Bei der Frage, «Wann kann jedermann künftig zur Arbeit fliegen», möchte sich Heinrich Bülthoff auf kein konkretes Datum festlegen. Aber er ist davon überzeugt, dass es kommen wird. «Ich bin jedoch etwas skeptisch, ob das binnen weniger Jahre der Fall ist, wie das einige Flugautoanbieter ankündigen», sagt der Direktor vom Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik. «Es gibt noch viele Herausforderungen zu meistern.»
Der Experte ist der Koordinator des von der EU-Kommission geförderten Projektes Mycopter. Dabei geht es um die Erforschung der Rahmenbedingungen für Kurzstrecken-Personentransporte mit kleinen Fluggeräten für ein oder zwei Personen. Sie sollen sich in niedriger Höhe unterhalb 500 Meter bewegen. Um eine Verbreitung der kleinen «Personal Aerial Vehicles» (PAVs) zu erreichen, muss das Fliegen mindestens so einfach sein, wie ein Auto zu fahren, heisst es bei den Forschern.
Schweizer Forscher aus Zürich und Lausanne beteiligt
Zudem zeichnet sich ab, dass es nach Versuchen mit ersten fahrerlosen Autos künftig auch autonom fliegende kleine Helikopter oder autonome Flugautos geben könnte, die senkrecht starten und landen. An dem 2011 gestarteten Projekt Mycopter, das zum Jahresende ausläuft, sind sechs europäische Forschungsinstitute beteiligt. Zwei davon kommen aus der Schweiz: Die beiden Spitzenuniversitäten ETH Zürich und die EPFL Lausanne (siehe Bildergalerie unten). Im Luftfahrtforschungszentrum der DLR in Braunschweig wurden nun einige Ergebnisse präsentiert.
Bülthoff verweist darauf, dass es schon zahlreiche Anbieter von Flugautos gibt, die bereits fliegen oder vor der Markteinführung stehen. Die Palette reicht vom slowakischen Unternehmen Aeromobil, dessen Flugauto wie ein Flugzeug abhebt, bis zum US-Unternehmen Terrafugia, deren Fluggerät aus einer Kombination aus Auto, Hubschrauber und Flugzug besteht. In Kürze soll die Auslieferung beginnen. Vor einem Jahr gab es auch Spekulationen, der Google-Konzern könnte indirekt hinter einer Patentanmeldung des US-Unternehmen Zee.Aero für ein Privat-Flugzeug mit Hubschraubereigenschaften stecken.
20'000 Kleinstflieger in der Grossstadt
Für den Experten Bülthoff ist eine wichtige Voraussetzung für die Umsetzung des Beförderungssystems, dass sich Schwärme von Kleinstflugzeugen mit unterschiedlichen Zielen unfallfrei bewegen können. «Bei einem Vogelschwarm ist das auch möglich», sagt Bülthoff. Ausserdem sollte es auch nicht zu einer Überlastung der Luftfahrtstrassen kommen, also neben dem Stau auf der Strasse ein Stau am Himmel entstehen.
Grobe Berechnungen der Mycopter-Forscher gehen davon aus, dass in einer Grossstadt etwa 7000 bis 20.000 der Kleinstflieger zum Einsatz kommen könnten. Pro Stunde könnte es 2500 bis 10.000 Flüge geben und etwa 40 bis 160 Landeplätze. Zu den grössten Herausforderungen bei der praktischen Umsetzung gehören nach Ansicht Bülthoffs rechtliche Zulassungsfragen durch die Aufsichtsbehörden.
Dieser Artikel erschien zuerst unter dem Titel «Forscher wollen Hubschrauber für jedermann bauen» in der Schwesterpublikation «Die Welt».
Die ETH Zürich und die EPFL Lausanne gehören zu den besten Hochschulen der Welt: