1992 kam das Ende, die Firma war bankrott. Eine grosse Schweizer Marke verschwand von der Bildfläche. Lahco, die Schweizer Bademode-Legende, scheiterte an wirren Kollektionen, verpasstem Zeitgeist und Missmanagement. «Es war eine tolle Marke», sagt die heutige Besitzerin mit mildem Lächeln für die vergangenen Sünden, «aber sie hatte absolut kein Konzept.» 2003 kaufte Renate Millauer-Lang, gebürtige Österreicherin, Lahco auf. Zwar war sie gewarnt worden, Lahco sei ein Liquidationsfall. Doch sie fand: «Das kann ich besser.» Schon 2003 brachte sie die erste Kollektion auf den Markt. Sie hatte Glück. «Es war ein toller Sommer», erinnert sie sich. Das Ganze liess sich gut an.

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Für Millauer war klar, dass sie zurück zu den Wurzeln der grossen Schweizer Bademodemarke wollte. «Es war ja schon etwas da», sagt sie. Schlaflose Nächte hat sie sich dennoch eingehandelt. Sie fragte sich, was die Kunden von der neuen Lahco erwarteten. Per Inserat suchte und fand sie eine alte Badehose. «Ich wollte es wieder so machen, wie es früher war», sagt sie, «nur qualitativ besser mit neuen Schnitten und Materialien.» Und nicht ganz billig sollten die Badekleider sein, Schweizer Qualitätsprodukte eben. Das teuerste Modell aus der neuen Kollektion kostet 179 Franken.

Doch die Schweiz bot der Firma kein genügendes Auskommen. Millauer kümmerte sich rechtzeitig um die Expansion ins Ausland. Lahco hat derzeit Vertretungen in Deutschland, den Benelux-Ländern und England. «Deutschland läuft toll», sagt sie, «die Kunden kaufen nur die teuren Modelle.» Ohne Illusionen sagt sie aber, «dass Wachstumssprünge Zeit brauchen, weil uns das grosse Werbebudget fehlt».

Grosse Geschichten. Das Revival von Schweizer Marken liegt derzeit im Trend. Neben Lahco sind in jüngster Zeit weitere grosse Namen revitalisiert worden, die untergegangen waren: Alpa, Banago, Cimier, Nabholz, Vivi Kola oder Wisa-Gloria. Auch solche, die dem Untergang nahe gewesen waren: Kandahar, Künzli oder Zimmerli. Insbesondere die Uhrenbranche hat eine beispiellose Welle von Relaunches erlebt, darunter traditionelle Namen wie Blancpain, Breguet und Moser, Marken, die zum Teil jahrzehntelang in der Versenkung verschwunden waren. Sie alle knüpfen an eine grossartige Geschichte an, die bei guter Vermarktung die Wiederauferstehung stark befördert hat.

«Eine grosse Geschichte allein genügt nicht», sagt Nik Stucky, Global Practice Leader Brand Valuation bei Interbrand. Der Markenspezialist betont, dass den Kunden ein klarer Mehrwert geboten werden muss, denn reine Nostalgie sei zu wenig fürs Überleben einer revitalisierten Marke. Stucky erläutert den Sachverhalt am Unterschied zwischen dem VW Beetle und dem Mini Cooper. «Bei Letzterem», sagt er, «steht ein Markenkonzept dahinter, beim Beetle ist es reine Nostalgie.» Eine zu dünne Basis für den Erfolg.

Zu den Erfolgsgeschichten der Uhrenindustrie stellen sich für Stucky einige Fragen. Ihm fehlt es an Innovationskraft in der Branche. Oft sei es nur die Story, welche die Premiummarke ausmache. «Doch der Mythos genügt nicht», sagt er, «die Marken müssen sich besser legitimieren.» Die Industrie muss den Weg wieder zurück an die Werkbank finden.

Eine grosse Geschichte hat auch die Schaffhauser Uhrenmarke H. Moser & Cie. vorzuweisen. Nach dem Revival 2005 haben sich die edlen Zeitmesser im oberen Preissegment binnen kürzester Zeit etabliert. Dabei waren die Uhren lange Zeit in Vergessenheit geraten. 1828 in St.  Petersburg vom Industriepionier Heinrich Moser (1805–1874) gegründet, stellte die Firma bis in die 1920er Jahre die meistverkaufte Uhr Russlands her, die Verbindungen reichten bis zum Zarenhof. Nach der Oktoberrevolution 1917 und der Machtergreifung der Kommunisten setzte der langsame Niedergang ein, der erst etwa 1980 zum Verschwinden der Marke führte.

