Der Mann weiss sich zu inszenieren. «Viele, zu viele Wirtschaftsführer haben sich – auch in der Schweiz – jahrelang über die Politik hinweggesetzt, sie als überflüssig bezeichnet und die Rückkehr zum Nachtwächterstaat herbeigeredet», polemisierte Rolf Dörig jüngst in der «Neuen Zürcher Zeitung». Und: «Unkontrollierte Globalisierung, neoliberaler Markt und Wettbewerb als einzig gültige Maximen lauteten ihre Wunschzielsetzungen.» Der Autor ist keineswegs Gewerkschaftsführer – Dörig gehört selber zu dem Establishment, mit dem er ins Gericht ging. Durch den Appell hat er die Diskussion um die politische Verantwortung von Spitzenmanagern neu angeheizt. Geschadet hat der Affront dem Aufstieg des 45-Jährigen nicht. Im Gegenteil. Anfang November wurde Dörig – zuvor Leiter des Schweizer Firmen- und Retail-Geschäfts der Credit Suisse Group – auf den Chefsessel des Versicherungskonzerns Rentenanstalt / Swiss Life berufen. Gerade eine Woche zuvor hatte der Verwaltungsrat die Fühler ausgestreckt. Nach Fehlern bei Rechnungsabschlüssen und umstrittenen Investitionen von Topmanagern war der Leidensdruck innerhalb der Rentenanstalt zu gross geworden. Jetzt soll Dörig die Strategie der Konzentration auf das Kerngeschäft Lebensversicherung in der Schweiz und in ausgewählten europäischen Ländern forcieren. Er will Ruhe in das Unternehmen bringen und Vertrauen zurückgewinnen. Kein Klacks für den bodenständigen Appenzeller, dem der Ruf vorauseilt, innerhalb der Schweizer Wirtschaft besser vernetzt zu sein als irgendjemand sonst aus der jungen Managergarde. Als Übergangskandidat sieht sich Rolf Dörig jedenfalls nicht.

Die Alliierten
Dörig ist bestens vernetzt und hat sich über die Jahre in zahlreichen Verbänden reissfeste Seilschaften geschaffen. So etwa mit Ueli Forster vom Arbeitgeberverband Economiesuisse, Urs Ph. Roth und Georg Krayer von der Schweizerischen Bankiervereinigung oder Fritz Blaser vom Schweizerischen Arbeitgeberverband. Aus seiner Zeit, als er interimistisch als Finanzchef der Expo fungierte, stammt seine Verbindung zu Franz Steinegger und Expo-Macher Martin Heller. Eine zentrale Rolle beim Networking spielt der Zürcher Grasshopper Club, wo Dörig Mitglied des Zentralvorstands ist. Gemeinsam mit dem Wirtschaftsanwalt Peter Widmer machte sich Tenniscrack Dörig zuletzt auf die Suche nach Investoren für den Sportklub – im Auftrag von Rainer E. Gut. In Fritz Gerber und Uli Albers fanden sie neue Partner. Sowohl über die Credit Suisse als auch die Grasshoppers ist Dörig eng mit Andreas Keller von der Diethelm Keller Group befreundet. Verbunden ist Dörig auch mit Flavio Romerio, einem der Schweizer Anwälte, der die Credit Suisse Group im Streit mit den Sammelklägern im Rahmen der Holocaust-Entschädigungen beraten hat, und mit Niklaus Blattner, heute Mitglied des Nationalbank-Direktoriums. Bekannt ist Dörig mit Gerold Bührer, Verwaltungsratsmitglied der Rentenanstalt und bis vor kurzem Präsident der Freisinnigen Partei. Wichtige Ansprechpartner dürften jetzt auch CSG-Topmanager Oswald Grübel und -Chairman Walter Kielholz sein: Mit dem Wechsel an der Spitze rückt die Rentenanstalt noch näher an die Credit Suisse Group heran, die schon mit rund sieben Prozent an der Gesellschaft beteiligt ist.
Die Vertrauten
Rolf Dörig wuchs in Pfaffhausen in einem «sehr intakten Elternhaus» auf, wie er erzählt. Der Vater war Jurist, «liess sich aber in den goldenen Käfig eines Mittelschullehrers und späteren Prorektors einschliessen». Der jüngere Bruder Markus Dörig wurde Anwalt (Kanzlei Badertscher Dörig Poledna), und auch Rolf wollte eigentlich in die Société seines Onkels in Zürich eintreten. Doch die damalige Schweizerische Kreditanstalt schickte Dörig mit Gattin Cornelia nach New York. Der am 19. Mai 1957 geborene Senkrechtstarter ist ein Familienmensch und nimmt sich viel Zeit für seine drei Söhne Lukas, Thomas und Moritz. Eine enge Freundschaft verbindet Generalstabsoberst Dörig mit Andreas Schmid, Präsident der Flughafen-Betriebgesellschaft Unique und des Reiseveranstalters Kuoni. Diesen hat er während seiner Militärzeit kennen gelernt. Auch auf seine Kommilitonen aus der Studentenverbindung Heraldika, etwa Hans Caspar von der Crone, heute Juraprofessor in Zürich, Christian Rahn, Franz Albers oder Konrad Ulrich, den heutigen CEO der Bibus Holding, kann sich Dörig jederzeit verlassen.
Die Förderer
Nach dem Jurastudium assistierte Dörig mit 28 Jahren als Doktorand am Handelsgericht. Den Eintritt in eine Kanzlei schob er 1986 zu Gunsten eines Weiterbildungsjahrs in den USA auf – im Bankgeschäft bei der Schweizerischen Kreditanstalt (SKA). Robert A. Jeker, der damalige Präsident der Generaldirektion, holte ihn im Anschluss als persönlichen Sekretär nach Zürich. Es folgte eine Kette von Funktionen, die ihn auch mit Rainer E. Gut zusammenbrachte. In den letzten Jahren stand Dörig unter dem Einfluss von Lukas Mühlemann, der ihn für das Schweizer Firmenkunden- und Retail-Geschäft verantwortlich machte und als dessen enger Vertrauter er galt – eine zuletzt durchaus zweischneidige Ehre. Dörigs jüngsten Karriereschritt initiierte Andres F. Leuenberger. Eine Woche vor dem Rauswurf von Swiss-Life-Chef Roland Chlapowski streckte der – inzwischen zurückgetretene – VR-Präsident seine Fühler in Richtung Paradeplatz aus.
Die Widersacher
Dörig gilt als unkomplizierter Manager und hat es bisher tunlichst vermieden, sich während seiner Karriere Feinde zu schaffen. Durch die krisengeschüttelte Lage der Rentenanstalt sind schwierige Gefechte aber vorprogrammiert. So etwa mit Hans-Jacob Heitz von der Anleger-Schutzvereinigung. Was mit den Gewinnen geschieht, welche die beiden Ex-CEOs Roland Chlapowski und Manfred Zobl sowie Ex-Finanzchef Dominique Morax via die Investment-Gesellschaft LTS eingestrichen haben, ist noch offen. Auch mit Leuenbergers Vorgänger Ernst Rüesch, inzwischen Ehrenpräsident der Rentenanstalt, sowie den zwei ehemaligen Vizepräsidenten Rino Rossi und Ulrich Oppikofer ist ein Neuanfang nur schwer zu vermitteln. Bekanntschaft wird Dörig mit dem Bezirksrichter Thomas Armbruster machen, der Mitte November im Zusammenhang mit der LTS eine formelle Strafuntersuchung eingeleitet hat.
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