Die Edelweiss Air muss gegenwärtig durch ein Gewitter fliegen, das zwischen Herbst 1999 und Sommer 2000 bereits die Crossair kennen gelernt hat. Ähnlich wie seinerzeit bei der Basler Fluggesellschaft geht es im Fall des Kuoni-Charter-Partners Edelweiss um Auseinandersetzungen mit dem Cockpitpersonal und um das offenbar tolerierte Unterwandern von etablierten Sicherheitsstandards. Dabei stehen Aussagen gegen Aussagen: Im Fall, der das Personal betrifft, sind Juristen am Werk.

Die Personalprobleme begannen, als der Charter-Carrier kürzlich insgesamt vier Piloten, einem langjährigen Kapitän und drei Kopiloten, gekündigt hatte. Die vier mussten aus «wirtschaftlichen Gründen» im Zusammenhang mit der nach dem 11. September 2001 grassierenden Reiseunlust gehen. In der Tat baute Edelweiss die vor den Anschlägen grosszügig geplante Destination Ägypten mangels Buchungen ab.

Auffällig ist, dass es sich beim entlassenen Kapitän um einen aktiven Gewerkschaftsvertreter handelt, der unter anderem die Edelweiss-Piloten im Schweizer Pilotendachverband Swiss Alpa repräsentiert und an der Ausarbeitung eines Gesamtarbeitsvertrags (GAV) für Edelweiss mitwirkt. Der Charter-Carrier ist bis heute die einzige europäische Airline, die keinen GAV besitzt.

Das soll nach Ansicht von Firmenchef Karl «Charly» Kistler (50) – übrigens einem Gründungsmitglied der ehemaligen Crossair-Pilotenvertretung CCP – auch so bleiben. Rückendeckung erhält er aus der Zürcher Firmenzentrale von Kuoni, wo es heisst: «Kuoni Schweiz kennt wie die gesamte Reisebranche keine Gesamtarbeitsverträge. Arbeitsverträge und -bedingungen beruhen auf dem Leistungs- und nicht auf dem Senioritätsprinzip. Es gibt aus Sicht von Kuoni keinen Anlass, im Falle der Piloten von diesem Prinzip abzuweichen und für eine einzelne Berufsgattung eine Sonderbehandlung einzuführen.»

Kuoni und Edelweiss bestreiten gegenüber der BILANZ, dass es zwischen dem gewerkschaftlichen Engagement der Piloten und den Kündigungen einen Zusammenhang gebe, und unterstreichen, die Kündigungen seien einzig aus wirtschaftlichen Gründen erfolgt. Dennoch sucht Edelweiss inzwischen ganz offiziell wieder Airbus-320/330-Piloten. Das Geschäft habe sich Anfang Januar wieder erholt, heisst es dazu bei Kuoni.

Derweil haben sich Gerichte mit der Sache zu beschäftigen. Stefan Suter, Rechtsanwalt, geht gegen Edelweiss wegen der seiner Ansicht nach «rechtsmissbräuchlichen Kündigungen» beim Arbeitsgericht Zürich vor. Suter ist derjenige Basler Jurist, der vor zwei Jahren im Disput zwischen Crossair-Piloten und Moritz Suter die Piloteninteressen gegenüber dem Management vor Gericht vertrat. Heute sagt er: «Das Beispiel Crossair hat gezeigt, dass man am Schluss doch noch zu einem positiven Ergebnis kommen kann. Bei Edelweiss und Kuoni bleibt das bislang offen.»

Weniger versöhnlich stimmen die Sicherheitsprobleme, mit denen sich die Edelweiss offenbar auseinander zu setzen hat. Im Folgenden seien zwei Beispiele genannt. Beispiel Nummer eins: In der Wintersaison 2000/2001 flog die Edelweiss unter anderem auch den Flughafen Pristina im Kosovo an. Der stand zu diesem Zeitpunkt unter Aufsicht des Militärs. Das Anflugverfahren war ungünstig, und die vorgeschriebenen Mindest-Sicherheitshöhen konnten nicht eingehalten werden. Gemeinsam mit der Crossair, die Pristina zu jener Zeit ebenfalls im Flugplan hatte, wurde daher ein neues Anflugverfahren improvisiert. Alles legal, denn die oberste Schweizer Aufsichtsbehörde, das Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL), hatte dieses nicht den europäischen Normen entsprechende Verfahren abgesegnet.

Gravierender noch war, dass es im gleichen Zeitraum in Pristina keine ordnungsgemässe Enteisung der Flugzeuge gab. Das Spezialfahrzeug war defekt, und im kriegsgebeutelten Kosovo gab es weit und breit keine angemessene Enteisungsflüssigkeit. Auch wenn jeder Pilot weiss, dass Eisbildung an den Tragflächen schnell zu einer tödlichen Bedrohung werden kann, flog die Edelweiss dennoch.

Kuoni, das Mutterhaus von Edelweiss, will sich hierzu nicht äussern und verweist in ihrer Stellungnahme darauf, dass Edelweiss die Kosovo-Flüge nicht in ihrem Auftrag und nicht mit ihren Kunden durchgeführt habe.

Beispiel Nummer zwei: Auf einem für Kuoni durchgeführten Flug von den Malediven nach Zürich mit dem Langstreckenflugzeug A 330 am 21. Januar 2001 wurde gemäss der Cockpitanzeige eines von zwei Triebwerken zu heiss. Die Piloten stellten es ab und versuchten eine Fehlerdiagnose via Satelliten-Uplink mit der Swissair Technics, mit der die Edelweiss einen Wartungsvertrag für ihre vier Airbusse hat. Gemäss Aussagen von Karl Kistler gegenüber der BILANZ handelte es sich aber «nur um eine fehlerhafte Anzeige, und es war daher nicht so gravierend». Aus dieser Überzeugung heraus flog der A 330 bereits am nächsten Tag wieder mit Kuoni-Kunden, diesmal in die Karibik. Noch vor der Atlantiküberquerung wurde das Triebwerk gemäss Anzeige zwar abermals zu heiss, doch sowohl Flug wie Rückflug, ebenfalls direkt über den Atlantik, fanden ohne Reparatur der Anzeige statt. Tatsächlich muss sich aber der Pilot im Zweifelsfall auf genau diese Anzeige verlassen – wird das Triebwerk wirklich zu heiss, kann es zu brennen beginnen oder gar explodieren.

Auch das weltweit gültige Reglement ist bei einer solchen Fehleranzeige nicht auf Kistlers Linie: Ein Flug ohne funktionierende Abgastemperaturanzeige ist nach der so genannten Minimum-Equipment-Liste (MEL), einer Auflistung aller Systeme, die bei Abflug einwandfrei funktionieren müssen, nicht gestattet. Die MEL geniesst weltweit Gesetzescharakter.
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