Das teuerste Gemälde moderner Kunst, N.5 von Jackson Pollock, wurde für

185 Mio Fr. verkauft. Was halten Sie von einem solchen Preis?

Samuel Keller: Das ist ein sehr guter Pollock. Bei gewissen Kunstwerken, die absolute Meisterwerke sind, ist es gerechtfertigt, dass sie einen Wert von über 100 Mio Fr. erzielen. Aber derzeit werden insbesondere auf Auktionen oft überhöhte Preise bezahlt.

Der hohe Wert eines Werkes hängt damit zusammen, dass moderne Kunst immer mehr als Geldanlage funktioniert.

Keller: Stimmt, aber grundsätzlich interessiert mich der Geldaspekt an Kunst am wenigsten. Natürlich ist der vorhanden. Aber es gibt ganz unterschiedliche Motivationen, weshalb Leute Kunst kaufen: Manche suchen geistige Herausforderung oder spirituelle Erfahrungen oder wollen einen Künstler kennen lernen, andere sehen sich als Mäzen, für manche sind es Souvenirs von Reisen und andere wiederum kaufen damit soziales Prestige.

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Momentan interessiert Kunst aber auch als Investment.

Keller: Leute verpassen das Wichtigste an einem Kunstwerk, wenn sie den finanziellen Aspekt in den Vordergrund stellen. Grundsätzlich ist es positiv, wenn für Kunst viel bezahlt wird. Das widerspiegelt eine Wertschätzung, zeigt, dass Kunst einen hohen Stellenwert in unserer Gesellschaft besitzt. Es ist positiv, dass ein Kunstmarkt existiert, der Künstlern eine Existenz ermöglicht. Kunstmarkt und Galerien sind ein wichtiger Kulturfaktor weltweit.

Weshalb haben Sie denn die Art Basel Miami Beach gegründet, wohin die

grossen Investoren pilgern, wenn Geld bei Ihnen nicht im Vordergrund steht?

Keller: Wir haben Florida gewählt, weil es geografisch und kulturell ein guter Ort ist, um Kunstinteressierte aus Nordamerika, Lateinamerika und Europa im Winter zusammenzubringen. 70% der Besucher kommen von ausserhalb Floridas. Unser Ziel war es, die Nummer eins in Amerika zu werden und die Art Basel zu einem globalen Brand zu machen.

Ist die Art Basel am Umsatz der verkauften Kunstwerke beteiligt?

Keller: Nein, wir wollen eine neutrale Plattform sein. Die Art Basel ist sowohl ein Kunstmarkt wie ein Treffpunkt von Fachleuten und eine Kulturveranstaltung. 80% unserer Einnahmen erhalten wir aus den Teilnahmegebühren von Galerien, der Rest wird vor allem von Sponsoren bezahlt. Einen kleinen Teil machen der Katalogverkauf und die Publikumseintritte aus.

Ein Stand für fünf Tage kostet an der Art Basel zwischen 10000 und 50000 Fr. Eine junge Galerie kann sich das kaum leisten.

Keller: Doch, denn der Preis steht in Relation zur Leistung. Bei uns lernen Galeristen auf einen Schlag die internationale Kunstwelt kennen.

Wie viel wird eigentlich an Ihren Kunstmessen verkauft?

Keller: Das registrieren wir nicht, interessiert uns auch nicht. Der Verkauf eines Kunstwerkes ist eine private Angelegenheit zwischen Sammler und Galerie. Nicht der Preis steht bei uns im Vordergrund, sondern die Kunst selber. Wir messen unseren Erfolg aber an der Zufriedenheit der Galerien. Die Wiederanmeldungsquote beträgt seit Jahren 99%.

Wie gross ist Ihr Budget?

Keller: Unser Unternehmen publiziert kein Budget einzelner Projekte. Das Budget ist achtstellig, wächst jedes Jahr um über 10%, und wir sind profitabel.

Gibt es bald auch eine Art Basel Oman im arabischen Raum?

Keller: Wir wollen nicht überall hingehen, wo es Kunstinteressierte gibt. Die Schweiz steht im Kunsthandel unter den ersten fünf der Welt. Unser Ziel ist es, die Sammler hierher zu bringen.

In der Schweiz gibt es eben viele Unternehmen, die Kunst sammeln, wie etwa Ihr Sponsor UBS.

Keller: Wir waren 1994 die Ersten, die eine Partnerschaft mit privaten Firmen eingingen. Damals wurde das heftig diskutiert. Und heute ist die UBS als Sponsor von Museen heftig umworben und zeigt ihre Sammlung auch in renommierten Museen wie dem MoMA in New York, der Tate in London oder der Fondation Beyeler in Riehen.

Der UBS wird vorgeworfen, sie sammle vor allem Mainstreamkunst.

Keller: Die Kunstsammlung der UBS umfasst viele Werke etablierter Künstler, teilweise wurden sie aber angekauft, als diese noch nicht berühmt waren.

Zieht in jüngster Zeit der Kunstmarkt nicht vermehrt auch Richtung Osten?