Jürgen Lange, ehemaliger technischer Direktor des Lokalkonkurrenten IWC, weckte Moser aus dem Schlaf. Heute verkauft Moser 1200 Uhren pro Jahr zu Preisen zwischen 12  500 und 47  000 Franken. Im Visier für die nächsten fünf Jahre hat Lange einen Absatz von 5000 Stück. «Die Uhren wurden sofort anerkannt», sagt er, «wir können die Nachfrage kaum bewältigen.» Aus seiner Sicht hat Moser eine authentische und zugleich hochkomplizierte Uhr geschaffen. Er räumt aber ein, dass die Lancierung der Marke viel Geld gekostet hat. Deshalb hat er sich auf die Suche nach Privatinvestoren gemacht – und unter anderen den Medizinalunternehmer Thomas Straumann als Mehrheitsaktionär ins Boot geholt.

Bei Moser ist man sich bewusst, dass eine gute Story allein für den Erfolg nicht ausreicht. «Wir müssen in jeder Beziehung authentisch sein», sagt Lange. Moser entwickle und fertige nur eigene und exklusiv verwendete Werke. Die Lieferanten arbeiten strikt nach Moser-Plänen, und die komplizierten Teile werden im Hause selbst hergestellt. Wie die Unruh-Spiralfeder aus der von Straumann entwickelten Nivarox-Legierung.

«Alles aus eigener Fertigung» ist das Motto der Thuner Schuhmanufaktur Kandahar. In rund 100 Arbeitsschritten stellen 25 Mitarbeiter pro Tag rund 80 Paar der vornehmen Treter her – zu einem Preis zwischen 300 und 900 Franken. Im Sortiment der Firma finden sich Curling-, Freizeit- und Winterschuhe. Derzeit generiert Kandahar gut drei Millionen Franken Umsatz, 80 bis 90 Prozent gehen dabei aufs Konto der Winterkollektion.

Rettungsanker Modewelt. Mit Skischuhen ist die Firma zur Legende geworden. Es begann 1932 in Mürren im Berner Oberland, als der Kandahar Ski Club den Schuhmacher Fritz von Allmen mit der Produktion von Skischuhen für seine Mitglieder beauftragte. Dies läutete den Aufstieg der Traditionsmarke ein, die beim internationalen Jetset in den mondänen Wintersportorten der fünfziger und sechziger Jahre besonders gut ankam.

Kandahar hat immer den traditionellen Schuhhandel beliefert. In diesem Absatzkanal erodierten die Preise zusehends. Kandahar sah – bei anhaltend hohen Kosten – zunehmend Probleme auf sich zukommen. Eine Neupositionierung war dringend vonnöten. Der Schwenk in die Modebranche brachte die Erlösung. «In diesem Segment sind höhere Preise möglich», sagt Firmenchef Dieter von Allmen. 2003 hat er die Vintage-Kollektion für den Modehandel lanciert: geschnürte Fellstiefel für das Après-Ski. «Damit haben wir Furore gemacht», sagt von Allmen, «die aktuelle Retromode kam uns sehr entgegen.»

Einem völlig anderen Geschäftsmodell hat sich die Firma Alpa of Switzerland verschrieben. Sie selbst entwickelt das technische Konzept, das Design und das Marketing für ihre hochpräzisen, im Modulsystem aufgebauten Fotoapparate, lässt aber alles durch externe Lieferanten herstellen. Der Erfolg hat den Machern Thomas Weber und Ursula Capaul recht gegeben. Alpa, ein Nischenplayer im exklusiven High-End-Bereich, hat den Durchbruch geschafft. Möglich war dies durch permanente Innovationen sowohl bei den Kameras wie beim Zubehör – etwa die neue iPhone-Halterung für alle Kameras, mit der das Handy zum Sucher wird. «Dabei», sagt Mitbesitzer André Oldani, «schauen wir nicht in erster Linie darauf, was es kostet, sondern was es bringt.»

 

 

Erfolg dank Retrolook. 1996 haben Weber und Capaul Alpa wiederbelebt. Als Erfolgsfaktoren bezeichnen die neuen Eigentümer die konsequente Fokussierung auf das Produkt, die Optimierung der Kameras und ihrer Funktionen, die Kompatibilität der verschiedenen Module und Zubehörsysteme und die einmaligen Qualitätsstandards.

