Die Kandidatur des 60-jährigen Rolf Hänggi fürs höchste Aufsichtsorgan des Westschweizer Nahrungsmittelmultis Nestlé hat in der Finanzszene für hochgezogene Augenbrauen gesorgt. Die Personalie markiert eine der letzten Stationen im Rückzugsgefecht des helvetischen Old-Boys-Networks. Zwölf Monate vor seinem Rücktritt vom Nestlé-Präsidium hat Rainer E. Gut, der abtretende Königsmacher der Schweizer Wirtschaft, noch einmal die bewährte Achse zu seinem langjährigen Sportsfreund, Ex-Roche-Präsident Fritz Gerber, reaktiviert.

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Nach Massgabe einer zeitgemässen Auffassung von Unternehmenskontrolle und Gouvernanz ist Hänggis Berufung schwer nachvollziehbar, denn bei Roche sitzt der einflussreiche Finanzprofi Seite an Seite mit Nestlé-CEO Peter Brabeck-Letmathe im Finance and Investment Committee, das die Anlagepolitik des Pharmakonzerns zu verantworten hat. Auch im Vergütungsausschuss, der über die Höhe des Gehalts von CEO und Präsident Franz Humer befindet, ist der Gerber-Zögling zugegen. Der starke Mann bei Roche ist auf Hänggis Plazet angewiesen, wenn es darum geht, in Zukunft einen zweistelligen Millionenbetrag zu verdienen. Das schafft Abhängigkeiten.

Bis vor wenigen Monaten war Hänggi im VR der Basler Scobag aktiv, einer diskreten Finanzgesellschaft, die hauptsächlich das Geld der Roche-Erben verwaltet. Als unabhängig lässt sich der amtierende VR-Präsident der Zürcher Privatbank Rüd, Blass & Cie nicht bezeichnen.

Er wolle sich künftig auf eine überschaubare Zahl von Mandaten beschränken, hatte Hänggi verkündet, bevor ihn der Ruf aus Vevey erreichte. Doch bei einem Zusatzverdienst von über einer halben Million Franken pro Jahr sagte auch er nicht Nein. Fragt sich bloss, weshalb ausgerechnet ein Mann, dessen Leistungsausweis als Vermögensverwalter in den letzten Jahren keineswegs über alle Zweifel erhaben war, mit einem der lukrativsten VR-Mandate der Schweizer Wirtschaft belohnt werden soll.

Im Zuge der Milliardenverluste, die sich der Roche-Konzern auf Grund einer wenig professionellen Bewirtschaftung seiner Wertschriftenbestände einhandelte, hat Hänggis Ruf gelitten. Er hat in der fraglichen Zeit als «Schattenfinanzchef» agiert und bei einbrechenden Aktienkursen darauf verzichtet, die Verluste beizeiten zu limitieren (siehe Bilanz 2/04). Auch als Portfoliomanager der Fritz-Gerber-Stiftung machte Hänggi in den letzten Jahren keine gute Figur. Parallel zur dramatischen Wertvernichtung bei Roche sackten 2001 und 2002 die Betriebsmittel des ursprünglich mit 20 Millionen Franken dotierten Hilfswerks «für begabte junge Menschen» in sich zusammen. Nur dank Nachschüssen von Gerber und dessen Mitstiftern im Umfang von über vier Millionen Franken hat sich die Liquiditätslage wieder erholt.

Formale Nichtzuständigkeit scheint eines der hervorstechendsten Merkmale des publikumsscheuen Strippenziehers zu sein. Weder im prominent besetzten Stiftungsrat noch in den Jahresberichten der Fritz-Gerber-Stiftung taucht sein Name auf. Auch bei anderen Anlagevehikeln, die Hänggi aktiv betreut oder mitsteuert, begibt er sich kaum je aus der Deckung.

Kein Wunder, blieb der «letzte Mohikaner» aus dem Aufgebot von Regimentskommandant Gerber für das Publikum bisher stets ein Phantom. Dies, obschon Hänggi im Verlauf seiner Karriere immer wieder massgeblich an spektakulären Deals beteiligt war. So mischte er 1988 etwa bei Martin Ebners fehlgeschlagenem Raid auf die Bank Leu mit. Den Mann mit der Fliege hatte Hänggi im Militärdienst kennen gelernt, lange bevor er zum CFO und stellvertretenden Konzernchef der «Zürich» aufstieg.