Keller: Ein Fakt der Globalisierung ist, dass Künstler, aber auch Kunstsammler vermehrt aus Osteuropa, Ostasien, dem Nahen Osten und Indien kommen. Wir sind in diesen Ländern auch aktiv und haben von dort einen grossen Zuwachs. Aber diese Länder haben nicht die Grösse, um eine Messe wie die Art Basel zu tragen. Der Kunstmarkt in diesen Ländern ist vergleichsweise zur Schweiz klein. Zudem ist zu beachten, dass in vielen dieser Länder Zensur herrscht und es deshalb schwierig wäre, zeitgenössische Werke dort auszustellen. Personen aus diesen Ländern kommen sehr gerne als Besucher in die Schweiz.

Was halten Sie davon, dass grosse Auktionshäuser in Kunstmessen eindringen?

Keller: Unser Credo ist: Die Art Basel will für engagierte Galerien eine Plattform bieten. Für Galerien, die jährlich mindestens drei Ausstellungen machen und sich für Künstler einsetzen und damit auch einen kulturellen Beitrag leisten. Auktionshäuser sind für uns kein Thema. Wir möchten Galerien fördern, die Aufbauarbeit leisten. Es geht hier nicht einfach darum, Geld zu machen, sondern Qualität zu fördern. Wir sind eine kulturelle Ausstellung. Wir fördern neue Kunstformen. Wir waren die Ersten, die in den 80er Jahren der Fotografie oder in den 90er Jahren der Video- und digitalen Kunst eine eigene Plattform gaben, und wir setzen diese Tradition heute fort.

Gibt es Künstler, die dank der Art Basel gross herausgekommen sind?

Keller: Unser Ziel ist es, die Entwicklung von Künstlern nachhaltig zu fördern. Viele Künstler haben davon profitiert, auf der Art Basel präsentiert zu werden, besonders im Fördersektor «Art Statements», wo auch der Bâloise-Preis verliehen wird.

Raten Sie, Geld in Kunst anzulegen?

Keller: Wenn sich jemand für Kunst interessiert und sich auskennt, ist das sinnvoll. Man muss sich bewusst sein, dass Kunst eine riskante Geldanlage ist.

Legen Sie selber Ihr Geld in Kunst an?

Keller: Seit ich Direktor der Art Basel bin, kaufe ich kein Werk von einer Galerie, die sich bei uns anmeldet, damit es keine Interessenkonflikte gibt.

Haben Kunstfonds eine Zukunft?

Keller: Sie dienen der Kunst nicht. Sie haben negative Auswirkungen, weil sie keine Rücksicht auf Künstler nehmen. Es braucht für einen solchen Fonds Leute, die sehr viel von Kunst verstehen, denn Picasso ist nicht gleich Picasso, es gibt gute und weniger gute. Die Platzierung eines Kunstwerkes spielt für den Wert eines Kunstwerkes eine grosse Rolle. Wenn Sie das Kunstwerk in einer renommierten Sammlung unterbringen, macht das alle Werke des Künstlers wertvoller. Wenn Sie das Werk im Museum zeigen, ist die Wertsteigerung am höchsten.

Deshalb zeigen private Sammler ihre Kunstwerke gerne in Museen und erhöhen damit den Wert ihrer Sammlung.

Keller: Das stimmt. Museen müssen sehr darauf achten, dass sie nicht missbraucht werden von Sammlern, die ihre Werke nur sehr kurzfristig in Museen zeigen. Galerien geben sogar Rabatt, wenn ein Museum ein Werk kauft. In der Wertehierarchie steht das Museum zuoberst und ein Kunstfonds zuunterst. Wenn Sie ein Werk in einen Kunstfonds stecken, entwerten Sie es.

Wo befinden wir uns im Zyklus des Kunstmarktes?

Keller: Das ist schwierig abzuschätzen, ich bin kein Prophet. Wir erleben eine der längsten Wachstumsphasen im Kunstmarkt. Das Preisniveau hat in vielen Segmenten Rekordhöhe erreicht. Der Markt hat sich aber massiv ausgedehnt. Es gibt viel mehr Kunstsammler als noch vor zehn Jahren. Es hat auch eine Verjüngung der Kunstsammler stattgefunden. Zudem wird heute in viel mehr Ländern Kunst gesammelt. Kunst ist momentan in, es hat eine Popularisierung stattgefunden. Nach wie vor kauft die Elite in vielen Ländern Kunst, dabei hat es auch solche, die es aus dem Investmentgedanken machen. Das Potenzial, um Kunst zu kaufen, ist noch nicht ausgeschöpft. Solange es der Wirtschaft gut geht und die politischen Rahmenbedingungen stimmen, hilft das auch dem Kunstmarkt.

Die Art Basel ist eine Marke, aber auch Ihr Name ist zur Marke geworden.

Keller: Wir arbeiten im Team, es findet halt in den Medien eine Personifizierung statt.

Im nächsten Jahr werden Sie das Beyeler Museum führen. Haben Sie bei der Art Basel bereits eine Nachfolgerin?

Keller: Nein. Die Findungskommission evaluiert Kandidaten und im Sommer wird das Resultat bekannt gegeben.

Sie verlassen die Art Basel in dem Moment, in der diese ein kommerzielles Allzeithoch erreicht hat. Aus Kalkül?

Keller: Nein, aus Liebe. Die Fondation Beyeler ist eines der schönsten und erfolgreichsten Museen der Welt. Als die Anfrage von Ernst Beyeler kam, der auch Art-Basel-Gründer ist, habe ich das als spannende neue Herausforderung angenommen.