Konrad Hummler und seine Partner der St. Galler Privatbank Wegelin müssen sich in den USA wegen möglichen Steuervergehen verantworten. Die US-Justiz führt ein Strafverfahren wegen «Verschwörung ('conspiracy') zu Betrug zur Schädigung der Vereinigten Staaten und deren Steuerbehörde Internal Revenue Service (IRS)», sowie «Abgabe falscher Steuererklärungen und Hinterziehung von Bundeseinkommenssteuern».

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Zweimal erhielten Hummler und Co. bisher eine Vorladung aus den USA. Beide Male erschienen die Beklagten nicht in New York zur Gerichtsverhandlung - die letzte fand am 25. Mai statt.

Beim ersten Mal monierten die Wegelin-Banker, sie hätte die Vorladung nicht auf rechtlich korrektem Weg erhalten.

Das zweite Schreiben erhielt am 24. April 2012 das Bundesamt für Justiz, das darauf die Staatsanwaltschaft St. Gallen mit der Zustellung der Vorladung samt Kopie der Anklageschrift beauftragte. Die Staatsanwaltschaft wiederum erteilte daraufhin der Kantonspolizei St. Gallen den Auftrag der Zustellung. Die zweite Vorladung wurde an Konrad Hummler am 2. Mai persönlich übergeben und von ihm auch unterschrieben (siehe Dokumente in der Box links).

Als das Bundesamt für Justiz über die erfolgreiche Zustellung in St. Gallen informiert wurde, sandte es den US-Beamten die Zustellungsbestätigung am 9. Mai umgehend zu.

Rechtsanwälte: Zustellung hat negative Folgen für Verteidigung

Wegen der Übergabe von Vorladung und Anklage sowie der anschliessenden Benachrichtigung der US-Behörden seitens des Bundesamtes für Justiz schalteten Hummler und seine Partner die Rechtsanwälte von Nobel und Hug ein. Die führten aus, dass die erfolgreiche Zustellung der Vorladung unter US-Recht negative Folgen für die Verteidigung Wegelins habe.

Denn das zuständige US-Gericht könne den Bankern einen Verteidiger zuweisen, sobald die Vorladung als rechtswirksam zugestellt erachtet würde. Und damit könne die Strafverfolgung in den USA vollumfänglich durchgeführt werden, was zur Verurteilung der Angeklagten führen könnte. Damit sei man der Gefahr eines Strafprozesses ausgesetzt, der den Massstäben der schweizerischen Rechtsordnung nicht standhalten würde.

Die Anwälte machten geltend, die Zustellung unter dem Bundesgesetz über die internationale Strafrechtshilfe (IRSG) sei in verschiedener Hinsicht nicht rechtsgültig und legten gegen das Bundesamt für Justiz sowie die Staatsanwaltschaft St. Gallen bei der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts gegen die Zustellung der Schriftstücke und der Vorladung aus den USA Beschwerde ein.

Auf Beschwerde nicht eingetreten

Nun haben die zuständigen Richter entschieden: Sie sind auf die Beschwerde der Wegelin-Anwälte in allen Punkten nicht eingetreten, die Gerichtsgebühr von 2000 Franken geht zu Lasten der Banker.

Die Anwälte Wegelins machten unter anderem geltend, die gegen die Bank «zu Unrecht vorgeworfenen Sachverhalte stellten keinen Abgabebetrug dar», darum fehlten die Voraussetzungen für die Gewährung der Rechtshilfe.

Zusätzlich behauptete die Wegelin-Partei, dass die Zustellung der US-Vorladung rechtswidrig gewesen sei und verlangte die Aufhebung der Zustellung.

Die Richter erkannten, dass im Fall Wegelin in erster Linie der Staatsvertrag zwischen der Schweiz und den USA von 1973 über die gegenseitige Rechtshilfe in Strafsachen (RVUS) massgeblich ist und nicht das Bundesgesetz über die internationale Rechtshilfe IRSG. Im US-Abkommen steht zwar, dass es auf Ermittlungen oder Verfahren wegen Verletzung von Steuervorschriften nicht anwendbar ist, es jedoch Ausnahmen gibt.

Die hier zutreffende Ausnahme unter Nummer 34 betrifft die Verschwörung («conspiracy»). Darum kommt der Staatsvertrag mit den USA zum tragen, ein Rechtshilfegesuch ist deshalb zulässig, meinte die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts in Bellinzona.

Zustellung von Vorladung keine «Zwangsmassnahme»

Die Rechtsanwälte von Nobel und Hug brachten weiter vor, die erfolgreiche Zustellung der Vorladung sei eine «Zwangsmassnahme».

Das Argument der Anwälte, es handle sich bei der Zustellung der US-Vorladung um eine Zwangsmassnahme, verneinten die Bundesstrafrichter. Unter anderem bezogen sie sich auf Artikel 24, Ziffer 1 des US-Abkommens: Wer der zugestellten Vorladung nicht Folge leistet und kein Amerikaner ist, darf weder irgendwelchen Nachteilen zivil- oder strafrechtlicher Art, noch anderen Sanktionen oder sonstigem Zwang unterworfen werden.

Vielmehr erkannten die Richter, dass es sich bei der Zustellung um einen rein formellen Akt der Gerichtsbarkeit handelt, durch welchen einer Partei Gelegenheit gegeben wird, von einem Schriftstück Kenntnis zu nehmen.

Und: Eine im Wege der Rechtshilfe zugestellte Vorladung habe stets nur den Charakter einer formlosen Einladung, vor den ersuchenden Justizbehörden zu erscheinen - in diesem Falle dem Bundesbezirksgericht der USA für den Gerichtsbezirk Süd von New York. Die Wegelin-Banker werden durch diese Vorladung also nicht verpflichtet, in die USA zu jetten, sie werden dadurch nicht zu einem bestimmten Tun gezwungen (Zwangsmassnahme).

Für Zustellung von Vorladung braucht es keine «Verfügung»

Weiter entschieden die Richter, dass die Herausgabe von Notifikationsurkunden (die Zustellungs- und die Empfangsbestätigung) an das ersuchende Land (hier die USA) keine Herausgabe von Beweismitteln darstellt, die mittels Zwangsmassnahmen erhoben worden waren. Zudem könne ein Staat die Zustellungs- und Empfangsbestätigungen sofort dem ersuchenden Staat (USA) übermitteln.

Die Bundesstrafrichter folgten damit der Argumentation des Bundesamtes für Justiz. Deren Vertreter schrieb in der Beschwerdeantwort, man leite dem Amt übermittelte Zustellungsbestätigungen und Empfangsbescheinigungen jeweils umgehend ans Ausland weiter, da keine Verfügungen zu erlassen seien und darum auch keine Rechtsmittelfristen zu laufen beginnen. Folgerichtig weigerte sich das Bundesamt für Justiz auch, den Wegelin-Anwälten eine Verfügung zukommen zu lassen.

Der Zustellungsversuch durch die Behörden samt anschliessender Herausgabe der Notifikationsurkunden in die USA fand also ohne Erlass einer Verfügung statt. Darum unterliege die Beschwerde der Wegelin-Anwälte auch nicht der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts, urteilten die zuständigen Richter.

Damit die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts angerufen werden kann, brauche es eine Verfügung der ausführenden kantonalen Behörde (hier St. Gallen) oder der ausführenden Bundesbehörde (Bundesamt für Justiz), meinten die Richter der Beschwerdekammer.