Er kommt einige Minuten zu spät. «Die Geschäfte», entschuldigt sich der gross gewachsene Mann mit 100 Kilo Kampfgewicht. Mit weiten Schritten geht er in sein Eckbüro am Franz-Josef-Kai 47 in Wien. Viel Glas, viel Sonnenlicht, viel Platz. Kaum Möbel, dafür teure. Auf seinem Schreibtisch flimmern über eine Bildschirmwand aktuelle Börsenkurse, im Hintergrund läuft der Finanzsender Bloomberg. Wie ein Stillleben der Moderne. Das ist sie nun, die Zentrale des kroatischen Gastarbeitersohnes Ronny Pecik.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Millionen verloren

Stolz präsentiert der passionierte Schachspieler seine erste Unaxis-Aktie. Das Wertpapier steckt hinter Glas. Eine Trophäe. Er streichelt sie, bietet den Besuchern Apfelstrudel an. Dann eilt er plötzlich an seinen Schreibtisch. «Ein Blutbad», scherzt er. Die Kurse purzeln. «Sehr schön, sehr schön.» Einige Millionen, schätzt er, habe er jetzt gerade verloren. «Was solls. Das sind ja eh nur Ziffern.» Geld bedeute ihm nichts. Trotzdem ist er getrieben, immer neue Höhen zu erklimmen. Weit über 1 Mrd Euro kann er bereits sein Eigen nennen. Doch das genügt nicht. 15 bis 16 Stunden schuftet er am Tag, baut an verwinkelten Options-Konstrukten, setzt auf fallende und steigende Märkte. Beinahe täglich rast er mit einem seiner fünf Privatjets nach Zürich, Stuttgart oder Moskau. Spass, so sagt er, bereite ihm das alles nicht. Viel lieber verbringt er Zeit mit seiner – gemäss eigener Beschreibung – «einfachen Frau vom Land» und seinem Sohn in seinem Haus im Grünen.Sein Sohn, «einer der begehrtesten Junggesellen Wiens», ist Angestellter seines Vaters, sitzt ebenfalls vor Monitoren, auf denen sich das Börsengeschehen abbildet. Der 24-Jährige tritt in die Fussstapfen seines Papas und macht damit das genaue Gegenteil dessen, was sein Vater tat. Im Alter von 17 Jahren zog Pecik im Streit mit seinem Vater von zu Hause aus. Zuvor war er in der 4. Klasse des Gymnasiums durchgefallen und hatte eine Lehre als Starkstromelektriker begonnen – gegen den Willen seines Vaters. Dieser sah den Sohn als Fliesenleger. Dazu kam es nicht. Bis zum 19. Lebensjahr jobbte Pecik als Tankwart und Kellner. Mehr als ein Bankangestellter habe er verdient, «weil ich schon damals alles so gut gemacht habe, wie ich konnte». Dann begann seine steile Kar-riere: Er absolvierte eine Informatiker-Ausbildung bei IBM, erhielt eine Stelle bei der Länderbank und wurde kurz darauf Optionenhändler bei der Bank Austria. Der Aufstieg zum Filialleiter und der Kauf einer eigenen Bank folgten. Die Stufen nach oben erklomm der findige Investor jedoch nicht ohne Blessuren. Zweimal ging er fast Pleite. «Das waren lehrreiche Erfahrungen», konstatiert er. «Wer in unserem Geschäft nicht schon am Abgrund gestanden hat, wird sich nicht durchsetzen.» Pecik hat sich durchgesetzt. Er sitzt lässig da, in seinem blütenweissen Hemd und einer IWC am Handgelenk. Die Präzision, die Schönheit des Landes und die Hightech-Firmen schätze er an der Schweiz. Weniger dagegen die Neid-Kultur. Auch dass Geld alles bestimme, habe ihn anfangs irritiert. Nicht, dass er der Illusion erlegen wäre, dies wäre irgendwo auf dieser Erde anders, «aber das Ausmass hat mich überrascht»; fast alles sei hierzulande käuflich. Inzwischen hat er sich an die «Schweizer Mentalität» gewöhnt und sich «eine dickere Haut zugelegt». Ein Schweizer Netzwerk hat er sich aber noch nicht aufgebaut. Pecik setzt nach wie vor auf die Karten Vertrauen und Partnerschaft. Sei es im Umgang mit einem Kofferträger oder einem Konzernleiter. Elitäre Zirkel interessieren ihn nicht. Mit seiner schnellen Auffassungsgabe und guten Menschenkenntnis, die ihm Vertraute attestieren, finde er sich überall rasch zurecht. Dieses Talent hat der 45-Jährige in der Schweiz eindrücklich unter Beweis gestellt: Innerhalb von nur zwei Jahren stellte er die Industrie-landschaft auf den Kopf. Unaxis, heute OC Oerlikon, Saurer, Ascom und Sulzer bekamen seinen Jagdtrieb zu spüren. Bei Ascom ist dieser inzwischen wieder abgeklungen. Auch ein Ronny Pecik kann nicht alles auf einmal verdauen.

