000 Pleiten, und der Immobilienmarkt in Ostdeutschland ist zusammengebrochen: Deshalb ist es vor allem für die ohnehin oft nur spärlich mit Eigenkapital ausgestatteten Mittelstandsfirmen viel schwieriger geworden, von den Banken frisches Geld zu bekommen. Das liegt nicht nur daran, dass die Banken infolge der bevorstehenden neuen Eigenkapitalrichtlinien bei der Kreditvergabe (Basel II) strengere Massstäbe anlegen müssen; vielmehr sitzen Banken schon heute auf hohen Kreditposten, wofür sie eine unerwartet hohe Risikovorsorge aufbauen müssen.

Rote Zahlen im dritten Quartal

Das mindert die Einnahmen, die auch in anderen Geschäftszweigen unter Druck kommen. Mehr als 1 Mrd Euro operativen Verlust brachte die Dresdner Bank ihrer Muttergesellschaft Allianz im ersten Halbjahr. Commerzbank-Chef Klaus-Peter Müller schließt ein Minus in der Rechnung der kleinsten der vier privaten Grossbanken sogar für das Gesamtjahr nicht mehr aus im Frühjahr hatte er noch einen operativen Gewinn von 700 bis 800 Mio. Euro vorhergesagt. Selbst die bisher stets so solide Deutsche Bank rutschte erstmals im dritten Quartal mit fast 300 Mio. Euro nach Steuern in die Verlustzone.

Das lag vor allem daran, dass die Bank ihre Risikovorsorge von 135 auf 790 Mio. Euro aufstocken musste. Allein 200 Mio. Euro sind eine Pauschalwertberichtigung, die eine Umstellung der Bemessung für «inhärente Risiken» reflektiere, wie Vorstandschef Josef Ackermann erklärte.

Zwar kann das grösste deutsche Kreditinstitut zum Ausgleich immer noch auf einen stattlichen Reserveschatz aus ihren Beteiligungen zurückgreifen, der den Gewinn per Ende September immerhin noch auf 3,3 Mrd. Euro hochschnellen liess. Doch auch der Wert dieser Beteiligungen schmilzt infolge der Börsenflaute dahin.

Auf der anderen Seite wachsen die Risiken unaufhörlich. Die HypoVereinsbank, die das grösste Kreditportfeuille aller deutschen Banken besitzt, musste im dritten Quartal die Vorsorge weiter aufstocken von 2,5 auf 3,3 Mrd. Euro. Auf fast 700 Mio. Euro belief sich dadurch allein im dritten Quartal der Betriebsverlust. Die Hoffnung des Vorstandes, einen Verlust für das Gesamtjahr vermeiden zu können, erscheint angesichts des mageren Gewinns von 126 Mio. Euro nach Steuern per Ende September sehr optimistisch.

Auf stille Reserven zu hoffen, scheint dabei vermessen: Sie sind nach Angaben von Finanzvorstand Wolfgang Sprissler von 8,2 Mrd. Euro Ende 2001 auf 1,4 Mrd. geschrumpft. Um die hohen Risiken vor allem aus dem Immobiliengeschäft besser kontrollieren zu können, wird unter dem künftigen Vorstandschef Dieter Rampl das gewerbliche Immobiliengeschäft abgespalten. Wenigstens für sein eigenes Haus ist Viermetz optimistisch, damit die richtigen Maßnahmen eingeleitet zu haben: «Wir sind ein gesunder Konzern.»

Golfplatzkredite zu Discountkonditionen

Japan Über Jahrzehnte vergaben die Banken unbeirrt Kredite in Milliardenhöhe zu extrem tiefen Zinsen. Dabei vernachlässigten sie jedoch die Risikovorsorge. Die faulen Kredite zu bereinigen, fällt den Instituten schwer. Zu eng sind sie mit Unternehmen aus verschiedenen Branchen verbandelt.

Die Banken in Japan gehören gemessen an ihrer Bilanzsumme zu den grössten Kreditinstituten der Welt. Doch Grösse allein macht nicht stark. Trotz ihrer Grösse sind die Institute schon seit langem in Schwierigkeiten.

Die Probleme sind vielschichtig. Umfangreiche und nach wie vor wachsende notleidende Kredite belasten die Bilanzen der Institute schwer. Das Volumen der faulen Kredite wird inzwischen auf 52 Billionen Yen oder umgerechnet rund 422,6 Mrd. Dollar geschätzt.



