BILANZ: Herr O’Leary, wir sind überrascht, Sie hier in Ihrem Büro zu sehen.

Michael O’Leary: (Schaut verdutzt.) Wo soll ich denn sonst sein?

Nach Ihrem Vorschlag, die Co-Piloten abzuschaffen und im Notfall durch Flugbegleiterinnen zu ersetzen, wollte einer Ihrer Piloten Sie durch eine Flight Attendant ersetzen. Das wollten Sie prüfen.

Das stimmt, ich fände es gut, ein paar unserer attraktiven Stewardessen in mein Büro zu holen und auf den Job aktiv vorzubereiten.

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Haben Sie das schon mit Ihrer Frau besprochen?

Ach, sie weiss, dass viele Stewardessen einen besseren Job machen als ich.

Vermutlich hätten die Flight Attendants auch weniger absurde Vorschläge.

Welcher Vorschlag von mir war je absurd?

Bezahltoiletten an Bord, Extraabgabe für übergewichtige Passagiere, Stehplätze im Flugzeug, Flüge voller Passagiere mit Gratistickets. Haben Sie da nicht Angst, dass Sie mal einer ernst nimmt?

Ich Angst? Nein. Angst haben unsere teuren Konkurrenten, weil wir denen in Scharen die Passagiere abnehmen. Wir meinen jede Idee ernst und sind dabei, die ersten umzusetzen. Wir haben im vorigen Jahr gut zwei Millionen Passagiere mit Gratistickets geflogen, und über die Bezahltoiletten reden wir ernsthaft mit Boeing. Die Gebühr soll dafür sorgen, dass weniger Passagiere im Flug auf die Toilette gehen und wir zwei der drei Waschräume ausbauen und auf deren Platz Sitze montieren können. Doch die Aufsichtsbehörden sind dagegen, was ich nicht verstehe.

Die halten das für unsicher.

Absurd. Weniger Toiletten an Bord machen das Fliegen sicherer. Denn gerade Toiletten an den Notausgängen sind ein Flaschenhals, wenn die Passagiere bei einem Zwischenfall schnell von Bord sollen. Denn Toiletten brauchen mehr Platz, als wenn wir da Sitze hinstellen. Wenn mich eine Flugbegleiterin als Chef ersetzen sollte, hätte die es wahrscheinlich leichter mit diesen Bürokraten.

Wird Ihre Idee mit den Stehplätzen nicht auch an Sicherheitsbedenken scheitern? Da riskieren die Passagiere nicht nur bei einem Unfall, sondern bereits bei einem Luftloch grössere Sturzverletzungen.

Nicht, wenn sie sich gut festhalten.

Das meinen Sie nicht ernst?

Doch.

Gerade hat ein italienischer Sitzhersteller eine Art Hocker präsentiert, bei dem die Passagiere fast stehen. Haben Sie den schon bestellt?

Das ist noch absurder. Dieses Ding kostet gleich viel wie ein normaler Sitz, aber wir bringen kaum mehr Leute unter – und angeblich macht es sogar impotent. Nein, reine Stehplätze sind die Lösung. Aber ich glaube nicht, dass wir das – oder Flugzeuge mit nur einem Piloten – in den kommenden zehn Jahren haben.

Also geht es Ihnen bei diesen Vorschlägen doch um billige Aufmerksamkeit.

Nein. Wir wollen die Dinge ändern. Was mich nach gut 20 Jahren in der Flugbranche am meisten stört, sind die Denkverbote und dass immer irgendetwas nicht geht. Es gibt einen wahren Friedhof vermeintlich unverzichtbarer Dinge wie kostenloses Essen oder vorab zugeteilte Sitzplätze. Den haben wir gefüllt und werden damit nicht aufhören.

Was möchten Sie als Nächstes auf diesen Friedhof schicken?

Das heutige Design der Flughäfen. Ob hier in Dublin oder in Berlin, alle bauen unglaublich teure Terminals, und wir müssen dann mehr bezahlen.

Wie hätten Sie es gern, ausser billiger?