Aktienkurse am Strand

Erholung gönnt sich der Bentley-Besitzer wenig. Ab und zu spielt er Golf oder fährt mit seiner Familie auf seinem Boot der kroatischen Küste entlang. Dann ist er Privatmann, mit kurzen Hosen und ohne Krawatte. Doch selbst da trägt er ständig sein Mobiltelefon auf sich, bleibt immer in Verbindung mit seinem Wiener Büro und seinen Geschäftspartnern. Auch das Finanz-Terminal von Bloomberg ist sein treuer Begleiter: Rechner und Bildschirme sind auf seinem Boot installiert, damit der «Schreck der Wirtschaftsnation» («Aargauer Zeitung») die Aktienkurse selbst an einem einsamen Strand unter gleissender Sonne checken kann. «Alles andere» so Pecik, «wäre verantwortungslos gegenüber meinen Unternehmen und meinen Angestellten.» Diese rückt der redselige Charmeur immer wieder ins Zentrum seiner Absichten. Nicht um den schnellen Profit gehe es ihm, sondern um die Wertsteigerung der Unternehmen. «Das führt zu einer Sicherung der bestehenden und zu zusätzlichen Arbeitsplätzen.» Abkassieren würden andere, er sei ein industrieller Investor.

Das leuchtende Beispiel

Einer, der an seine persönlichen Belastungsgrenzen geht. Während der Übernahmeschlacht um das Stuttgarter Technologie-unternehmen M-W Zander und dem gleichzeitigen Einstieg beim Winterthurer Sulzer-Konzern etwa presste er das Letzte aus sich heraus und wurde krank. «Manchmal ist der Druck schon sehr gross», gibt Pecik zu, «doch das gehört einfach dazu.» Nach dem Motto: Ohne Fleiss kein Preis. Bei ihm ist dies mehr als eine leere Floskel, hat er doch «mit nichts begonnen und mir alles selbst erarbeiten müssen». Gerade deswegen gilt er in Österreich als leuchtendes Beispiel für eines der wenigen Gastarbeiterkinder, das den Weg von ganz unten nach ganz oben geschafft hat.Vielleicht auch deshalb verstehen sich Pecik und sein Geschäftspartner Georg Stumpf auf der menschlichen Ebene kaum. Entsprechend häufig kommt es zwischen ihnen zu Streit. Der 32-jährige Stumpf, Sohn einer einflussreichen Wiener Bauuternehmer-Familie, bekam vieles schon in der Wiege mit, wofür Pecik jahrelang schuften musste. Während Stumpf in seinem Millennium Tower, dem mit 202 m höchsten Gebäude Österreichs, residiert, begnügt sich Pecik mit gemieteten Büroräumen, die nur wenige Meter ab Boden liegen. Doch gerade diese Gegensätze machen Stumpf zum idealen Partner für Pecik. Hier der scharfsinnige Analytiker Stumpf, ein Zahlenfreak, der sich nirgends unwohler fühlt als an einer Party. Dort der gewiefte Optionenhändler mit dem Gespür für Leute und den richtigen Zeitpunkt, der sich gerne als Lebemann gibt.

Des Teufels General

Pecik spielt den Part des Dealmakers und Kommunikators. Eine Rolle, die ihm liegt. «Des Teufels General», wie er sich selbst einmal nannte, liebt es, im Mittelpunkt zu stehen und bewundert zu werden. Kritik an seiner Person schmerzt ihn entsprechend. Aber jeweils nur kurz. Für längeres Selbstmitleid hätte er keine Zeit. Denn er steht immer unter Strom. Das weiss auch sein ständiger Begleiter, sein Butler. Er packt Pecik die Koffer, reserviert die Hotels, öffnet alle Türen und fährt seine Wagen. Nicht selten wird der stämmige Schatten Peciks für einen Leibwächter gehalten.Ihm vertraut Pecik blind. «Wir kennen uns schon seit Jahren», so Pecik. «Freundschaft ist etwas, das hält, egal, ob man Geld hat oder nicht.»

------

ZUR PERSON

Steckbrief

Name: Ronny Pecik

Funktion: Investor und Mitbesitzer der Beteiligungsgesellschaft Victory

Alter: 45

Wohnort: Wien

Familie: Verheiratet, ein Sohn

Karriere:

- 2003–2005 Aufbau der A-Tec Industries. Ziel: Grösste Industriegruppe Österreichs zu werden.

- 2004–2006 Gründung und Aufbau Victory mit Sitz in Wien.

- ab 2006 Gründung des Investitionsvehikels Everest, an dem Victory und Renova eine Beteiligung von je 50% halten.

---

Führungsprinzipien

1. Vertrauen.

2. Mitarbeitern genügend Freiraum lassen.

3. Kontrolle

4. Immer vollen Einsatz leisten.

------

Firma

Victory

Die Beteiligungsgesellschaft mit Sitz in Wien gehört je zur Hälfte den Privatstiftungen von Ronny Pecik und Georg Stumpf. Victory besitzt zusammen mit dem Finanz-Vehikel Renova des russischen Oligarchen Victor Vekselberg die Aktienmehrheit an OC Oerlikon und Saurer. Victory ist zudem massgeblich in Sulzer investiert.