Ein pikantes Geschäft zwischen den beiden Offiziersschulkollegen betrifft die an der SWX kotierte Beteiligungsgesellschaft Perutil. Dieses Offshore-Vehikel mit Sitz in Panama geht auf eine Firma zurück, die 1959 mit Blick auf die Elektrifizierung Perus (Peru Utilities) ins Leben gerufen worden war. Ende der Achtzigerjahre sicherte sich Heinz Pauli, seinerzeit Finanzchef des Zuger Rohstoffhändlers Marc Rich, den Zugriff auf die Gesellschaft, reichte Perutil ein paar Jahre danach aber an Ebner weiter. Der BZ-Stratege baute die Offshore-Firma zu einem Beteiligungsvehikel um, dessen Zweck darin bestand, vermögenden Privatkunden der BZ – darunter nicht wenige aus der Teppichetage von Roche – Schutz vor Besteuerung wegen gewerbsmässigen Wertschriftenhandels zu bieten.

Anstatt dass Ebners Kunden ihre Aktiengeschäfte hier zu Lande einzeln und auf eigene Rechnung durchführten, organisierte der Aktienhändler das Asset-Management via Perutil steuergünstig im Kollektiv. Der Charme der Offshore-Variante lag nicht nur darin, dass diese manch treuem BZ-Kunden einen verrechnungssteuerfreien Dividendenfluss garantierte. Weil das Aktionärsregister von einer Anwaltskanzlei in Panama City nachgeführt wurde, war fortan gegenüber den helvetischen Steuervögten zudem für absolute Geheimhaltung gesorgt.

Mehr und mehr verkam Perutil zu einem Auffangbecken für flottierende Aktienpakete von Ebners Pharma- und Bank-Visionen. Dabei fielen für dessen BZ-Gruppe gleich zweimal – einmal beim BZ Trust als Verwalter der Visonen und zum Zweiten bei Perutil als Offshore-Vehikel mit eigener Honorarstruktur – Einnahmen an.

Perutil-Mitaktionär Rolf Hänggi, dem die doppelte Gebührenabzockerei nicht in den Kram passte, lehnte sich mit Erfolg gegen den Aktiengrossisten auf. Hinter Ebners Rücken übernahm er von unzufriedenen BZ-Kunden zusätzliche Perutil-Aktien und bluffte den Shareholder-Aktivisten mit Hilfe eines Strohmanns derart geschickt, dass ihm jener die Kontrolle über Perutil gegen Ende der Neunzigerjahre freiwillig überliess. Erst als Hänggi eine Kontrollmehrheit in der Tasche hatte, soll Ebner realisiert haben, dass sein Offiziersschulkamerad hinter den Aktienkäufen steckte. Seither, so heisst es, gehen die ehemaligen Kampfgefährten einander aus dem Weg.

Offiziell wird das panamaische Steuerumgehungsvehikel heute von Rüd, Blass & Cie – die inzwischen ihrerseits von der Deutschen Bank übernommen wurde – und ein paar zugewandten Orten kontrolliert (das Aktionärsregister liegt noch immer in Panama City). Die an der SWX kotierte Blackbox mit einer Kapitalisierung von über 400 Millionen Franken ist gegenwärtig vor allem mit Aktien der Fusionskandidaten Novartis, Aventis, Sanofi und Roche gespickt. Hinsichtlich der Wahl eines geeigneten Gebührenmodells scheint Hänggis Entfremdung von Ebner derweil kaum Konsequenzen gezeitigt zu haben. Wie Ebner bedient sich heute auch der Rüd-Blass-Präsident und designierte Nestlé-Verwaltungsrat eines nicht eben kundenfreundlichen Verschachtelungsmodells.

Im Oktober 2001 übernahm Rüd, Blass & Cie von der Privatbank Hottinger & Cie die auf inländische Blue Chips und Optionen spezialisierte Beteiligungsgesellschaft Zürich Swiss Value (ZSV). Auch hier sorgte Rolf Hänggi für frische Akzente und krempelte das Vehikel nach seinem persönlichen Gusto um: Mit knapp 15 Prozent bildet seither Perutil die grösste Einzelposition im ZSV-Portfeuille. Und der zweitgrösste Brocken entfällt auf Titel der Immobiliengesellschaft PSP Swiss Property, die ehemals Hänggis langjährigem Arbeitgeber, der Zürich-Versicherung, gehörte.

In beiden Fällen – ZSV und Perutil – besorgt die von Rolf Hänggi präsidierte Privatbank das Portfoliomanagement und lässt sich von ihren Kunden dafür entsprechend honorieren. Was nichts anderes heisst, als dass der schlaue Fuchs einen Honorar-Duplikator nach ebnerschem Muster eingebaut hat, der es ihm erlaubt, die Verwaltungsgebühr bei den Aktionären der ZSV gleich zweimal einzutreiben.