Für die Langstrecken und Umsteiger kann alles wie bisher bleiben. Aber für die Kurzstrecken werden die Flughäfen einfacher. Künftig checken die Leute online ein, kommen eine halbe Stunde vor Abflug zum Flughafen und wollen dann nur schnell zum Flugzeug. Darum wird es da auch keine Einkaufsmeilen oder Duty-free-Läden mehr geben.

Die Läden sind die Haupteinnahmequelle der Flughäfen. Wovon sollen die leben?

Die brauchen die Einnahmen doch vor allem, um diese teuren Paläste zu finanzieren. Sind die Gebäude einfacher, reichen auch niedrigere Abfertigungsgebühren. Das funktioniert in Bremen oder Charleroi bei Brüssel. Diesen Orten werden weitere folgen.

Warum sind Sie bei Ihrer Vorliebe für kleine Flughäfen denn vor einem Jahr aus Basel geflüchtet?

Weil die nicht nur klein und schnell, sondern auch viel zu teuer sind für eine echte Low-Cost-Linie.

Ihre Konkurrenten von EasyJet hat das aber nicht abgehalten.

Die sind ja auch nicht wirklich Low Cost. Im Schnitt ist EasyJet 50 Prozent teurer als Ryanair.

Was könnte Sie denn in die Schweiz zurücklocken?

Vernünftige Gebühren.

Wie müssten die denn aussehen? Null, oder hätten Sie gerne noch was draufgezahlt?

Null ist ein guter Verhandlungsanfang. Wir fördern schliesslich den Tourismus und bringen Passagiere, die Arbeitsplätze schaffen helfen. Aber grundsätzlich wollen wir Gebühren sehen, wie sie bei vielen anderen Flughäfen in Europa bereits üblich sind. Da sinken die Gebühren progressiv, je mehr Passagiere wir bringen.

Für Aufregung sorgen Sie doch auch mit immer neuen Gebühren für früher selbstverständliche Dinge wie Gepäckaufgabe oder das Check-in. Inzwischen wächst der Widerstand der Kunden. Spüren Sie den?

Nein. Natürlich beklagt sich immer einer, weil wir weniger Dinge verschenken. Aber am Ende ist unser System gerechter als veraltete Komplettpakete.

Weil Sie mehr verdienen?

Nein. Weil jeder nur noch für die Dinge zahlt, die er auch nutzt. Warum soll ein Geschäftsreisender, der weder Gepäck aufgeben noch etwas an Bord essen will, ein solches Paket kaufen?

Sie verlangen aber auch Geld für unvermeidliche Dinge wie das Bezahlen des Tickets oder das Check-in.

Natürlich. Flughäfen verlangen eine Gebühr für die Abfertigung, und unser Buchungssystem verursacht auch Kosten. Wir machen nur unsere Ausgaben transparent. Der Kunde kann diese Gebühren aber weiterhin vermeiden, wenn er eines unserer Angebote bucht, bei dem all diese Beträge enthalten sind.

Haben Sie nicht trotzdem den Bogen überspannt? Immerhin sind bei Ihnen diese Einnahmen 2009 langsamer gewachsen als Ihre Ticketumsätze.

Nein, das hatte andere Gründe. Im Augenblick liegen wir da wieder bei einem Umsatzanteil von fast 22 Prozent.

Was halten Sie von Handgepäck-Gebühren, wie es der US-Billigflieger Spirit hat?

Das ist Unsinn. Handgepäck kostet uns gar nichts, weil sich der Passagier drum kümmert. Wir wollen unsere Kunden nicht auspressen, sondern nur unsere Ausgaben ersetzt haben. Das haben in den vergangenen zwölf Monaten fast 74 Millionen Menschen akzeptiert. Und die kommenden zwei, drei Jahre werden es jeweils 15 bis 20 Prozent mehr werden.

Danach wollen Sie langsamer wachsen. Geht Ihrem Billigmodell die Puste aus?

Egal wie gross Ryanair ist, es gibt noch mehrere hundert Millionen Europäer,
die gar nicht fliegen oder zu den Halsabschneiderpreisen von Lufthansa oder Air Berlin. Wir haben heute in drei deutschen Städten eine Basis, an der wir eigene Flugzeuge stationieren. Vertragen könnte Deutschland aber mindestens zwölf.