Geholfen hat sicher auch der Name. Er wird noch heute mit den edlen Spiegelreflexkameras made in Switzerland in Verbindung gebracht. Die erste Alpa wurde 1944 als Alpa Reflex Modell C von der jurassischen Pignons SA lanciert. Ständige Verbesserungen führten zu Meisterleistungen. Die Alpa war weltweit eine der ersten Kameras, welche die Belichtung hinter dem Objektiv mass. 1965 erreichte man mit 1300 produzierten Kameras den Höhepunkt, dann folgte der Abstieg. Eines der letzten Modelle, die Alpa Si 2000, wurde komplett in Asien hergestellt, von Alpa war da nur noch der Name übrig geblieben. 1990 ging die Firma in Konkurs.

Dies war im selben Jahr auch das Schicksal des Sportbekleidungsherstellers Nabholz aus Schönenwerd SO. Die älteste Sportmarke der Welt mit Gründungsdatum 1821 vermochte gegen die Grossen wie Nike oder Adidas nicht mehr zu bestehen. Dabei rüstete Nabholz auf dem Höhepunkt 1968 elf Olympiamannschaften aus. Markenbotschafter war der bekannte Kunstturner Jack Günthard. Der Sportdress war in praktisch allen Turnvereinen und Sportclubs der Schweiz präsent.

2002 wagte eine junge Firma aus der Ostschweiz, die Chris Sports Systems aus Münchwilen TG, den Relaunch und startete mit einer neuen Kollektion im Retrostil: Trainingsbekleidung, T- und Polo-Shirts im Look der sechziger und siebziger Jahre. Auch die Farben erinnern an bessere Zeiten. Die für Nabholz typischen Farbtöne dominieren die Kollektion: kräftiges Blau und Rot, kombiniert mit weissen und schwarzen Elementen. Vertrieben werden die Lifestyle-Kleider über das Internet. In den grossen Lifestyle- und Sportketten ist Nabholz dagegen nicht präsent.

Geschafft hat es dagegen Cimier. Die Marke mit den pflegeleichten Roskopf-Werken galt bis in die achtziger Jahre als die Uhr des kleinen Mannes, gleichzeitig jedoch als sehr innovativ und erfolgreich, mit Exporten in die ganze Welt. «Cimier hat damals ein eigenes Quarzwerk entwickelt und produziert», sagt Martin Bärtsch, der zusammen mit Partnern den Relaunch von Cimier wagte. Erst hatte es ihn gereizt, unternehmerisch tätig zu sein, dann ging er, der selbst aus der Branche stammt, auf die Suche nach einer Uhrenmarke. Und stiess auf Cimier, die «eine ganz interessante Geschichte» hat.

Interne Streitigkeiten über die Strategie und die Nachfolge in der Firma hatten 1985 zur Einstellung der Produktion geführt. Gut zwanzig Jahre später startete Cimier wieder durch – in Deutschland, einem der härtesten Uhrenmärkte der Welt. Schliesslich vertrieben 200 Händler die neusten Cimier-Produkte zu Preisen zwischen 200 und 500 Euro. 2005/06 war eine Neuausrichtung in ein höheres Preissegment vonnöten, in die Region von 1000 bis 4000 Franken. Bärtsch setzt auf Qualität und eigenes Know-how, wiewohl man bei den mechanischen Uhren ETA- und keine Roskopf-Werke mehr verwendet. «Wir entwickeln die Uhren selber, wir lassen sie mit unseren Werkzeugen herstellen, und die Assemblage geschieht an unserem Hauptsitz in Baar», sagt Bärtsch. Cimier generiert Jahr für Jahr ein solides Wachstum. Der Jahresausstoss beträgt 20  000 Uhren unter eigener Marke und nochmals so viele als Private Label.

Knapp vor dem Kollaps war auch die Aarburger Wäscheproduzentin Zimmerli. «Die Firma ist nicht untergegangen», betont Direktor Marcel Hossli, «aber sie hat Höhen und Tiefen durchlaufen.» Die Gründe für den knapp vermiedenen Untergang lagen ähnlich wie damals bei Lahco. Die Unterwäschekollektionen waren ohne klare Konturen, über die künftige Strategie herrschte Uneinigkeit, und es mangelte an Managementkompetenzen.

Einzigartiges aus Windisch. Retter von Zimmerli waren die beiden Cousins Hans und Walter Borner. Sie verpassten der Firma eine neue Strategie, die auf drei Pfeilern beruhte: erstens auf einer grossartigen Geschichte, die 1871 begonnen hatte und von langjährig erfolgreichen Innovationen geprägt war. Zweitens auf einer Vision, die sich streng an der ausschliesslichen Produktion in der Schweiz und an hervorragenden Qualitätsstandards orientierte. Und drittens auf einer Expansionsstrategie, die sich konsequent auf den Luxusbereich ausrichtete.

