Vor rund einem Jahr hat der Tennismaestro Roger Federer vor Absolventinnen und Absolventen der amerikanischen Ivy-League-Universität Dartmouth College eine bemerkenswerte Rede gehalten.

Nun ist Federer weder Bähnler noch Submissionsspezialist. Und doch enthält seine Ansprache mit Blick auf die gehässige Debatte um den Milliardenauftrag, den die SBB an Siemens vergeben haben, Lehrreiches.

Federer hat 46 Prozent aller Punkte verloren

Im Kern sprach Federer über den kleinen Unterschied zwischen dem Gewinnen und Verlieren. Die Rede gipfelte in der Feststellung, dass er in seiner Karriere bloss 54 Prozent aller gespielten Punkte gewonnen habe. Und er betonte, dass er demnach 46 Prozent aller Punkte eben verloren habe.

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Wenn selbst der Goat des Tennis fast die Hälfte aller Punkte verliert, sollte sich – so die Message – niemand darüber aufhalten, ab und an zu verlieren. Entscheidend ist nicht der verlorene oder der gewonnene Punkt. Entscheidend ist immer der nächste Punkt.

Stadler Rail gehört zu den Gewinnern, Firmenpatron Peter Spuhler ebenfalls. Er hat den übernommenen Bähnlibauer aus der Provinz Auftrag für Auftrag zu einem Weltkonzern gemacht. Und zu einer Jobmaschine, in der Schweiz und anderswo. Eine unternehmerische Leistung der Extraklasse.

Es ist Spuhlers gutes Recht, grosse Fragezeichen hinter den Auftrag der SBB an Siemens zu setzen. Er soll das Bundesverwaltungsgericht mit einer Überprüfung der Vergabe beauftragen. Falls ein allfälliges Verfahren Mängel ans Licht bringt, müssen die SBB über die Bücher und die Verantwortlichen benennen. Aber Spuhler, der Gewinnertyp, soll sich jetzt mit dem für ihn typischen Engagement um den nächsten Auftrag kümmern. Das ist das eine.

«Switzerland first»? Als ob die Schweiz eine Weltmacht sei

Das andere ist die wirtschaftsnationalistische Aufwallung, die die Schweizer Gemüter derzeit erregt. Insbesondere in Bundesbern, wo Politiker jeglicher Couleur allen Ernstes bereits einen «Switzerland first»-Vergabeansatz fordern und ganz aufgeregt dem populistischen Bruch mit WTO-Regeln das Wort reden. Als wäre die Schweiz eine Weltmacht, die schalten und walten kann, wie sie will!

Diese Helvetotrumpisten seien an zwei Dinge erinnert. Erstens: Die Schweiz lebt vom Export, vom Handel, von Fairness. Das sollten wir nicht aufs Spiel setzen. Auch weil ein geschätzter Unternehmer völlig zu Recht keinerlei Probleme damit hat, Wertschöpfung aus der Schweiz zu verlagern, wenn es darum geht, Aufträge aus dem Ausland zu bekommen. Zweitens: Das strategische Problem für Stadler Rail heisst weder Siemens noch Alstom noch Bombardier. Sondern CRRC. Denn der hochsubventionierte staatliche Bahnkonzern aus China hat seit wenigen Tagen die ersten Doppelstockzüge in Österreich auf der Schiene. Ein Satzgewinn für CRRC.

Entscheidend aber ist, lehrt uns Roger Federer, wer das Match gewinnt.