Aber Sie haben für die Zeit nach 2015 noch keine neuen Flugzeuge bestellt.

Stimmt. Und wenn wir nichts mehr ordern, wachsen wir eben nicht mehr. Mit dann gut 100 Millionen Passagieren im Jahr müssen wir nicht wachsen.

Haben Sie nicht kürzlich gesagt, Sie wollten 300 neue Flugzeuge kaufen?

Wenn wir uns mit Boeing oder Airbus einigen, ja. Bei den Preisen waren wir uns einig. Aber Boeing hat an irgendwelchen Details wie Garantien oder der Verzinsung von Anzahlungen herumgezickt, bis uns der Kragen platzte. Wenn sich das wieder ändert, kaufen wir. Wenn nicht, warten wir bis zur nächsten Rezession und kaufen dann, günstiger.

Boeing und Airbus denken über neue, effizientere Flugzeuge nach. Weckt das nicht Ihren Sparinstinkt?

Die Angebote sind noch Müll. Die Flieger sind sparsamer, aber nach jetziger Planung rund sieben Millionen Euro teurer, sodass wir am Ende fast keine niedrigeren Betriebskosten haben. Nein, kein Interesse.

Bereiten Sie sich nicht doch auf eine Zeit fast ohne Wachstum vor? Sie haben gesagt, Ryanair wolle EasyJet kopieren und weniger auf Kampfpreise setzen.

Bitte? Wir EasyJet kopieren? Das ist so beleidigend, als wenn mir einer sagte, ich wäre (verzieht das Gesicht in Abscheu) nett.

Sie gehen aber immer öfter auf grössere Flughäfen wie Madrid oder Barcelona, die bisher die Domäne von EasyJet waren.

Wir waren schon immer auf grösseren Flughäfen wie Dublin oder Glasgow, aber nur, wenn wir da nach unseren Regeln arbeiten können. Dazu gehört, dass unsere teuren Flieger nicht ungenutzt herumstehen, sondern 25 Minuten nach der Landung wieder starten und Geld verdienen. Das haben uns die Flughäfen in Madrid und Barcelona ermöglicht, weil ausser uns keine Fluglinie echtes Wachstum hat. Und weitere Flughäfen stehen bei uns bereits Schlange. Nein, wir ändern uns nicht.

Sagten Sie nicht jüngst, Sie wollten in besseren Service investieren?

Da müssen wir nicht mehr investieren. Wir haben den besten Service der Welt.

Da muss uns was entgangen sein.

Okay, wir verteilen keinen Champagner. Aber wir haben die niedrigsten Preise, die höchste Pünktlichkeit, die wenigsten verlorenen Koffer, die geringste Zahl an Flugabsagen, die jüngste Flotte und, und, und. Diese etwas anspruchsvollere Botschaft rücken wir künftig mehr in den Vordergrund, neben unseren Sonderangeboten.

Microsoft-Inhaber Bill Gates hat ein Programm aufgelegt, bei dem wohlhabende Leute die Hälfte ihres Wohlstands spenden sollen. Ist das auch etwas für Sie, immerhin haben Ihre Ryanair-Aktien Sie zu einem der wohlhabendsten Iren gemacht?

Aber leider nicht so reich wie Bill Gates. Ich habe meine eigenen Wohltätigkeitsprogramme – und bald vier Kinder.

Die sollen ein sorgenfreies Leben haben.

Dazu hat Warren Buffett etwas Tolles gesagt: Ich hinterlasse denen so viel, dass sie alles im Leben tun können – ausser nichts tun.

Pferdezüchter

Der 49-jährige Michael O’Leary ist seit 1994 Chef von Europas grösstem Billigflieger, Ryanair. Sein Aktienanteil von rund sechs Prozent macht den Besitzer eines Bachelors in Ökonomie zu einem der reichsten Männer Irlands. Auf seiner Farm züchtet O’Leary Rinder und Rennpferde.