Die Schweizer Bevölkerung altert, der Anteil der Senioren an der Bevölkerung wird immer grösser. Personen über 60 Jahre machten im Jahr 2000 einen Anteil von rund einem Viertel aus. Im Jahr 2030 werden es bereits über 38% sein. Personen über 60 werden in den kommenden 30 Jahren das einzige ständig wachsende Alterssegment in der Schweiz sein.
Im selben Zeitraum wird dagegen die Zahl der Personen unter 60 Jahren um 10% sinken. Es wird somit in naher Zukunft eine markante Nachfrageverschiebung im Wohnungsbereich in Richtung der Senioren stattfinden. Welche Bedürfnisse haben die aktiven Senioren der kommenden Jahre? Wer sich lediglich auf Alters- und Pflegeheime konzentriert, baut an der Realität einer bis ins hohe Alter rüstigen und vermögenden Gesellschaft vorbei.
Viele Senioren sind gesund und vermögend
Wie sieht nun aber der durchschnittliche Wohnungsnachfrager ab dem 60. Altersjahr aus? In der Schweiz beträgt die durchschnittliche Lebenserwartung einer 60-jährigen Person 23 Jahre Tendenz weiter steigend. Die in der Vergangenheit geäusserten Befürchtungen, dass mit der Verlängerung der Lebenserwartung eine Verschlechterung der Gesundheit hochbetagter Menschen einhergeht, haben sich nicht bestätigt. Vielmehr ist der Anteil älterer Menschen weiter gestiegen, die ihren Gesundheitszustand als «gut» oder «sehr gut» einschätzen.
Auch das Klischee, dass Alter mit Armut gleichzusetzen ist, hält dem statistischen Test nicht stand. In der Regel wird zwar das Arbeitseinkommen zunehmend durch das (tiefere) Renteneinkommen abgelöst, wodurch die durchschnittlichen Einkommen mit höherem Alter abnehmen. Gleichzeitig steigt aber das verfügbare Vermögen bis zum 75. Altersjahr deutlich an. Dies ist auf die gute berufliche Vorsorge in der Schweiz sowie auf den immer später anfallenden Zeitpunkt der Erbschaften zurückzuführen. Vor dem 80. Altersjahr finden kaum Umzüge in Altersheime statt. Umfrageergebnisse zeigen, dass der Wechsel von einer privaten Wohnung in eine Alters- und Pflegeeinrichtung als massive Lebensumstellung erlebt wird. Entsprechend ziehen Rentner häufig erst um, wenn der Gesundheitszustand keine andere Wahl lässt. Zwischen 60 und 80 werden hauptsächlich Mietwohnungen bzw. Wohnungen mit ergänzenden Serviceangeboten nachgefragt.
Rund 50% der umziehenden Senioren ziehen nicht weiter als zehn Fahrminuten von ihrem ursprünglichen Wohnort weg. Mit anderen Worten: Die Bindung an eine Region bzw. an eine Gemeinde ist sehr hoch. Entsprechend muss zur Beurteilung des Nachfragepotenzials die Altersstruktur der Zielgemeinde sowie deren engere Agglomeration herangezogen werden.
Wohnungen mit Service
Unter dem Begriff Seniorenimmobilien werden grundsätzlich alle Wohnarten verstanden, in welchen ältere Menschen wohnen. Mit Abstand die wichtigste Form der Seniorenimmobilien sind gewöhnliche Wohnungen ohne jegliche spezielle Einrichtungen oder Dienstleistungen. Die Senioren versorgen sich weit gehend selber und führen ihr Leben wie gewohnt weiter. Der überwiegende Anteil aller Senioren wohnt solange in solchen Wohnungen, bis ein Umzug in eine spezielle, seniorengerechte Wohnung aus gesundheitlichen oder sozialen Gründen unumgänglich wird.
Die Alterswohnungen oder Wohnungen mit Service sind eine weitere Form der Seniorenimmobilien. Öffentliche und private Investoren bieten diese entweder in Gebäuden, welche im Quartier integriert sind, oder in Alterssiedlungen an. Die Wohnungen sind in der Regel überdurchschnittlich gut ausgebaut, rollstuhlgängig und werden entweder vermietet oder als Eigentum verkauft. Teilweise werden zusätzliche Servicedienstleistungen zur Verfügung gestellt, wie beispielsweise eine eigene Haus- und Krankenpflege oder eine Cafeteria.
Nur 5 Prozent wohnen in Alterswohn- und Pflegeheimen
Viele Immobilieninvestoren stellen sich unter dem Begriff Seniorenimmobilien Alterswohn- und Pflegeheime vor. Allerdings wohnen lediglich 5% aller Personen im Alter über 60 Jahre in solchen Einrichtungen. Erwartungsgemäss steigt dieser Anteil mit dem Alter und erreicht bei den über 85-Jährigen 28%.
Seniorenimmobilien verfügen in den kommenden Jahren durchaus über Wachstumspotenzial. Allerdings ist der Erfolg eines entsprechenden Immobilieninvestments nicht automatisch an das Bestehen dieses Nachfragetrends gekoppelt. Die Chancen und Risiken auf den einzelnen lokalen Märkten unterscheiden sich je nach Form der angebotenen Liegenschaften erheblich. Eingehende Markt-, Standort-, Gebäude- und Betreiberanalysen sind bei Seniorenimmobilien entsprechend ein unverzichtbarer Erfolgsfaktor. Schliesslich muss das Angebot auch noch vom Preis-Leistungs-Verhältnis her überzeugen. Nur dann sind unsere älteren Mitbürger und Mitbürgerinnen auch bereit, den Investoren und Betreibern eine angemessene Rendite zu garantieren.
Ulrich Braun, Leiter Real Estate Analysis, Credit Suisse Economic & Policy Consulting, Zürich.