Zum anderen erfordert der Verfall der Aktienkurse massive Wertberichtigungen im Beteiligungsportfeuille. Das Eigenkapital schrumpft, und der Marktwert der börsennotierten Institute ist unter die Buchwerte gefallen.

Keine vernünftige Kreditvorsorge

Japanische Banken halten traditionell hohe Beteiligungen an anderen börsennotierten Unternehmen. Viele dieser Firmen sind gleichzeitig Kunden. Das grosse Problem ist, dass die Banken über Jahrzehnte eine enge Beziehung zu hoch verschuldeten Unternehmen aufgebaut haben, und zwar vor allem zu Bau-, Immobilien- und Einzelhandelsfirmen.

Besonders heikel ist die Lage in der Bauindustrie. Eigentlich sind die meisten Unternehmen zahlungsunfähig. Das ist umso schlimmer, als jeder zehnte Arbeitnehmer direkt oder indirekt von der Baubranche abhängig ist. Kein anderer Wirtschaftszweig ist von der Beschäftigung her ähnlich bedeutend.

Über Jahrzehnte vergaben die Banken unbeirrt Kredite in Milliardenhöhe zu extrem niedrigen Zinsen, und das ohne eine vernünftige Kreditvorsorge. Gewissen Schätzungen zufolge sollen sich diese Kredite auf umgerechnet rund 247 Mrd. Euro belaufen.

Es ist gerade die enge Verknüpfung mit börsennotierten Firmen, welche die Banken trotz der desperaten finanziellen Situation vieler Unternehmen daran hindert, den Geldhahn zuzudrehen. Hinzu kommt, dass die meisten Banken keine ausreichenden Rückstellungen bildeten. Das ist die Folge davon, dass dank der tiefen Zinsen selbst das schwächste Unternehmen seine Schulden bedienen kann. In Japan soll es eine Liste der so genannten «Dirty Thirty» geben. Dabei handelt es sich um 30 der am höchsten verschuldeten Firmen.

Das Problem sind aber nicht nur die notleidenden Kredite. Lange haben die Banken abgeschottet von der Aussenwelt auf eine selbstkritische Betrachtung ihrer internationalen Wettbewerbsfähigkeit verzichtet.

Vor allem im herkömmlichen Kreditgeschäft weisen die Institute nach wie vor erstaunliche Schwächen auf. Indem sie lange vor allem als grosszügige Finanziers von teilweise dubiosen Immobilienunternehmen auftraten, vernachlässigten sie das langfristig lukrative Kreditgeschäft mit der privaten Kundschaft. In kaum einem anderen vergleichbaren Land wurden die privaten Kunden so vernachlässigt wie in Japan.

Die Folge ist, dass zahlreiche kleinere innovative Bankinstitute in diese Nische vorgestossen sind; zudem bringen viele Japaner einen Teil ihres Geldes ins Ausland.

Die Regierung greift erneut ein

In den letzten Jahren haben sich die japanischen Banken einer strengen Schlankheitskur unterzogen. Sie schlossen Filialen im In- und Ausland, kürzten Direktorengehälter und entliessen Personal. Gleichzeitig erhöhten die Geldhäuser die Anstrengungen, um die faulen Kredite abzubauen. Doch Experten beurteilen diese Bemühungen als mangelhaft.

Auch die Regierung bemüht sich seit Jahren darum, die Schwierigkeiten der Banken zu beheben. Gleich zweimal kam sie den Instituten mit Finanzspritzen zu Hilfe. Bislang scheut man sich aber vor schmerzhaften Massnahmen. Fusionen brachten nicht den erhofften Erfolg, sondern vervielfachten die Probleme.

Angesichts der Riesensumme notleidender Kredite legte die Regierung vor kurzem ein neues Paket zur Bankenreform vor. Abermals fehlt der Regierung aber der Mut, radikale Pläne durchzusetzen. Wirtschaftsminister Takenaka war angesichts politischen Drucks gezwungen, seine ursprünglichen Pläne, die zur Verstaatlichung einiger Grossbanken geführt hätten, zu verwässern. Nun ist vorgesehen, dass die Banken bis 2004 das Volumen der faulen Kredite halbieren.

Ökonomen glauben, dass die Massnahmen sich nur langsam auf die bereits katastrophale Konjunkturlage auswirken werde. Solange die Preise weiter fallen, sei es unmöglich, die faulen Kredite erfolgreich abzubauen. Bankbankrotte sollten endlich möglich sein, und Fusionen müssten um einiges schneller durchgezogen werden. Vor allem aber fordern die Experten: Die Institute müssen wieder beweglicher werden.