Der Erfolg liess nicht auf sich warten und wurde von Hollywood zusätzlich befeuert: dank klandestinen Markenbotschaftern wie Nicole Kidman, die im Stanley-Kubrick-Film «Eyes Wide Shut» Zimmerli-Wäsche trägt, oder Hugh Jackman, der im Film «Wolverine» im legendären Richelieu-Leibchen keine schlechte Figur macht. «Die Zimmerli tragenden Hollywood-Grössen haben uns schon sehr geholfen», sagt CEO Hossli.

Die Marke vorwärtszubringen, ist auch das Ziel von Künzli Swiss Schuh im aargauischen Windisch. Als Barbara Artmann die Firma 2004 übernahm, war der Laden nicht mehr auf der Höhe. Die Marke galt als verstaubt, und Künzli begann rote Zahlen zu schreiben. Aber hinter der Firma stand eine grossartige Geschichte. Künzli produzierte einst den Fussballschuh der Schweizer Nationalmannschaft, bis man von billigeren Produkten aus Asien verdrängt wurde. Heute sagt Artmann: «Ein grosser Name ist wunderbar, genügt aber nicht, es muss auch eine Idee dahinterstecken.»

Sie drehte die Firma in eine modische Richtung, begann handgearbeitete Sneakers aus feinen Ledern zu produzieren und hat auch mit modern daherkommenden Medizinalschuhen Erfolg. Der Mehrwert, den Künzli-Schuhe den Kunden bieten, besteht für Artmann in ihrer Einzigartigkeit: in hoher Qualität in Windisch weitgehend von Hand gefertigt.

An eine grosse Geschichte knüpfen auch zwei kleinere Relaunches an: Banago und Vivi Kola. Das bekannte Colagetränk aus Eglisau ZH wurde im Juni nach alter Rezeptur erstmals seit fast 25 Jahren in der angestammten Mineralquelle wieder abgefüllt. Verkauft wird das neue Vivi im eigenen Laden vor Ort, geliefert wird es an ausgewählte Restaurants und einen grossen Getränkeverteiler im Raum Zürich. «Wir waren echt überrascht», sagen die neuen Eigentümer, «dass wir von der Nachfrage derart überrannt wurden.»

Herbe Niederlage für Cilo. Der Instantkakao Banago wiederum dürfte noch in diesem Jahr wieder marktfähig sein. Im Jahr 2000 hatte Lindt & Sprüngli die Produktion eingestellt. Später übernahm Markenspezialist Stefan Rüssli die Rechte an der Marke. «Sie hat bei den 25- bis 60-Jährigen noch immer einen Bekanntheitsgrad von 60 bis 70 Prozent», sagt er. Daran will er anknüpfen. Aber auch er ist sich bewusst: «Der Wiedererkennungseffekt allein ist im Wettbewerb nicht tragfähig genug.»

Dies hat auch Werner Haderer zu schaffen gemacht, als er Wisa-Gloria, die Schweizer Spielzeugmarke par excellence, wiederbeleben wollte. Der Unternehmer, der aus Vorarlberg in die Schweiz eingewandert war, setzte voll auf Swissness und handmade, als er das markante rote Dreirad, den Holzlaster oder die Schaukelschnecke im Schweizer Markt wieder platzieren wollte. Er sagt: «Wisa-Gloria ist die älteste Spielwarenfabrik in Europa, sie hat eine herausragende Geschichte und eine einmalige Produktvielfalt.» Doch Haderer scheiterte grandios. Er setzt mit seiner neuen Wisa-Gloria hierzulande kaum 100  000 Franken um. «Die Schweizer wollen das Produkt einfach nicht», sagt er. Doch verzagen oder aufgeben will er, der seit 25 Jahren im Geschäft ist, auf keinen Fall. Er glaubt an Wisa-Gloria – und die ersten Erfolge in Deutschland und Japan scheinen ihm recht zu geben.

Doch ein Revival kann auch trotz aussergewöhnlicher Historie scheitern. Die Schweizer Fahrradmarke Cilo ist so ein Fall. Sie war 1914 in Lausanne gegründet worden, verkaufte Ende der achtziger Jahre 42  000 Velos pro Jahr und ging dann unter. 2005 wurde die Marke wiederbelebt, ein Jahr später kamen die ersten neuen Rennvelos auf den Markt. Auch Cilo hatte eine verführerische Historie. Fahrradlegenden wie Ferdi Kübler, Hugo Koblet oder Beat Breu feierten ihre Siege auf Cilo. Doch die Rechnung ging nicht auf, die neue Marke erlitt finanziell Schiffbruch. Am Schluss wurden die Velos von einer Detailhandelskette billig verramscht. Ein lamentables Ende für den Relaunch einer grossartigen Schweizer Marke.