Die Schweiz ist nicht mehr so attraktiv für internationale Unternehmen. Zu diesem Schluss kommt die Unternehmensberatung McKinsey in einem neuen Bericht zur Standortattraktivität der Schweiz. Innerhalb von Europa fällt die Schweiz vom ersten auf den dritten Rang zurück.

 Zwischen 2009 bis 2013 hätten sich noch 27 Prozent der internationalen Unternehmen, die ihren Hauptsitz innerhalb oder nach Europa verlegten, für die Schweiz entschieden. 2014 bis 2018 waren es nur noch 19 Prozent. Gleichzeitig ist aber die Neuansiedlung von Unternehmen in Europa um 68 Prozent gestiegen. 

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Wenig Tech-Buden, kaum chinesische Firmen

Dabei hätte es die Schweiz vor allem verpasst, stark expandierende Technologieunternehmen wie beispielsweise Airbnb, Amazon, Linkedin oder Uber für eine Neuansiedlung zu gewinnen. Aber auch chinesische Unternehmen, die nach Europa streben, hätten einen Bogen um die Schweiz gemacht. Nur gerade fünf Prozent der Top-250-Firmen aus China haben die Schweiz gegenüber anderen europäischen Ländern als Hauptsitz ausgewählt. Und auch vom Brexit habe die Schweiz bisher nicht profitiert. 

«Die Standortattraktivität der Schweiz hat in den letzten Jahren deutlich gelitten», schreibt McKinsey in ihrem Bericht mit dem bezeichnenden Titel «Switzerland – Wake Up. Reinforcing Switzerland’s attractiveness to multinationals». Der Bericht hat McKinsey Schweiz zusammen mit der Swiss-American Chamber of Commerce, Economiesuisse und SwissHoldings erstellt. 

«Multinationales» haben hohen Anteil am Wohlstand

Dabei hat die Unternehmensberatung mit über 100 CEOs von Schweizer und internationalen Firmen gesprochen, darunter auch von SMI-Konzernen. «Viele Firmen in der Schweiz stellen eine schleichende Verschlechterung der Attraktivität fest. Und für viele ausländische Firmen ist die Schweiz nicht einmal mehr auf der Liste der möglichen Standortländer», sagt Raphael Buck, Senior Partner von McKinsey.

Diese Entwicklung sei besorgniserregend, weil multinationale Firmen zwar nur vier Prozent aller Unternehmen hierzulande ausmachen, «aber 36 Prozent zum Bruttoinlandprodukt beitragen», sagt Buck. Dazu komme ein Anteil von 47 Prozent bei der Unternehmenssteuer.

Auch Martin Naville, Chef der Swiss-American Chamber of Commerce, sagt zum Bericht: «Nicht nur kommen weniger Unternehmen in die Schweiz, auch bereits ansässige machen sich Sorgen um die Attraktivität. Die Frage wird sein, welchen Preis internationale Firmen bereit sein werden zu bezahlen. Die Schweiz ist immer noch ein toller Standort, aber nicht mehr überlegen wie früher.»

Fehlende Arbeitskräfte im IT-Bereich

Die Gründe sind nicht neu, aber nach wie vor vorhanden: Die Schweiz weise zu wenig hochqualifizierte Arbeitskräfte mit einem MINT-Hintergrund (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) auf. Viele Unternehmen würden sich schwer tun damit, hochqualifizierte Arbeitskräfte, die ausserhalb von Europa stammen, in die Schweiz zu bringen. Aber auch traditionelle Stärken der Schweiz wie die steuerliche und regulatorische Verlässlichkeit würden beginnen zu verblassen, so das Fazit. 

Zudem würden eine Reihe von offenen Fragen wie die Unternehmenssteuerreform oder das Verhältnis der Schweiz zur EU das Investitionsklima beeinflussen. «Die Schweizer Wirtschaft ist auf Rechtssicherheit angewiesen. Im Moment sehen wir aber grosse Unsicherheiten, wie sich die Schweiz für die Zukunft positionieren will», sagt Monika Rühl von Economiesuisse.

Steuerwettbewerb muss überdacht werden

Untersucht wurden im Bericht die Bewegungen von Unternehmen mit mehr als einer Milliarde Umsatz für die Standorte Schweiz, Niederlande, Irland, Luxemburg und Grossbritannien. Die Schweiz verlor bei globalen und regionalen Hauptsitzen und bei Finanzholdings an Boden, konnte bei F&E- und operativen Zentren jedoch zulegen. Über alle Branchen gesehen stehen einzig die Bereiche Lifesciences und IT besser da, alle anderen hätten verloren, schreibt McKinsey. 

Der Bericht schlägt vor, die Einwanderungspolitik für hochqualifizierte, gesuchte Talente zu überdenken und damit «Tätigkeiten mit hoher Wertschöpfung» zu fördern. Dazu soll die Positionierung der Schweiz bezüglich Regulatorien und Steuern geklärt werden – dazu gehören auch Freihandelsabkommen und der Steuerwettbewerb.

«Die Schweiz steckt in einem veritablen Reformstillstand fest. Wollen wir unseren Wohlstand nachhaltig sichern, müssen wir neue Marktzugänge vorantreiben», sagt Peter Grünenfelder, Direktor von Avenir Suisse.